Biblische Ansprachen

von Guido Schürenberg in Wort-Gottes-Feiern Samstag-Abends in der Marien-Kirche in Düren


»Und ihr für wen haltet ihr mich?« – zu Mt 16,13-23

Eine Wikipedia-Suche zum Apostel Petrus zusammengefasst:

Petrus, eigentlich Simon bar Jona, was Sohn des Johannes heißen kann
oder als Charaktereigenschaft „impulsiv oder unbeherrscht“ bedeuten kann, ein Adjektiv, das die jüdischen Freiheitskämpfer zur Zeit Jesu, die Zeloten bezeichnete.

Beruf Fischer am See Genezareth, verheiratet und wohnhaft in Karphanaum.

Schon bei seiner Berufung in den engsten Jüngerkreis erhält er von Jesus den Beinamen Kephas, was auf Griechisch petros, Fels bedeutet – Eine weitere ihm nun von Jesus zugewiesene Charaktereigenschaft.

Er war eine Führungsfigur und wird in allen Apostellisten als erster genannt. Er ist Sprecher des Jüngerkreises und wird wegen seiner Predigten über Jesus, als dem von Gott gesandten Messias vom jüdischen Religionsgericht, dem Sanhedrin, zum Schweigen verurteilt, was er kommentiert mit: „Wir können nicht schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben.“

Seine Verkündigungs- und Missions-Arbeit nach Tod und Auferstehung Jesu beschränkt sich auf die Juden, wogegen er von Nicht-Juden erst die Konversion also den Übertritt zum Judentum verlangt.

. Sein Einfluss über juden-christliche Gruppen, der Kephas-Partei ist in den Christengemeinden des römischen Reiches spürbar und wirkmächtig, was immer wieder für Verunsicherung insbesondere in den von Paulus gegründeten Gemeinden sorgte, denn Paulus taufte auch und gerade Nicht-Juden auf den Namen Christi.

15 Jahre nach Jesu Tod wird diese Spaltung der Christengemeinden in „Christen jüdischer Herkunft und nicht-Juden, die sich zum Christlichen Glauben bekannten und taufen ließen“ durch den Beschluss des Apostelkonzils in Jerusalem formal aufgehoben, sodass auch die volle Mahlgemeinschaft möglich wurde.

Historisch sind sein Aufenthalt in Rom und sein Märtyrertod dort nicht belegt und auch die neutestamentlichen Quellen machen über sein Wirken nach dem Apostelkonzil keine Angaben.

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Das Evangelium des heutigen Tages erzählt von Jesus, der am Beginn seines Weges nach Jerusalem ist und dem klar wird, was ihn dort erwartet, nämlich sein Tod als Irrlehrer.

Jesus scheint sich unsicher zu sein, ob das wirklich sein Weg ist und ob seine Botschaft vom GOTT*es Reich der Gerechtigkeit und Liebe, der neuen Ordnung GOTT*es bei seinen Zuhörenden angekommen ist und ob seine Freundinnen und Freunde zu ihm und seinem Auftrag, seiner Botschaft stehen. Deshalb stellt er seinen Jüngerinnen und Jüngern die Frage:

»Für wen halten die Leute den Menschensohn und für wen haltet Ihr mich?«

Als wir in der Vorbereitung darüber sprachen, meinte meine Frau: „Warum will er das eigentlich wissen?“ und ich: „Was erwartet er eigentlich von seinen Freunden?“

Ich denke, wir alle kennen das Bedürfnis zu wissen, was man von uns hält, über uns denkt, ob wir mit dem, was wir tun und sagen wahrgenommen werden, ob es Gefallen findet, besonders bei denen, die uns wichtig sind.

Nur wenige wirklich gute Freunde können uns offen und ehrlich eine Rückmeldung, ein Feed Back geben, das wir annehmen können. – Insbesondere, wenn das, was an Reaktionen kommt kritisch ist, ja uns existenziell infrage stellt.

Ist auch Jesus auf solch Feed Back angewiesen, oder ist er sich selbst nicht sicher, was seine Berufung und Auftrag ist?
Oder wird ihm klar, wo dies in der Konsequenz enden wird und dass er für diesen Weg die uneingeschränkte Solidarität seiner Freundinnen und Freunde braucht?
Und ob diese stark genug sind, seine Botschaft weiterzutragen und zu leben?

„Die Leute“ halten ihn für einen aus der Reihe der Propheten, erkennen offenbar nicht das Besondere seiner Botschaft vom Gottes Reich. Seine Lebensweise und seine Themen fallen in die Kategorie „Prophet“, Unterkategorie „Endzeit-Prophet“. Die Glaubenshüter und –Verwalter in Jerusalem werden ihn wahrscheinlich als Irrlehrer bezeichnen.
Etiketten und Schubladen, Einschätzungen, die ihn nicht sonderlich interessieren.

Er will eine ehrliche Antwort, von Menschen, die ihm wichtig sind, die ihn kennen, die ihn erleben. Also fragt er diese: „und für wen haltet Ihr mich?«

Simon, der von Jesus immer mit Beinamen Kephas/ Fels benannt wird, antwortet typisch barjona, also impulsiv und begeistert: »Du bist der Messias, der von GOTT beauftragte und gesalbte Christus, der versprochene Retter, der Sohn des lebendigen Gottes!«
Jesus deutet dies nicht als Gefälligkeit oder Lippenbekenntnis, sondern als Gott gewirktes Glaubensbekenntnis: »Du bist besonders gesegnet, Simon, du Sohn von Jona! Diese Einsicht hast du nicht aus eigener Eingebung und auch von keinem anderen Menschen! Nein, Gott, mein Vater, der über allem thront, hat dir diese Einsicht geschenkt!“

Jesu fühlt sich bestärkt, spürt die Solidarität und Verlässlichkeit der Jüngerinnen und Jünger, insbesondere des Simon. Er traut und vertraut ihnen –und so ist es in diesem viel später und nur ins Matthäus-Evangelium eingefügten Passus gemeint- die Leitung und Sorge für die von ihm in seine Nachfolge gerufenen an, wie einem guten Verwalter, einem engen Vertraten.
Im griechischen Text steht ekklesia, die Herausgerufenen, was in der Einheitsübersetzung der Bibel mit Kirche übersetzt wird.

Jesus bedenkt aber auch die Konsequenzen seines Predigens und Handelns auch für diese seine engsten Vertrauten und Freund_innen.

Irritierend ist, dass er diesen verbietet darüber zu reden, dass er der Messias ist.

Im weiteren Verlauf seines Weges kündigt er unmittelbar in den nächsten Versen des Matthäus-Evangeliums seinen bevorstehenden Tod an.

Petrus will diese Konsequenz seiner Glaubenserkenntnis und seines -bekenntnisses, dass Jesus der Messias ist, nicht wahrhaben und auch wir tun uns schwer damit:

Der von GOTT* gesandte Retter kann und darf nicht sterben! Ein ohnmächtiger, leidender, schwacher Erlöser? GOTT*es Sohn wird sterben? Das kann und darf nicht sein!

Jesus reagiert sehr empfindlich auf den Protest seines engen Vertrauten. Er bezeichnet Petrus, den er eben noch als Fels des Glaubens vor allen ausgezeichnet hat, nun als Versucher, als Satan, der ihn vom Erlösungsplan GOTT*es abbringen will: „Deine Gedanken stammen nicht von Gott, sie sind typisch menschlich.«

Und damit sind wir bei uns und unserer typischen Menschlichkeit – genau wie Jesus, der ja Mensch geworden ist, in allem uns gleich, wie Paulus, der andere Glaubenszeuge, den wir heute feiern, bekennt:

Wir haben Vorstellungen und Visionen für eine gute, lebenswerte Zukunft, für uns, unsere Familien, unsere Gesellschaft, die Welt in der wir miteinander leben. Wir entwickeln Ziele und machen Pläne, entwickeln Regeln, gemeinsam mit anderen, oder allein aus einer Idee, einer Eingebung heraus und wir engagieren uns dafür, voll und ganz – leidenschaftlich.

Aber es bleibt die Unsicherheit. Zweifel begleiten uns. Es gibt Wiederstand auch von Menschen, die uns nahe sind.

Wer bin ich? Was treibt mich an? Schaffe ich das? Bin ich der/ die Richtige dafür? Gelingt es mir andere zu überzeugen und zu gewinnen sich ebenfalls für unser gemeinsames Ziel, unsere Vision einzusetzen? Auf wen kann ich mich verlassen? Bin ich nicht letztlich einsam und allein?

Es ist eine Frage unseres Glaubens an den GOTT*, der sich ICH-BIN-DA nennt, der uns beim Namen gerufen hat, der unseren Namen in seine Hand geschrieben hat, der sagt Du bist mein und das ganz liebevoll meint, weil er das Gute ist.

Unserer Vision, unserem Ziel nahe zu kommen, ist ein lebenslanger Entwicklungs- und Lernprozess, immer wieder von Zweifeln begleitet und letztlich nur im Glauben zu leben, um am Lebensende sich vertrauensvoll in die Hand GOTT*es fallen zu lassen.

Die von Jesus berufenen Glaubenszeuginnen und –Zeugen, Menschen mit allen Stärken und Schwächen unserer typisch menschlichen Art, können uns Vorbild sein auf diesem, unserem eigenen Glaubensweg.

GS 29. Juni 2024


Markusevangelium 4,26-34

Seit meiner Verrentung habe ich die Gartenarbeit für mich wiederentdeckt. Das, was vorher auf einem Grundstück von mehr als 1000 qm eher lästig, weil zeitraubend war und sich nur mühsam in mein Berufs-Alltagsleben integrieren ließ, wurde nun zur erfüllenden Ganzjahresbeschäftigung. Mein Leben und Sorgen orientiert sich an Aussaat-, Pflanz-, Ernte und Brach-Zeiten. Die saisonalen Gemüse- und Obsternten übersteigen manchmal unseren Selbstversorgerbedarf für 2 Personen, sodass auch Nachbarn, Kinder und Freunde am Ertrag teilhaben.

Von daher treffen Jesu Gleichnisse zum Wachstum des GOTT*es Reich auf meine Lebenswelt und –Erfahrung.

