Verschenktes Leben
Habt ihr schon mal versucht, eine Privataudienz beim Papst zu bekommen? Es gibt Menschen, die reißen sich um solcher Art Begegnung und versprechen sich eine entsprechende Aufmerksamkeit in den Medien, um im Gespräch zu bleiben in der Öffentlichkeit. Es gibt aber Gott sei Dank auch eine andere Kategorie Mensch, und denen geht es wirklich um einen reflektierten Austausch und sie erhoffen sich einen guten Rat von einer Autorität, die frei und unabhängig auf das Leben schaut mit guten Augen und einem weiten Herzen. Bei Papst Franziskus, das zeigt die Erfahrung nach 5 Jahren seines Pontifikats, da ist manches möglich, was man nicht erwarten würde, aber dass ihr oder ich von ihm empfangen werden würden: wohl eher unwahrscheinlich.
Diese nicht näher beschriebenen Griechen im heutigen Evangelium haben auch um eine Audienz gebeten: Bei Jesus selbst; ob es bekannte Persönlichkeiten waren oder Menschen wie ihr und ich, das bleibt im Verborgenen. Auch ihre Absichten werden nicht näher beschrieben. Sie bleiben auf sich gestellt, auch ihnen wird keine Audienz gewährt, und da halfen nicht mal gute Beziehungen zu Freunden von Jesus, Andreas und Philippus nämlich. Dabei sagt man doch, dass Vitamin B in allen Lebenslagen hilft.
Ich bin bei diesem „aber“ hängen geblieben: „Jesus aber antwortete ihnen“. Worauf sollte er antworten, er ist doch gar nichts gefragt worden, zumindest nichts Inhaltliches. Wenn denn eine Frage im Raum stand, dann höchstens die, ob er denn Zeit habe für die griechischen Bekannten. Und darauf hätte Jesus einfach nur mit ja oder nein antworten können. Er redet aber viel ausführlicher und gänzlich losgelöst von dem, was vorher passiert ist. Und er redet nicht ausschweifend, weit ausholend, sondern kurz und knapp. Ein kleines Bild, das sich alle gut vorstellen und nachvollziehen können – das Bild vom Samenkorn – genügt, um seine Botschaft umfassend – und ebenso kurz und knapp – zu verbreiten: Wie das Weizenkorn muss auch der Mensch bereit sein, von sich selbst lassen zu können, sich selbst loslassen zu können, damit Neues gedeihen, wachsen, werden kann. Zukunft, ja: Ewigkeit wird Wirklichkeit, wenn wir Menschen von uns geben, uns weggeben, uns verschenken. Nicht die biologische Weitergabe von Leben versinnbildlicht die Größe des Menschen und seine Liebesfähigkeit, sondern die geistige Weitergabe seiner und ihrer selbst. Sich selbst – leidenschaftlich – in die Welt hineinbegeben und den anderen, der Schöpfung dienlich sein, das bringt einen ewig reichen Ertrag. Um es sehr plastisch zu sagen: Gott misst die Liebesfähigkeit eines Menschen nicht an der Frage, wieviel Kinder er gezeugt oder geboren hat, sondern wie viel er von seinen Lebensbegabungen und seiner Liebenswürdigkeit in die Welt hineingetragen hat.
Altmodisch mag man das „dienen“ nennen. Papst Franziskus hat dieses altmodische Wort in die moderne Welt übersetzt. Er dient tatsächlich in einer unaufdringlichen und einfachen Weise und er dient gerade dort, wo die wenigsten hingehen; letzte Woche wieder in die Suppenküche auf Trastevere, wo er die Gemeinschaft San Egidio besuchte.. Nicht alle mögen seinen Dienst verstehen, weil sie große Worte und Taten von ihm erwarten. In meinen Augen sind sie groß und verändern mein Denken und Handeln mehr als manch andere kluge theologische oder soziale wissenschaftliche Abhandlung. Ich bin diesem Papst dankbar für seinen Dienst in den letzten 5 Jahren. Und für mich braucht es gar keine Privataudienz, mir genügt, dass er mich mit seinen einfachen, unscheinbaren Gesten und Worten anrührt und auch ermahnt, mich selbst zu hinterfragen, ob und wie ich mein Leben verschenke…Predigt am 18. März
Christoph Simonsen