Allerdings fehlen mir in dieser Gleichnisrede über das wachsen des GOTT*es Reich die Pflege- und Düngenotwendigkeiten und -maßnahmen – und aktuell besonders nervend die Schneckenplagen fast biblischen Ausmaßes.

Aber vielleicht brauche ich ja auch, wie die Jünger neben der Phänomenologie des Wachstums- und der Ausbreitung des Reiches GOTT*es auch eine Gebrauchsanweisung, eine Erklärung, um tiefer sehen und begreifen, ja glauben zu können, was meine Aufgabe, mein Anteil am Reich GOTT*es ist.

Auch Jesus scheint ja um passende Bilder und Vergleiche zu ringen, um das Reich GOTT*es zu beschreiben, wenn er sagt: »Wie geht es zu, wenn Gott seine Herrschaft aufrichtet?«, fragte Jesus. »Womit können wir das vergleichen?

Bilder sind immer nur Ausschnitte einer Wirklichkeit. Bilder und Gleichnisse sind zeitgebunden und von der Erfahrungswelt der Menschen der jeweiligen Zeit abhängig.

Ich verstehe diese Reich GOTT*es Gleichnisse so, dass Jesus mit seiner Botschaft und Vision in der Bergpredigt von gelebter Gerechtigkeit und Liebe als den Merkmalen der neuen Ordnung GOTT*es für die Welt den Samen gelegt hat. Seine Botschaft muss aufgehen und wachsen, ohne dass er Einfluss nimmt. Ob sie ankommt liegt am Boden in den er eingesät hat oder besser an der Offenheit der Hörer und Leser_innen dieser Botschaft. Der Glaube und das entsprechende Leben, aber auch die Zweifel und die alltäglich gelebte Spiritualität gehören zum Wachstumsprozess der neuen göttlichen Ordnung. Dieser wird gefördert durch Heiligen Geist, er ist Dünger und Kompost. Auch förderlich für das Reifen meines Glaubens sind der Austausch mit und die Erfahrungen anderer Glaubenszeug_innen.

Soweit für Landwirte und Gärtner_innen verständlich. Aber wen schickt der Bauer, also Jesus zur Ernte?

Sind wir es, die Hörer_innen der Botschaft, die ernten? Und ist unser vom Glauben geprägtes Leben die Ernte?

Der Ertrag der Ernte -in diesem Gleichnis das gelebte Reich GOTT*es- sind dann nachhaltige und wirksame Lebens-Mittel für ein GOTT* gewolltes Leben.

Jesus oder der Evangelist Markus hält es für notwendig auch noch etwas zur Wirkweise der neuen göttlichen Ordnung mit einem Gleichnis zu beschreiben.

Beim Senfkorn, aus dem ein bis zu 4 Meter hoher, Schatten spendender Baum nach einigen Jahren des Wachsens wird, geht es um Schutz geben, um Beheimatung im GOTT*es Reich der Gerechtigkeit und Liebe. Das ist Schalom und Salam – allumfassender Friede.

Und dann ist da noch dieser merkwürdige Zusatz des Evangelisten, der 2 Kategorien von Hörenden der Botschaft aufzeigt: das an Jesus interessierte Volk, dem die Botschaft vom GOTT*es Reich quasi in einfacher Sprache, sprich Gleichnissen vermittelt wird und die von ihm auserwählten Jüngerinnen und Jünger, mit denen er Klartext redet.
Daraus könnte man schließen, dass bereits durch die Evangelisten, also 30 Jahre nach Jesu Tod eine kirchliche Standesordnung etabliert wird: die Kleriker (aus dem Griechischen: „durch Los zugefallener Erb- oder Anteil“) auf der einen Seite und den Laien (von Laos, das Volk), dem das Wissen erst in einfacher Sprache vermittelt werden musste. Dies spiegelte sich ja in den mittelalterlichen Kirchenbauten, in denen der Liturgieraum der Kleriker durch einen Lettner, einem mehr als mannshohen Raumteiler, vom Volk abgetrennt war. Im Chorraum fand die Liturgie auf Latein statt und das Volk vor dem Lettner war zum passiven Zuhören einer für sie unverständlichen liturgischen Handlung in kirchen-lateinischer Sprache gezwungen. Was beim Volk ankam war „Hokuspokus“, wegen der lateinischen Wandlungsworte Hoc est enim corpus meum –das ist mein Leib.

Dieser selbstermächtigten Distanzierung, ja Trennung des Klerikerstandes von den Laien hat das 2. Vatikanische Konzil zumindest zum Teil durch die Definition der Kirche als wanderndes Volk Gottes widersprochen. Die Weltkirche hat aber bis heute als Konsequenz keine synodale, gleichberechtigte Kirchenordnung beschlossen und festgeschrieben.

Aber zurück zur Botschaft Jesu. Was ist an ihr frohmachende, Hoffnung gebende Botschaft für uns und unsere Multikrisenzeit?

Zunächst mal ist sie entlastend: Gott hat durch Jesu Botschaft seine Vision in uns gesät, er lässt es wachsen und wirken, wenn wir uns darauf einlassen. Wir müssen nicht das Reich Gottes erbauen, sondern es ist in uns.

Und es fängt klein an, wächst und bietet vielen Schutz und Heimat.

In dem Sinne sind wir selig oder glücklich, wie die Seligpreisungen der Bergpredigt es ausdrücken, wenn wir einfach leben, nach Gerechtigkeit und Frieden streben und uns den anderen liebevoll zuwenden.

Und dieses Reich GOTT*es der Gerechtigkeit der Liebe und des Friedens ist offen für alle, die es suchen und es leben wollen. Dann ist es Heimat und Schalom.

GS 15. Juni 2024


Warum ich noch … immer mich für das Reich Gottes einsetze – am 11./ 12. Mai 2024

(Apostelgeschichte 4, 8-21)

Als die Anfrage kam mich an der Predigtreihe unter dem Titel „Warum ich (noch) … „zu beteiligen, klang für mich bei diesem Titel die Satzvollendung „… in der Kirche bin“ mit. Das traf nicht meine Fragen und nicht mein Selbstverständnis. Aber da ja jeder und jedem Angefragten offen stand diesen Titel für sich zu ergänzen möchte ich ihn heute Abend so für mich ergänzen und füllen: Warum ich noch … immer mich für das Reich Gottes einsetze

Dazu ein paar biographische Daten:

Aufgewachsen bin ich als Sohn eines Küsters und Hausmeisters in einer der größten Pfarreien der Stadt Essen.

Mein Lebensraum waren die Andreas-Kirche –wie die Anna-Kirche in den 50er Jahren vom Architekten Schwarz erbaut- und die pfarrlichen Einrichtungen drum herum. Eine katholische Blase mit Priestern, Nonnen, Jugendgruppen, Familienkreisen und allem, was katholisch sein Ende der 50er und in den 60ern ausmachte.

Das Kirchengebäude war für mich nicht nur Gottesdienstraum, sondern manchmal auch Spielplatz, später auch Kunst- und Musikraum – und immer öfter Rückzugs- und Besinnungsort.

Diese enge Verflechtung war auch mein Glaubens-Biotop und hat sowohl mein Kirche-Sein, als auch meinen Glauben nachhaltig geprägt.

Kennzeichnend dafür war die erlebte Gemeinschaft und die Aufbruchsstimmung des 2. Vatikanischen Konzils, die damals Priester wie Laien begeisterte und ein neues Kirchenbewusstsein ermöglichte – dort wo es umgesetzt wurde.

Parallel zu meiner religiösen Sozialisation in Familie und Pfarre wurde ich in meinem Schülerverband, der Katholischen Studierenden Jugend mit dem kritischen und politischen Katholizismus Anfang der 70er Jahre konfrontiert, mit den Ideen der Theologie der Befreiung aus Lateinamerika, mit der Taizé-Bewegung unter dem Leitwort „Kampf und Kontemplation“ und mit der Katholischen Friedensbewegung PAX CHRISTI. Mein Glaube wurde im besten Sinne politisch.

Nach der Schulzeit studierte ich Katholische Theologie als „Nicht-Berufener“, wie uns der damalige Essener Kardinal Hengsbach bei einem Gespräch mit Theologie-Studierenden an der Uni Bochum nannte.

Mein Glaubens-Biotop in dieser Zeit waren die Studierenden-Gemeinden in Bochum und Münster mit Bibel-Gesprächen und alternativen Gottesdiensten mit den Möglichkeiten sich intensiv mit seinen Fragen und mit seinem Glauben einzubringen

Nach dem Studium trat ich dann hauptamtlich in den kirchlichen Dienst als Stadtjugendreferent in Oberhausen, danach 20 Jahre hier in der Regionalstelle Düren als Pfarrgemeinderats- und Erwachsenen-Katechese-Referent und zuletzt 15 Jahre als Studierenden-Seelsorger in Aachen.

Seit 3 Jahren bin ich nun verrentet und beziehe eine kirchlicher Zusatzrente – aber ohne amtliche Verpflichtungen in der Kirche mehr.

Mein Glaube, so wie ich ihn verstehe muss auch alltag-täglich seinen Ausdruck finden in meinem Leben und in meinem sozialen, ehrenamtlichen Engagement. Deshalb war und bin ich seit nunmehr 55 Lebensjahren engagiert in der Eine-Welt-, Friedens- und Ökologiebewegung und in kirchlichen Gruppen der Jugendverbandsarbeit, in Familienkreisen, Pfarrgemeinderatsarbeit und die kirchliche Pastoral und Sozialarbeit fördernden Stiftungen und Vereinen. Seit mehr als 10 Jahren gestalte ich Wort-Gottes-Feiern in der Marienkirche und seit 7 Jahren mit anderen Engagierten die biblisch-inspirierten Gottesdienste Feierabend+ – 5-6 mal im Jahr, freitagabends in St. Marien oder an anderen öffentlichen Orten, und während der Pandemie auch als Online- Gottesdienst im Video-Konferenz-Format.

Warum tue ich das und was habe ich davon?
Das sind legitime Fragen an ehrenamtliches Engagement in Lebenswende-Zeiten wie Familien-Gründung oder dem Eintritt in die Verrentung und auch, wenn der Träger dieses Engagements in seinen Strukturen und seiner Praxis so unglaubwürdig wird, wie die katholische und auch die evangelische Kirche durch die Vertuschung sexuellen und geistlichen Missbrauchs, den Ausschluss sich berufen wissender Frauen von kirchlichen Ämtern, der Segensverweigerung für Paare, die nicht der kirchlichen Norm in ihrer Lebensform und Sexualität entsprechen.
Diese Fragen werden mir auch von Freunden, aus der Familie und von mir wichtigen Personen gestellt.

Deshalb

Eine Selbstvergewisserung:

Drei Kernsätze haben meinen Glaubens- und Lebensweg begleitet und sie sind immer noch Basis meines Engagements:

1.   Die Vater Unser-Bitte: Dein Reich komme und Dein Wille geschehe
seit einer durchwachten Gründonnerstags-Nacht in der Kapelle unserer Jugendbildungsstätte.

2.   Beim Studium des Johannes-Evangeliums, in dem Jesus mit Blick auf seinen Auftrag für die von GOTT* geliebten Menschen sagt:

Ich bin gekommen, um ihnen das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle“ (Johannes 10,10)

3.   Und der Leitsatz für die pastorale Arbeit der Kirche, wie das 2. Vatikanische Konzil ihn in der Kirchen-Konstitution Gaudium et Spes formuliert:

Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“

Was bedeutet für mich heute Jesu Botschaft vom Reich GOTT*es und wie kann ich den Willen Gottes mit mir erkennen?

Das Reich GOTT*es ist ein Prozess, es wird Wirklichkeit da, wo christlich inspirierte Menschen versuchen es nach den Geboten der Bergpredigt von Gerechtigkeit, Versöhnung, Nächsten- und Feindesliebe, Solidarität mit den Armen, Unterdrückten und Ausgebeuteten zu leben.
Dem Willen GOTT*es nähere ich mich an, indem ich mich mit der biblischen Botschaft auseinandersetze im Lesen, mit anderen.
Indem ich das was ich verstanden habe teile, mich von ihnen inspirieren lasse und mich der Führung Gottes auf meinem Weg anvertraue, wie ein spiritueller Lehrer in Münster sagte und schrieb: „Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt“

In meinem beruflichen und ehrenamtlichen Engagement habe ich versucht solche Such-Prozesse und Glaubensgespräche zu ermöglichen. Seit einigen Jahren ist auch das Internet ein solcher Ort, an dem ich auf meine Website besinnzeit.de versuche AlltagsSpirituelle Impulse zu setzen, die Glauben und Leben verbinden.
(Auf www.besinnzeit.de veröffentliche ich auch diese Ansprache)

Ich bin gekommen, um ihnen das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle“

Diese Zusage aus dem Johannes-Evangelium gibt mir Kraft und Hoffnung, wenn ich mal wieder resigniere, an mir selbst zweifle, das Gefühl habe versagt zu haben. Nicht ich bin der Weltenretter, von dem alles abhängt, sondern GOTT* meint es gut mit uns Menschen und er schenkt uns erfülltes Leben und ausreichend Liebe, dass wir auch andere lieben können und so dieser Welt Schalom, allumfassenden Frieden geben.

Der Selbstanspruch der Kirche:

Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“
motiviert mich immer noch mich für menschenwürdige Lebensbedingungen und für ein Gutes Leben für alle auf diesem Planeten einzusetzen.

Konkret ist das für mich seit fast 25 Jahren das eine-welt-engagement, dessen Vorsitzender ich bin und in dem und mit dem wir versuchen zusammen mit unserem Partner der Caritas in Sambia/ Afrika jungen Menschen Bildung und Kultur-Austausch zu ermöglichen und den benachteiligten, kleinbäuerlichen Familien ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Darüber hinaus steckt in diesem Selbstverständnis des kirchlichen Auftrages für die Welt auch das Engagement gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Hass und Gewalt, wie wir sie gerade überall um uns herum und in vielfachen Formen erleben. Dagegen aufzutreten und mit anderen für gelebte Demokratie und eine offene, vielfältige Gesellschaft einzutreten  ist lebens-notwendiges, christliches Engagement – sei es gelegen oder ungelegen.

Wir haben vorhin in der Apostelgeschichte vom Prozess gegen Petrus und Johannes und dem Sprech- und Verkündigungsverbot des Gerichtes gehört.

Die Antwort der Apostel

»Entscheidet selbst, ob es vor Gott recht ist, euch mehr zu gehorchen als ihm!

Wir können nicht verschweigen, was wir gesehen und gehört haben!«
motiviert michim Einsatz für das Reich GOTT*es und für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten.

Oder mit den Worten des Liedermachers Konstantin Wecker:

Ich singe, weil ich ein Lied hab,
Nicht, weil es euch gefällt.
Ich singe, weil ich ein Lied hab,
Nicht, weil ihr’s bei mir bestellt
Ich singe, weil ich ein Lied hab,
Nicht, weil ihr mich dafür entlohnt..
Ich singe, weil ich ein Lied hab,
Und keiner, keiner, keiner wird von mir geschont.
Ich singe, weil ich ein Lied hab.


Lukas-Evangelium 24,35-49

Das Zeugnis nur der Frauen, die von Männern in weißen Gewändern und von der Auferweckung Jesu durch GOTT* berichteten, reichte den Männern, die sich als Jesu Freunde und Jünger wähnten nicht. Erst musste Petrus, der Älteste sich mit eigenen Augen vom leeren Grab überzeugen, was ja auch andere Gründe haben konnte, und dann mussten noch die beiden frustrierten Jünger ihre Begegnung mit Jesus auf dem Weg nach Emmaus haben, damit sich langsam die Erkenntnis durchsetzen konnte, dass „Der Herr wirklich auferstanden“ ist!

Für uns wissenschaftlich aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts gut nachvollziehbar. Mir würde das auch nicht reichen, um an Jesu Auferstehung zu glauben. Denn Tod ist Tod und die Speerspitze des römischen Hauptmanns im Herzen Jesu war sicherlich tödlich. Das leere Grab – na ja vielleicht wurde der Leichnam gestohlen. Oder, falls er doch nicht tot war, haben ihm unbekannte Unterstützer den Stein weggerollt.

Diese Gerüchte jedenfalls waren im Umlauf, wie man in den Evangelien nachlesen kann und sowohl die römische Besatzungsmacht und noch mehr der hohe Rat der Juden hatten ein Interesse daran diese zu unterbinden, den Unruhe-Stifter Jeus mit seiner Botschaft vom GOTT*es Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens ein für alle Mal für tot zu erklären. Und so schreckten sie auch vor Zeugenbestechung nicht zurück. (nachzulesen in Matthäus 24 und 25)

Deshalb die Fakten:
Amtlich festgestellt und bezeugt war er Tod Jesu (berichtet der römische Geschichtsschreiber Flavius Josephus). Der Leichnam wurde 2 Tage später, also nach dem Sabbat, nicht mehr im Grab gefunden.
Ein weiterer historischer Fakt ist, dass er schon kurz nach diesem Ereignis von seinen Anhängern als „auferstanden“ „geglaubt“ und verkündet wird (ebenfalls bei Flavius Josephus)

Für die Zwischenzeit entstehen Begegnungs- und Erscheinungsgeschichten. Mal einzeln, wie mit Maria Magdalena, mal sind es zwei Jünger, die auf dem Weg zurück in ihre Heimatdörfer sind. Dann hat der Auferstandene sich angeblich Simon Petrus gezeigt, sagt der, obwohl ein paar Verse vorher nur vom leeren Grab die Rede ist und von der Verwunderung des Petrus über „was da wohl geschehen war“. Dann gibt es im Johannes-Evangelium den Wettlauf der Jünger: Lieblingsjünger gegen Ältesten zum leeren Grab, bei dem Johannes dem Älteren den ersten Blick lässt, aber selbst sich noch ein eigenes Bild machen muss.
Dann erscheint Jesus –wie eben im Tagesevangelium des Lukas gehört- den versammelten Jüngern in Jerusalem, als sie zu Tisch liegen; anders wiederum bei Matthäus wo er in Galiläa auf einem Berg sich den Jüngern zeigt.

Diese Geschichten sind in ihrer Unterschiedlichkeit verwirrend, kennzeichnen aber auch die je unterschiedlichen Erfahrungen und Wahrnehmungen derjenigen, denen sich der von GOTT* Auferweckte zeigt oder denen er begegnet.

Für uns als heutig Glaubende sind all diese Geschichten und Erfahrungen so schwer nachzuvollziehen, wir können sie nur nachempfinden, wenn wir uns versuchen in die Jünger*innen und Jünger hinzuversetzen:

Die Euphorie des gemeinsamen Festmahls, gefolgt von der im wahrsten Sinne verpennten Nachtwache, die Verrat und Gefangennahme ermöglichte. Der kurze Prozess, Folter – und Leidensweg zur Kreuzigung, Hohn und Spott an der Schädelstätte;
bloß nicht mit ihm, dem bedauernswerten Opfer in Verbindung gebracht werden, deshalb erst mal abtauchen, sich verstecken an den Orten, wo sie mit IHM zusammen waren, früher und an denen das GOTT*es Reich erlebbar war, damals, weil ER dabei war und sie ermutigt und gestärkt hat.
Bei der Kreuzigung sind deshalb aus dem Jünger*innen-Kreis nur Frauen, „die ihm aus Galiläa gefolgt waren“ und (im Johannes-Evangelium) der Lieblingsjünger Johannes dabei.
In das gemeinsame Trauerhaus der 12 bricht am Tag nach dem Schabbat die verstörende Meldung „Er lebt“ und „das Grab ist leer“ und „er ist Euch vorausgegangen“ und „wir erkannten ihn, als er das Brot brach“, …

In all diese Verwirrung, in dieses emotionale auf und ab hinein, erscheint der Tod geglaubte:

36 Während die beiden Emmaus-Jünger noch erzählten, stand plötzlich der Herr selbst mitten unter ihnen. Er grüßte sie: »Frieden sei mit euch!«

37 Sie erschraken und fürchteten sich; denn sie meinten, einen Geist zu sehen.

38 Aber er sagte: »Warum seid ihr so erschrocken? Warum kommen euch solche Gedanken? (oder in anderer Übersetzung: Warum zweifelt Ihr in euren Herzen)

Lukas, als Arzt und Evangelien-Dramatiker ist es wichtig zu bezeugen, dass Jesus kein Geist, keine „Erscheinung“ ist, sondern, dass er mit Leib und Seele auferstanden ist. Deshalb:

39 Schaut mich doch an, meine Hände, meine Füße, dann erkennt ihr, dass ich es wirklich bin! Fasst mich an und überzeugt euch; ein Geist hat doch nicht Fleisch und Knochen wie ich!«

Wie schon in der Geschichte des Thomas, der bei der ersten Erscheinung des Auferstandenen im Jüngerkreis nicht dabei war, geht es bei all den Erscheinungs- und Begegnungsgeschichten nach Jesu Tod am Kreuz um den Weg, wie die engsten Freund*innen Jesu zum Glauben kommen – und auch über den tiefen Zweifel am unfassbaren Glaubensbekenntnis „Er wurde von GOTT* auferweckt; er ist auferstanden. (Beide Begriffe werden nebeneinander verwendet, das passive „auferweckt“ und das aktive „auferstanden“)

Den Jünger*innen, den frühen Christen und auch uns heutig-Glaubende gibt der Evangelist Lukas mit den letzten Worten Jesu die Deutung, welcher Sinn in Jesu Leiden, Tod und Auferstehung steckt:

45 Und er half ihnen, die Heiligen Schriften richtig zu verstehen.

46 »Hier steht es geschrieben«, erklärte er ihnen: »Der versprochene Retter muss leiden und sterben und am dritten Tag vom Tod auferstehen.

47 Und den Menschen aller Völker muss in seinem Namen verkündet werden: „Ändert euer Leben! Gott will Euch eure Schuld vergeben!“

Damit werden auch wir zum Glaubenszeugnis und zur Verkündigung beauftragt trotz und mit all unseren Zweifeln.

Die befreiende Botschaft ist:
GOTT*, der sich selbst ICH-BIN-DA nennt, hat mit der Auferweckung Jesu die Sinnlosigkeit menschlichen Leidens und Sterbens überwunden. Er bietet uns, die sich mit ihm versöhnen lassen ein Leben in Gemeinschaft mit ihm und jenseits allem Zeitlichen im GOTT*es Reich der Liebe und des Friedens.

Kann ich das glauben und aus dieser Gewissheit und Hoffnung leben?

GS 13. April 2024


Johannes 3

„Mein Gott, hätte die Leseordnung nicht für den heutigen vierten Fastensonntag einen leichter zu verstehenden Text vorsehen können? Warum ausgerechnet das philosophie-schwere Johannes-Evangelium?“ Das war meine erste Reaktion nach der Lektüre des eben gehörten.

Aber, wie oft erschließt sich der Sinn dieser Texte, der verwandten Bildsprache und der geistlichen Bezüge erst beim mehrmaligen Lesen und genauem Hinhören und Hinschauen.
Mir und vielleicht auch Ihnen hilft ein Blick in das Setting und eine Gliederung der Inhalte und ihrer Hintergründe:

Die Szenerie:

Da kommt eines Abends Nikodemus ,ein einflussreicher Politiker und religiöser Führer, zu Jesus. Er ist Pharisäer, d.i. eine Glaubensrichtung im Judentum, er ist Mitglied des Hohen Rates der Juden – einem Gremium der Rechtsprechung und der Selbstverwaltung der religiösen Belange der Juden. Die Pharisäer waren Gesetzeslehrer und Prediger. Nikodemus sucht das Glaubensgespräch mit Jesus im geschützten Raum, außerhalb der beobachtenden Öffentlichkeit. – Also auch ohne Protokollanten.
Johannes nutzt die literarische Fiktion eines vertraulichen Gespräches als Lektion, als Lehreinheit für einen Suchenden und damit für die Adressaten seines Evangeliums, seine Jünger und Schüler. Diese entstammen dem hellenistisch orientierten Reform-Judentum und haben nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 40-50 Jahre nach Jesu Tod im griechischen Ephesus eine neue Heimat gefunden.

Die Frage:

Nikodemus kommt mit einer Glaubenserkenntnis und gleichzeitig als Verunsicherter und Fragender zu Jesus:
»Rabbi, wir wissen, dass Gott dich gesandt und dich als Lehrer bestätigt hat. Nur mit Gottes Hilfe kann jemand solche Wunder vollbringen, wie du sie tust.«
Dann stellt er die Frage nach der Herkunft Jesu und seiner Beziehung zu Gott.

Die Antwort:

Jesus bezeichnet sich als Sohn Gottes, in der Kraft des heiligen Geistes. Er tue den Willen Gottes, zur gottgewollten Rettung der Menschheit.

Ich denke auch uns als weniger fromme und schriftkundige, also als  normale Glaubende überfordert schon diese Dreifaltigkeits-Theologie. Umso mehr einen tiefgläubigen Juden, für den JAHWE der einzige und alleinige Gott ist.

Jesus merkt, dass Nikodemus eine Antwort braucht, die an seiner Tradition und Denkweise anknüpft, die ja auch Jesus von Kindheit her vertraut ist.

Hier setzt der eben gehörte biblische Text ein:

Das Zeichen:

Dem Pharisäer und Schriftgelehrten Nikodemus stellt Jesus daher ein Glaubenszeichen aus der biblischen Tradition vor, mit dem der Evangelist Johannes seiner Gemeinde die Heilsbedeutung Jesu für die Welt deutlich machen will:
14 Mose richtete in der Wüste den Pfahl mit der bronzenen Schlange auf. Genauso muss auch der Menschensohn erhöht werden,

15 damit alle, die sich im Glauben ihm zuwenden, durch ihn ewiges Leben bekommen.

Im 4. Buch Mose –Numeri- wird erzählt, dass Moses eine Schlange aus Bronze auf ein Feldzeichen -also einen weithin sichtbaren Orientierungsstab steckt- und die von einer Giftschlangen-Plage bedrohten Israeliten gerettet werden, wenn sie zum Zeichen der Schlange hochblicken: „Wer gebissen wurde und zu der Schlange schaute, war gerettet..«
„Genau das, was ihnen den Tod bringt, ist auch das, was sie heilen wird.“ (Richard Rohr) à Das Bild von der Schlange am Stab ist bis heute hin das Symbol für Ärzte und Heiler

Die Deutung als Glaubensbekenntnis des Evangelisten Johannes:
16 Gott hat die Menschen so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun werden alle, die sich auf den Sohn Gottes verlassen, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben.

17 Gott sandte den Sohn nicht in die Welt, um die Menschen zu verurteilen, sondern um sie zu retten.

18 Wer sich an den Sohn Gottes hält, wird nicht verurteilt. Wer sich aber nicht an ihn hält, ist schon verurteilt, weil er Gottes einzigen Sohn nicht angenommen hat.

Wer also an Jesus als den von GOTT* gesandten Retter und seine Botschaft vom liebenden, verzeihenden, gnädigen GOTT*glaubt und wer sich deshalb von seinen bösen Einstellungen und Taten, also seinen Sünden abkehrt, wird gerettet werden.

Die grundsätzliche Lebenswahl: Gut oder Böse

In keinem anderen Evangelium wird das menschliche Dilemma so betont wie hier:
Sich entscheiden zu müssen zwischen Gut, also GOTT* und Böse, also der GOTT* abgewandten, fernen, „dunklen Seite“ seines Lebens.
Dafür stehen die Bilder oder besser Zustände LICHT und FINSTERNIS.

Die pessimistische Weltsicht -die uns auch in der Jetzt-Zeit vertraut ist- sieht, dass die Menschheit die dunkle Seite, das Böse attraktiver findet und sich in ihr verstrickt. „… denn ihre Taten waren schlecht!“ (19)

Durch Jesu Eintritt in diese böse Welt, bietet GOTT* durch Jesu Botschaft von GOTT*es Reich der Gerechtigkeit und Liebe und sein konsequentes Leben dieser Liebes-Botschaft, der Menschheit oder zumindest den Weg ins Licht erneut an. Erneut deshalb, weil GOTT* ja die Welt gut geschaffen hat, wie der Schöpfungsmythos feststellt „Und Gott sah alles an, was er geschaffen hatte, und sah: Es war alles sehr gut.“ (Genesis 1,31)

Jesu konsequentes Leben der göttlichen Liebe „bis zum Tod am Kreuz“ sind das Mahnmal, der Orientierungsstab, das als Kreuz und Zeichen aufgerichtet wurde. Die zu ihm aufblicken, sich daran orientieren, werden das GUTE tun, den Willen GOTT*es tun und sich so aus den Verstrickungen des Bösen befreien und zum Licht finden. Soweit die nachdenklich machende Glaubens-Lektion des Johannes, zugemutet und zugesagt dem Politiker und Theologen Nikodemus und allen Licht-Suchenden in einem vertraulichen Glaubensgespräch.

GS 9. März 2024


Johannes 1

Nach den biblischen Geschichten des Weihnachtszyklus werden wir heute ziemlich abrupt mit den Anfängen Jesu Wanderprediger-Karriere konfrontiert. Zwischen Geburt und Tod soll in der kirchlichen Leseordnung ja das Besondere und Unterscheidende seiner Botschaft und seines Lebens zur Sprache kommen.

Jesu Mission ist die Verkündigung der neuen gottgewollten Ordnung der Gerechtigkeit und Liebe aus der Frieden erwachsen soll. Ein Missverständnis seiner Zeit bei seinen Zuhörerinnen und Zuhörern und noch mehr bei den religiösen und politischen Machteliten war, dass diese neue Ordnung, das Reich Gottes, eine politische Revolution provozieren wolle. Daher war Jesu Ruf als Störer der religiösen und politischen Ordnung und der damit einhergehenden Machtverhältnisse somit vorprogrammiert und seine enge Verbindung zu Johannes dem Täufer und dessen Kritik an der Dekadenz der Mächtigen weckte auch beim Volk Hoffnungen und Umsturzerwartungen.

Man spürt dies im Magnifikat der Maria im Lukasevangeliums:

„Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; / er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. / Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“

Das klingt nach Umsturz der etablierten Ordnung durch den Gott* gesandten Messias, den Erlöser!

An dieser angespannten Situation knüpft der Evangelist Johannes mehr als 50 Jahre nach Jesu Tod an.

Johannes der Täufer ist sich dem bevorstehenden Ende seiner Mission bewusst und verweist seine Jünger auf Jesus mit dem er wohl in gutem und regelmäßigen Kontakt stand. Der Täufer bezeichnet Jesus als das „Opferlamm Gottes“ – das ist das Opfertier des Alten Bundes, um das Volk mit Gott wieder zu versöhnen.
Eine Deutung, mit der wir Heutige uns schwer tun.

Opfer-Lamm Gottes ist Symbol dafür, dass Jesus unschuldig für die Menschen gestorben ist. Das Johannes-Evangelium verknüpft dieses Symbol mit dem Passah-Lamm und datiert Jesu Tod, wie auch die anderen Evangelisten, unmittelbar vor dem Passah-Fest vor dem das Passah-Lamm geschlachtet und in den Familien gegessen wird im Gedenken an den Auszug der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten.

Das Lamm als Kontrastbild zu vordergründiger Macht und Stärke zeigt, dass Gottes Liebe in Schwachheit und Verborgenheit zu den Menschen kam.

Johannes verweist seine Jünger ausdrücklich auf Jesus, der sich von ihm hat taufen lassen und mit dem der Geist Gottes ist. Er bezeichnet ihn als Sohn Gottes.

Offensichtlich sind diese Jünger des Johannes, wie wir und viele Menschen zu allen Zeiten auf Sinn-Suche. Der Menschenkenner Jesus fragt sie deshalb: »Was sucht ihr?«

Aber ehe sich die Jünger neu binden, wollen sie wissen, wie und wo dieser Rabbi, ihr Lehrer lebt, ob sie ihm vertrauen können, ob er glaubwürdig ist. Deshalb fragen sie: »Wo wohnst du, Rabbi?«

Jesus grenzt seine Privatsphäre nicht ab, sein Lebensstil spiegelt seine Botschaft, er ist glaubwürdig und einladend sagt er „Kommt und seht“!

Die zwei Jünger machten sich ein Bild von Jesus und seiner Lebensweise, einen Tag lang. Dann gingen sie überzeugt wieder zurück, offensichtlich um ihre Familien zu informieren, dass sie nun eine neue geistliche Heimat gefunden hätten: »Wir haben den Messias gefunden, den von Gott versprochenen Retter!« Das muss auf die Ihnen Nahestehenden so überzeugend gewirkt haben, dass sie auch Jesus begegnen wollten.

Es spricht für die Menschenkenntnis Jesu, dass er das Potenzial dieser einfachen Fischer erkennt. Der oft wankelmütige, aber umso begeisterte und engagierte spätere Sprecher der jungen Christus-Gemeinde in Jerusalem Simon wird von ihm Kephas, auf Griechisch Petros, also Fels genannt. Im biblischen Verständnis und wir kennen dies auch aus anderen Kulturen ist die Namengebung der Ausdruck der Wesenhaftigkeit eines Menschen oder Gegenstandes. Durch das Übertragen des Namens wird man, was er besagt.

Unsere Namen dagegen verweisen eher auf bedeutende Persönlichkeiten oder familiäre Traditionen.

Was an diesem Evangelium bleibt für uns relevant als Sinn-Suchende?

Wir brauchen vertrauenswürdige Menschen, die uns die Augen öffnen für die richtungsweisenden und Sinn-Stiftenden Begegnungen in unserem Leben.

An unserem Lebensstil wird man unsere Glaubwürdigkeit messen. Hier ist die Gefahr von persönlichem Missbrauch, wie auch geistlichem Missbrauch nicht nur in Sekten und Großkirchen, sondern auch in unseren kirchlichen Gemeinschaften.

Wir sind zwar bedingungslos von Gott geliebt, aber manchmal braucht es lange und überzeugende Begegnungen und Deutungen, bis wir unsere Lebens-Berufung erkennen.

GS 13. Januar 2024


Markus 1

Es hat was von Fantasy-Film à la Star Wars, Herr der Ringe oder die Tribute von Panem:

Die Menschheit ist selbstverschuldet von dunklen Mächten substanziell bedroht und wartet darauf, dass der Retter oder die Retterin kommt, der oder die sich dem Bösen, der Ungerechtigkeit, Gewalt, ja der Vernichtung entgegenstellt. Nach einem Show-Down ist die Welt wieder in Ordnung–zumindest für einige menschliche Jahrhunderte.

Schön wär’s, aber eben Fantasy.

Fantasy-Literatur lebt von Gut gegen Böse, Klein gegen Groß, von Magiern und Propheten, die eine Vision von einer neuen gerechten Ordnung haben. Sie lebt vom aufopfernden, oft ohnmächtigen Kampf der Auserwählten gegen die dunkle Seite der Macht.
Fantasy ist Sehnsucht nach Schalom und Salam, nach einer gerechten, friedlichen Weltenordnung, nach einem Guten Leben für alle, die in uns fest verankert ist.

Ich liebe Fantasy-Literatur, weil sie in uns diese Sehnsucht wachhält, dass die Welt noch nicht am Ende ist. – Denn am Ende wird alles gut. Sagt zumindest der irische Dichter Oscar Wilde.

Vor 2000 Jahren war Gottes Volk mal wieder an einem Kipp-Punkt:

In sich zerstritten in unterschiedlichen Glaubensrichtungen und Sekten, deren jeweilige Vertreter die Wahrheit und damit zumindest die religiöse Macht für sich beanspruchten. Von außen bedroht durch eine Besatzungsmacht, die das Land ausbeutete und die Menschen entrechtete und unterdrückte, regiert durch korrupte, autokratische Herrscher. Das religiöse Leben und seine Institutionen hatten sich mit der Besatzungsmacht arrangiert. Die selbsternannten religiösen Führer aus der Priesterkaste wachten über die religiösen Rituale, verdienten an diesen und verzichteten im Gegenzug auf gesellschaftsgestaltende Ansprüche oder gar politische Macht.

GOTT* dem ICH-BIN-DA aber ist sein Volk und die Welt nicht egal, er liebt seine Schöpfung. Deshalb greift er ein und beruft Menschen, die seinen Willen nicht nur deuten und verkünden, sondern die ihn wirklich und glaubwürdig leben.

Einer der am Anfang dieser Zeitenwende steht ist Johannes, ein Prophet der alten Schule, der wie seine Vorgänger, mit unbequemen Botschaften das Volk zur Umkehr aufruft und Gerechtigkeit im Namen GOTT*es von den Herrschenden fordert. Er ist einer der Großen wie Moses und Elias.

Wie seinen Propheten-Vorgängern ist sich Johannes bewusst, dass er für seine Botschaft im Kerker landen wird, um ihn mundtot zu machen. Womit er wahrscheinlich nicht gerechnet hat: Sein Kopf wird als Liebesbeweis von Herodes seiner Geliebten Herodias, der Frau seines Bruders überreicht, ja in der künstlerischen Darstellung auf einem Tablett serviert, weil Johannes diesen Ehebruch angeprangert hatte.

So radikal wie sein Tod ist auch sein Leben als Eremit in der Wüste. Wie sein Vorbild Elija trägt er ein “Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig”

Johannes ist Bußprediger und verkündet das bevorstehende göttliche Gericht. Diesem kann man nur entrinnen durch die Taufe als Zeichen der Umkehr und Busse zur Vergebung der Schuld.

Er verstand sich als Wegbereiter eines Mächtigeren, ja des von Jahwe-GOTT* gesandten und von den „Gerechten“ sehnsüchtig erwarteten Messias, dem Erlöser.

Sein Auftritt und seine Botschaft sind eindrücklich und zeigen Wirkung: Die Menschen kommen aus den Dörfern und Städten um ihn zu hören und als Zeichen ihrer Bußbereitschaft lassen sie sich von ihm im Jordan taufen. Er wird sogar in der römischen Geschichtsschreibung wahr genommen und seine Hinrichtung wird von Flavius Josephus als schicksalhaft für die Herrschaft des beim Volk unbeliebten Herodes Antipas bezeichnet: Er schreibt „Johannes hatte Herodes hinrichten lassen, obwohl er ein edler Mann war, der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben, indem er sie ermahnte, Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben und so zur Taufe zu kommen. (…) Da nun infolge der wunderbaren Anziehungskraft solcher Reden eine gewaltige Menschenmenge zu Johannes strömte, fürchtete Herodes, das Ansehen des Mannes, dessen Rat allgemein befolgt zu werden schien, möchte das Volk zum Aufruhr treiben, und hielt es daher für besser, ihn rechtzeitig aus dem Wege zu räumen (…)“.

Die Geschichte von Johannes dem Täufer ist in seiner Dramatik eines Fantasy-Films würdig. Allerdings droht dabei die Gefahr, dass die Bedeutung seiner Botschaft für uns heute Glaubende in den Hintergrund gerät.

Johannes stellt sich ganz in den Dienst GOTT*es. Er will GOTT* mit den Menschen, die sich von ihm abgewandt hatten wieder versöhnen und so die Bedingungen dafür schaffen, das der Messias, der von GOTT* gesandte Erlöser des Volkes Israel kommen kann, um die GOTT* gewollte Ordnung, das Reich GOTT*es der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens zu errichten. Nach jüdischer Überzeugung konnte der Messias aber erst kommen, wenn alle Juden sich an die Gesetze des Mose hielten. So heißt es: “Wenn Israel nur einen einzigen Sabbat genau nach den Vorschriften beachtet, dann wird der Messias kommen”

Die Bereitschaft zur erneuten Zuwendung zu Gottes Wille und die Vergebung Gottes findet seinen Ausdruck im Reinigungsritual der Taufe.

Die Messias-Sehnsucht war immer stark in Zeiten, wo es dem Volk Israel schlecht ging. Die wirklich Glaubenden geben ihre Hoffnung nicht auf und halten daran fest, dass nicht Chaos und Vernichtung, sondern Heil für das Volk Israel und alle Völker anbrechen wird.

Genau wie Johannes aufgrund seines Lebensstils, seiner Botschaft, ja und auch seiner Überzeugung, seines Glaubens und seiner Demut von den Etablierten und Mächtigen verlacht wurde und wegen seines Einflusses auf das Volk verfolgt, gefangen und schließlich hingerichtet wurde, geht es bis heute prophetischen Menschen. Sie halten unserer Gesellschaft den Spiegel ihrer Selbstsucht und ihr inkonsequentes, sozial und menschheitsschädigendes Verhalten vor. Und sie leben zeichenhaft anders.

So z.B. die 27 Jährige Klimaaktivistin Vanessa Nakate aus Uganda, die von sich sagt: „Ich denke, das Gott mich leitet“. Ihre Demonstrationen und ihre Unterrichtseinheiten in Schulen werden verboten, sie wird bedroht und ist auch schon wegen ihres gewaltfreien Widerstandes im Gefängnis gewesen. Oder der 51 jährige palästinensische Friedensaktivist Sami Awad, ein Christ aus der Nähe von Bethlehem im Westjordan Land, der gewaltfrei für die Rechte der Palästinenser kämpft und als Mahatma Gandhi Palästinas bezeichnet wird. Seine Seminare bieten Juden und Palästinensern die Chance einander zuzuhören und Verständnis für die Traumata der jeweils anderen Seite zu entwickeln.

Wirkliche Prophetinnen und Propheten leben ihre Überzeugung, halten die Sehnsucht nach einem Guten Leben für alle, nach dem Schalom und Salam für und in dieser Welt lebendig. Und sie verweisen darauf, dass eine wirkliche Erneuerung nur mit einer weltverändernden göttlichen Kraft möglich ist, die wir in biblischer Tradition ruach, belebende und bewegende Kraft, Heiliger Geist nennen.

Lasst uns im Advent dieser Sehnsucht nach dem Schalom und der weltverändernden Kraft Gottes Raum geben, damit er die Welt retten kann – mit und durch uns.

GS 9. Dezember 2023


Matthäus 23

Das Nachrichten-Portal Katholisch.de berichtete in der vergangenen Woche:
Papst Franziskus hat bei der Weltsynode scharfe Kritik an klerikalen Attitüden von Geistlichen und deren Folgen geübt. Der Klerikalismus sei eine “Geißel”, die das “treue, heilige Volk Gottes” versklave. Dieses ertrage “geduldig und demütig die Verschwendung, den Missbrauch, die Ausgrenzung durch den institutionalisierten Klerikalismus”. Zudem kritisierte Franziskus, dass in der Kirche wie selbstverständlich von “Kirchenfürsten” oder “bischöflichen Beförderungen” gesprochen werde, “als ob das Aufstiege in einer Karriere wären”. Das sei “weltlicher Horror” und “Eitelkeit”. Der Pontifex erinnerte daran, dass die Mitglieder der Hierarchie aus dem Volk Gottes kämen und von diesem den Glauben empfangen hätten.

Daran musste ich denken, als ich das heutige Evangelium las. Diese Rede über die Schriftgelehrten und Pharisäer scheint vom Inhalt her gesichert jesuanisch zu sein, denn sie wird mit geringfügigen Abweichungen von den Evangelisten Markus, Lukas und Matthäus überliefert. Sie klingt wie eine Warnung an die noch junge Kirche vor den Gefahren einer sich abzeichnenden „Großmanns-Sucht“ –wie es mein Vater nannte- der von den Gemeinden berufenen und beauftragten Amtsträger.

3 Ihr müsst ihnen (weil sie Berufene Schriftgelehrte sind) also gehorchen und tun, was sie sagen.
Aber nach ihrem Verhalten dürft ihr euch nicht richten; denn sie selber tun nicht, was sie lehren.
5 Alles, was sie tun, tun sie nur, um von den Leuten gesehen zu werden.
7 Auf den Marktplätzen wollen sie gegrüßt werden. Die Menschen sollen sie Rabbi – ehrwürdiger Lehrer nennen.

Diese Schriftgelehrten waren zum Studium der heiligen Schriften der Thora Freigestellte und legten insbesondere die Lebensvorschriften der ersten fünf Bücher Mose aus. Sie wandten sich als Pharisäer gegen die Hellenisierung des Judentums, also die Beeinflussung des jüdischen Lebens und Glaubens durch die griechische Philosophie, wie sie von den Sadduzäern vertreten wurde, mit denen Jesus ebenfalls zu tun hatte. Die Sadduzäer entstammten meist den höheren Gesellschaftsschichten und der Priesteraristokratie. Sie saßen im Hohen Rat und waren die politischen Ansprechpartner der römischen Besatzungsmacht. Sie bewirtschafteten den Wallfahrtsbetrieb im Tempel, legten Gebühren fest und standen dem Tempelkult vor.

In den Synagogen in den ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden, die ja auch Religionsschulen waren, waren die Schriftgelehrten gern gesehene und einflussreiche Lehrer, da das gemeine Volk meist nicht lesen konnte und auf die Schriftlesung und –Auslegung angewiesen war.

Jesus wendet sich in seiner Hierarchie-Kritik an den „berufenen Auslegern des Gesetzes“ des Moses sowohl an den engsten Jünger_innen- und Freundeskreis, als auch an die interessierte, ihm zuhörende Öffentlichkeit, an die „Volksmenge“.
Die „Berufenen“ Schriftausleger, bis heute weitgehend Männer, bezichtigt er des Machtmissbrauches, indem sie kaum zu ertragende Vorschriften aus den heiligen Schriften herauslesen und sie dogmatisieren als eine gottgefällige Lebensführung. Wobei sie diesen sogenannten Gesetzen selbst nicht entsprechen, also unglaubwürdig leben. Ihr Motiv ist Macht statt Dienst und Elitebewusstsein statt Demut.

Statt Hierarchie und Titel-Ehrfurcht fordert Jesus von den ihm Nachfolgenden -und damit spricht Matthäus auch die sich entwickelnde Kirchenordnung in den frühchristlichen Gemeinden an- einander zu dienen auf Augenhöhe, als Brüder und Schwestern im Glauben an den gemeinsamen Gott*, der sich dem Moses als ICH-BIN-DA offenbart hat und den Jesus liebevoll VATER nennt.

Die Kirchengeschichte zeigt auf, was aus dieser Jesus- und Geist-inspirierten anderen Ordnung des neuen Gottesvolkes wurde: eine Prunk- und Macht-verliebte Hierarchie, die sich dem Kirchenvolk gegenüber genauso verhielt, wie Jesus es über die berufenen Ausleger des mosaischen Gesetzes beschrieben und kritisiert hatte:

4 Sie schnüren schwere, kaum tragbare Lasten zusammen und laden sie den Menschen auf die Schultern, aber sie selbst machen keinen Finger krumm, um sie zu tragen.

5 Alles, was sie tun, tun sie nur, um von den Leuten gesehen zu werden. Sie tragen auffällig breite Gebetsriemen und besonders lange Quasten an ihren Kleidern. (Dies konnte man auch bei der Synoden-Versammlung in Rom beobachten)

6 Bei Festmählern sitzen sie auf den Ehrenplätzen und beim Gottesdienst in der vordersten Reihe.

7 Sie haben es gern, wenn die Leute sie auf der Straße respektvoll grüßen und sie als ›ehrwürdiger Lehrer‹ anreden.

Solang es der gesellschaftlichen Institution Kirche gelang diese Hierarchie, übersetzt „heilige Ordnung“ als GOTT* gewollt und von Jesus selbst berufen in den europäischen Machtkämpfen als machtvoll und weltweit vernetzt zu etablieren, bestimmte sie mit ihren Kirchenlehren und Glaubens-Dogmen sowohl die Lebenswelt der Menschen, als auch die politischen Gesetze und Ordnungen. Sie boten eine in sich geschlossene Weltanschauung und beanspruchten im Namen Gottes das Heils-Monopol. Typisch dafür das Dogma aus dem 15. Jahrhundert:

„Extra ecclesiam nulla salus“ – außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.

Diese Weltanschauung und Gesellschaftslehre wurde immer durch innerkirchliche Reformatoren von der Botschaft Jesu her in Frage gestellt und in Ordensgemeinschaften und Reformbewegungen glaubwürdig und an der biblischen Botschaft orientiert, alternativ gelebt. Bis auch diese sich korrumpieren ließen, sich in die Hierarchie ein- und unterordneten oder von kirchlichen und staatlichen Machtträgern aufgelöst oder als Irrlehrende ausgerottet wurden. Einige dieser innerkirchlichen Reformatoren wurden später heiliggesprochen wie Benedikt von Nursia, der Gründer der Benediktiner oder Franz von Assisi oder auch unbequeme Frauen wie Teresa von Avila oder Katharina von Siena und viele sich wirklich und glaubwürdig berufen wissende Männer und Frauen.

Diese geschlossene Kirchenwelt geriet zunehmend unter Druck spätestens durch die Reformation und die ihr folgende, eher weltzugewandte Aufklärung. Die Reaktion der Kirchen war die schizophrene Trennung von geistlicher und säkularer Welt. Damit aber gab die Kirche die Relevanz für das Leben der Menschen auf.

Das Reformkonzil 2. Vaticanum in den 1960er Jahren, nachdem 2 Weltkriege die Weltordnungen gründlich zerschlagen hatten, versuchte sich neu auf sich selbst und seinen jesuanischen Auftrag zu besinnen. Es definierte die Kirche als Volk Gottes auf dem Weg, als Sauerteig für die Gesellschaft und insbesondere als Anwalt der Menschen. Es ging um Seelsorge und Weltgestaltung aus dem Glauben.

Signifikant für diese neue Selbstsicht ist der einleitende Satz der Pastoralkonstitution „Gaudium et Spes“: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen, insbesondere der Armen und Unterdrückten aller Art , sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi, der Kirche“
Dieser Satz hätte Leitbild einer neuen seelsorglichen Selbstbesinnung und Grundlage für eine synodale Kirchenreform sein können, aber dem stehen bis heute offensichtlich Geltungssucht und Machtinteressen der sich für Berufen haltenden im Wege. Das Volk Gottes würde sich, so hoffe ich, durchaus auf diesen Erneuerungsweg einlassen und ihn gehen.

Die oben zitierte Klerikalismus Kritik von Papst Franziskus bei der momentan tagenden Weltsynode spricht eher von einem exzentrischen Klerikalismus, statt dem Willen zu Demut und der Bereitschaft zu einer synodalen Reform.
Die Mahnung des Papstes in der Synodalversammlung, dass sich die Amtsträger egal welchen Ranges bewusst sein sollten, dass sie Ihr Amt und ihren Glauben, den es zu verkünden und zu leben gilt vom Volk Gottes empfangen hätten, kehrt die gängige Berufungslehre um. Sie wären also mit den Worten Jesu „Berufene des Volkes“. Ihre Lehren sollen wir als Volk kritisch befolgen. Denn für sie gilt auch die Mahnung Jesu zu einem glaubwürdigen Leben der Botschaft Gottes.

Vielleicht ist es doch Matthäus, der Jesus zugunsten der kirchlichen Autoritäten hier interpretiert, denn in seinen Evangelisten-Vorlagen findet sich dieser Satz nicht, nur die ausdrückliche Warnung vor den Schriftgelehrten.

Die Folge sind gern gesungene Kirchenlieder: „Fest soll mein Taufbund immer stehen, ich will die Kirche hören, sie soll mich allzeit gläubig sehen und folgsam ihren Lehren…“

Und wir, als Mitglieder des Volkes Gottes?

Wir müssen uns sicherlich intensiver mit der Botschaft Jesu auseinandersetzen und eine gemeinsame Sicht auf den Willen Gottes mit dieser, unserer Welt entwickeln. Die Tradition nennt das „consensus fidelium“. Dabei können uns Deuterinnen und Deuter der Schrift und der Intention Jesu helfen. Diesen so gewonnenen Konsens in Lebenspraxis umzusetzen, angesichts der Herausforderungen unserer Zeit, ist unsere Aufgabe als Christen. Maßstab unserer Seelsorge sind „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen“ auf die es gilt eine lebensbejahende Antwort zu geben und die Solidarität insbesondere mit den „Armen und Unterdrückten aller Art“.

Das heutige Evangelium setzt sich fort mit einem „Wehe Euch“. Dessen Deutlichkeit hätte ich mir bei der Klerikalismus-Schelte von Papst Franziskus an seine „Mitbrüder“ gewünscht.

13-14 »Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr versperrt anderen den Zugang zu Gottes himmlischem Reich. Denn ihr selbst geht nicht hinein, und die hineinwollen, hindert ihr auch noch daran.

GS 5. Nov 2023


Matthäus 17

Es geht immer noch, nach nunmehr fast 2000 Jahren, um uns, um das was wir glauben, um das was wir hoffen und wie wir unser Leben daraus gestalten. Und es geht um die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen und Botschafterinnen dieser Vision eines guten Lebens für alle. Dieses nennen wir in biblischer Tradition GOTT*es Reich. Ein Leben, das sich an GOTT*es Willen, so wie er von Jesus verkündet wurde orientiert -also Gerechtigkeit und Liebe für alle Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Geschlechtes und ihrer religiösen Überzeugung-.

Der Verfasser des 2.Petrusbriefes schreibt Anfang des 2. Jahrhunderts an Christen in der Diaspora Kleinasiens, das ist die heutige Türkei, Syrien und Irak. Vermutlich an die sich noch heute als älteste Christengemeinden bezeichnenden Aramäer, deren Sprache auch Jesus gesprochen hat. Ausdrücklich wendet er sich aber an alle Christen und überwindet die konfessionelle Spaltung von zum Christentum konvertierten Juden- und direkt christlich Getauften.

Diese Christengemeinden wurden und werden bis heute verfolgt.
Sie warteten auf die ihnen von den Missionaren angekündigte Wiederkunft Christi und damit auf die Vollendung des GOTT*esreiches, in dem Jesus seine Herrschaft antritt und Gerechtigkeit walten lässt.
Die Messiaserwartung war Kern des jüdischen Glaubens zur Zeit Jesu und wurde von manchen auf ihn projiziert.

Das Judentum-Projekt, ein Informationsportal, beschreibt die jüdische Messiaserwartung so:

Das jüdische Gebetbuch erbetet:
“Er schickt am Ende der Tage unseren Gesalbten, zu erlösen, die auf das Endziel der Erlösung harren.”

Das Ende der Welt ist durch Gott bestimmt. Der Gläubige gibt seine Hoffnung nicht auf und hält daran fest, dass nicht Chaos und Vernichtung, sondern Heil für das Volk Israel und alle Völker anbrechen wird. Diese Prophezeiung soll durch den Messias, den verheißenen König der Endzeit, eingeleitet werden und damit die endgültige, vollkommene und alle Bereiche des Lebens in dieser Welt umfassende Gottesherrschaft anbrechen.
Wer sich der Tora, dem jüdischen Gesetzbuch, unterstellt und den Gotteswillen in seinem Leben und Volk verwirklicht, der befindet sich im Reich Gottes; wer sich so von Gott regieren lässt und die Gottesherrschaft für sein Leben anerkennt, gehört zum wahren Israel.

“Wenn Israel nur einen einzigen Sabbat genau nach den Vorschriften lebt, dann wird der Messias kommen”

Die Christen sahen sich in dieser Naherwartung und Jesus als den verheißenen Messias, den GOTT* König

Da dessen Wiederkunft auf sich warten ließ, machten sich Unsicherheit und Zweifel breit und die Glaubwürdigkeit der Missionar*innen und Botschafter*innen wurde infrage gestellt.

In dieser Situation schreibt der Verfasser des 2. Petrusbriefes eine Art Testament des Petrus, des Fels des Glaubens, wie dieser griechische Ehrenname lautet. Er versucht die Zweifel an den Zeug*innen der Botschaft vom GOTT*esreich zu zerstreuen:

Denn wir sind nicht klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft unseres Herrn Jesus Christus kundtaten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe.“

Damit verweist er auf die Verklärung Jesu, wie wir sie eben im Matthäusevangelium gehört haben, und die darin geschilderte Bestätigung seiner Erwählung durch GOTT*, den ICH-BIN-DA. In Gemeinschaft mit Jesus wurden die Ur-Propheten des Glaubens an die göttliche Führung seines Volkes, Moses und Elia von den 3 engsten Jüngern Jesu wie in einer gemeinsamen Vision gesehen, einem gemeinsamen Augenblick der Erkenntnis. Sie werden Zeugen dieser Bestätigung Jesu als Messias, der das Anbrechen des GOTT*esreiches verkünden soll, das GOTT* mit uns vollenden will.

Uns heute Lebenden und in einer rationalen Welt Glaubenden kommt die Verklärungsgeschichte Jesu auf dem Berg, der ein biblisches Bild für die Nähe zu Gott und seinen Offenbarungen ist, nicht nur fremd, sondern wenig glaubwürdig vor. Die engsten Freunde Jesu, die er mit auf den Berg genommen hat, wirken fassungslos und wollen ganz naiv diesen Moment greifbar machen, ihn festhalten und schützen, indem sie Zelte bauen, ihn erden.

Aber nochmal zurück zu den damals diese Botschaft Hörenden und auf ihre Erfüllung Hoffenden; und auch zu uns heutig Glaubenden.

Worauf vertrauen wir und wem vertrauen wir, wenn wir an das Ende denken? Und welches Ende meinen wir?

Das Ende der Welt, so wie wir sie kennen, erleben und die zu gestalten unser Auftrag ist, der Welt, die durch Ungerechtigkeit, Krieg, Terror, nationale Egoismen und von uns verursachten Klimakatastrophen geprägt ist?

Im Judentum wird das Ende der Welt bestimmt durch Gott, der den Messias sendet.

Nochmal aus dem Judentum-Projekt:

Die Aufgabe des Messias besteht nun in der völligen Durchsetzung der Gottesherrschaft, und das unter allen Völkern. Das Volk Israel wird aus seinem Leid und der Bedrängnis erlöst, d.h. alle Verfolgung, Entwürdigung und Verachtung hören auf und es findet zu seinem Recht in dieser Welt. Mit “Erlösung” ist nicht die von Sünde und Schuld gemeint, vielmehr eine Art nationale Befreiung und Friede (“Schalom” im Sinne von allumfassenden Heils) für alle Völker.

Dieser Zustand des allumfassenden Schalom wäre also nicht das Ende der Welt, sondern eine lebenswerte Zukunft für alle.

„Glaube kommt vom Hören“ ist eine alte Spruch-Weisheit.

Der Glaube an den in Christus, dem gesandten und bestätigten, menschgewordenen GOTT, und seine Botschaft vom GOTT*esreich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens kommt vom Hören auf diese Botschaft und ist Aufgabe an uns als Glaubende diese Botschaft zu leben.

So auch der 2. Petrusbrief:
„Ihr tut gut daran, auf die Propheten zu achten. Ihre Botschaft ist für euch wie eine Lampe, die in der Dunkelheit brennt, bis der Tag anbricht“

Also Hören, sich inspirieren lassen und das GOTT*esreich leben.

Die prophetischen Botschafter*innen unserer Zeit, die Zeugen, denen wir glauben sollen, wurden von Jesus im Evangelium des vergangenen Sonntags beschrieben als Menschen „die gelernt haben, was es mit dem Gottesreich auf sich hat“ (Mt 13,52). Nur diese sind in der Lage alte Weisheiten und neue Lebenserkenntnisse miteinander in Beziehung zu bringen und sinn-voll zu vermitteln. Sie sind also von der biblischen Botschaft überzeugte, lernende, im heutigen Leben stehende und dieses immer wieder neu reflektierende, kommunikative und prophetische Menschen, die sich von diesem Anspruch in Dienst nehmen lassen – unabhängig von Herkunft, Lebensstand und Geschlecht. Und möglicherweise auch ohne kirchliche Sozialisation und ausdrückliche Beauftragung. Einfach begeisterte und begeisternde Christen-Menschen.

Wir haben uns in der Vorbereitung dieses Gottesdienstes gefragt, ob die Erlösung, dieser Schalom auch unsere Hoffnung ist und ob wir glauben, dass wir als Menschheit dies wirklich leben können? Sicherlich nicht aus eigener Kraft, sondern nur, wenn wir auf die Unterstützung des GOTT*es Geistes, des Ruach und auf die Gnade GOTT*es vertrauen, diese Welt in seine Hände geben.
Eine andere Frage ist, ob auch alle Menschen diesen Schalom wollen.
Und eine dritte –und dabei sind wir wieder bei der Frage der frühen Christen- ob wir, unsere Generation diesen Schalom erleben wird.

Unseren Zweifeln, unserer Angst und unserer Hoffnungslosigkeit hält Jesus, wie den vor Furcht erstarrten, fassungslosen Jüngern entgegen:

»Steht auf, habt keine Angst!«

Es ist also immer noch eine Frage unseres Glaubens und unserer Hoffnung und wem wir vertrauen.

Amen

GS 5. Aug 2023


Apostelgeschichte 8

Im zweiten Teil seines Evangeliums, der sogenannten Apostelgeschichte, erzählt der Evangelist Lukas, der als Arzt ein großes Interesse an Heilungsgeschichten hat, die Entwicklung der jungen Christengemeinde um die Jünger und Jüngerinnen Jesu.

Nachdem Jesus unschuldig und aufgrund von Denunziation, insbesondere aus den Kreisen der religiösen Führer der Juden den Tod eines Verbrechers am Kreuz gestorben war, waren seine Jüngerinnen und Jünger in großer Angst und fürchteten zu recht die Verfolgung als Anhänger einer Gruppe, die den Religionsfrieden im von den Römern besetzten Palästina störte.

Einige unter Frauen ihnen bezeugten zuerst, dass er auferstanden sei, da aber Frauen nicht als glaubwürdig galten, brauchte es einige Zeit und Erscheinungen. Bei Thomas waren sogar im wahrsten Sinne des Wortes handgreifliche Beweise notwendig, bis die Apostel verstanden und glauben konnten, dass Jesu Auferstehung Teil des göttlichen Heilsplans war.

Dennoch waren sie zunächst orientierungslos. Einige wie die Emmaus-Jünger gingen zurück in ihre Dörfer, andere blieben in Jerusalem und versammelten sich regelmäßig zum Gebet und erzählten sich ihre Erfahrungen mit diesem Jesus, auch um ihre Angst zu überwinden. Bei einer der Erscheinungen Jesu gibt er ihnen den Auftrag seine Botschaft vom Gottesreich der Gerechtigkeit und Liebe in die Welt zu tragen, Mission zu treiben: „geht hinaus in die ganze Welt und ruft alle Menschen dazu auf, meine Jünger zu werden! Tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen habe. Ihr dürft sicher sein: Ich bin immer bei euch, bis das Ende dieser Welt gekommen ist!« Wie es bei Matthäus heißt.

Offensichtlich gab es in Jerusalem und in Palästina damals, wie heute, fremdenfeindliche und rassistische Spannungen, insbesondere gegenüber den griechisch stämmigen eher gebildeten und liberalen Einwohnern und gegenüber den nicht orthodoxen Juden. Dies wirkte sich auch auf den Zusammenhalt der Christengemeinde aus. Jedenfalls verließen einige aus dem Leitungskreis der Gemeinde griechischer Abstammung, nachdem Jesus zum Himmel emporgehoben wurde (wie es Lukas beschreibt) und sie die begeisternde Erfahrung des Pfingstfestes erlebt hatten, die schützende Gemeinschaft in Jerusalem und begannen zunächst im Umfeld und später im ganzen römischen Reich und darüber hinaus mit der Verkündigung der Botschaft vom Gottesreich. So, wie sie es von Jesus gehört und aufgetragen bekommen hatten.

Die Verkündigung war im wahrsten Sinne des Wortes glaubwürdig, da sie mit Heilungen einhergingen. Viele ließen sich taufen, wohl auch einige, die sich davon Heilung versprachen oder aus Eigennutz, wie der Magier Simon, dem bisher die Leute zugejubelt hatten und der, wie später erzählt wird, sich die Übertragung der Heilkraft von den Aposteln erkaufen will.

Die Apostel und die Gemeinde in Jerusalem hörten mit Erstaunen von diesen Missionserfolgen und schickten Petrus, den anerkannten Sprecher der Apostel und Johannes den Lieblingsjünger Jesu, die für die getauften Neuchristen den Heiligen Geist erbeten sollten. Also die Firmung, vom lateinischen firmare, was man mit sichern, dauerhaft machen, ‎ermutigen, ermuntern übersetzen kann.

Diese frühe Missionsgeschichte erzählt Lukas ca. 30 Jahre nach Jesu Tod, also rückblickend auf die Entwicklung der frühen Kirche, der Ekklesia, der Gemeinschaft der Herausgerufenen (wenn man dies aus dem griechischen Urtext überträgt). Sie macht deutlich, dass der Glaube an Gott und die neue göttliche Ordnung seines Reiches der Gerechtigkeit der Liebe und des Friedens kein exklusives Heilsangebot für besonders Berufene ist, sondern ein Angebot an alle Menschen „guten Willens“, wie es in der Weihnachtsbotschaft heißt. Deshalb liegt die Berufung der Jüngerinnen und Jünger, also der Überzeugten und Glaubenden, in der Verkündigung der frohen, Heil bringenden Botschaft in der Welt und an alle Menschen. Heil meint hier die Wiederherstellung der von Liebe getragenen Gemeinschaft mit Gott und seiner Schöpfung, die die Menschen einseitig abgebrochen haben, was mit Sünde bezeichnet wird; in diesem steckt „Absondern“ drin.
Dieses heilende Gottesreich erwarteten die frühen Christen sehr bald, da Jesus, der Heiland, ja gesagt hatte, dass er sie zwar verlassen würde, um zum Vater zu gehen, er sie aber bald zu sich holen würde, wie es das 2. Evangelium dieses Sonntags aus dem Johannesevangelium in den Abschiedsreden ausdrückt:

„Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.

Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet.

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit
.“

Von dieser Naherwartung ist also die missionarische Verbreitung des Christentums in der Anfangsphase der Kirche geprägt.

Motiviert wurden die Jüngerinnen und Jünger durch das Pfingsterlebnis: Sie fühlten sich im heiligen Geist gestärkt und ermutigt.
Sie sahen es als ihre Berufung an, vor aller Welt zu bezeugen, dass Gott den Menschen Gutes will. So sagt Petrus vor dem Hohen Rat der Juden in seiner Verteidigungsrede: Indem Gott Jesus hat Mensch werden lassen wollte er seine Liebe zu den Menschen zeigen und sie mit sich versöhnen. Die Religiösen Führer im Verbund mit den Römern hätten ihn zwar ans Kreuz geschlagen, aber er sei von Gott auferweckt worden. Von diesem unbedingten Heilswillen Gottes und der Botschaft Jesu legten die Jüngerinnen und Jünger Zeugnis ab und ließen sich auch nicht davon durch Drohungen und Strafen abhalten: „Wir können nicht schweigen von dem, was wir gesehen und gehört haben!“

Die Missionierten, die Neu-Christen kamen aus Begeisterung über die heilende Wirkung der Botschaft zum Glauben und ließen sich taufen. Da die Jüngerinnen und Jünger aus eigener Erfahrung aber wussten, dass dieser Glaube Stärkung braucht, um auch Anfechtungen, Ablehnung und Verfolgung zu bestehen, wurde die Taufe durch das Gebet um den Heiligen Geist ergänzt, quasi besiegelt:

16 Denn die Menschen waren zwar im Namen von Jesus, dem Herrn, getauft worden, aber der Heilige Geist war noch auf keinen von ihnen herabgekommen.

17 Nach dem Gebet legten Petrus und Johannes den Getauften die Hände auf, und sie wurden vom Heiligen Geist erfüllt.

So haben sich bis heute hin in der Kirche für die Aufnahme Erwachsener in die kirchliche Gemeinschaft die Sakramente Taufe und im Anschluss die Firmung erhalten, verbunden mit der Aufnahme in die Mahlgemeinschaft der an Jesus und seine Botschaft vom liebenden Gott Glaubenden, der Kommunion.

Wir heutigen an Jesus und seine befreiende Botschaft von Gottes Liebe Glaubende können für unser Leben in einer krisengeschüttelten Welt, in der die Existenz von Milliarden Menschen bedroht ist aus den Erfahrungen der Christen des 1. Jahrhunderts nach der Geburt Jesu lernen:

Gerade in persönlichen und gesellschaftlichen Krisenzeiten brauchen Menschen Orientierung und Hoffnung, wie sie Jesu Botschaft vom Gottesreich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens anbietet. Die Verkündigung braucht glaubwürdige Menschen, die leben, was sie verkünden und deren Handeln bewirkt, dass es Menschen ganzheitlich bessergeht und sie eine lebenswerte Perspektive für sich erkennen.

Die Verkündigerinnen und Botschafter können die Botschaft und ihre Mitgliedschaft auch eigennützig missbrauchen. Sie sind an ihrem glaubwürdigen Handeln und an ihrer Authentizität zu messen.

Gottes Heilshandeln ist Gnade, Geschenk und das Gottesreich wird nur wirksam, wenn wir entsprechend versuchen es zu leben – hier und jetzt.

Die Botschafterinnen und Botschafter von Gottes Liebe brauchen MUT, Demut, Frustrationstoleranz oder wie man heute besser sagen würde Resilienz – und immer wieder Begeisterung aus dem Geist der Wahrheit.

Amen

GS 13. Mai 2023


Lukas 1

Ja, sie haben richtig gehört und wir haben nicht Advent, sondern sind in der vorösterlichen Fastenzeit:
Mit diesem Evangelium, dieser froh machenden, hoffnungsvollen Botschaft wird Maria angekündigt, dass sie mit Jesus schwanger werden wird und dass sie den von Gott erwählten Retter seines Volkes gebären soll.
Zwei Wochen vor den Feiern des Todes und der Auferstehung Jesu erinnert uns die katholische Leseordnung an seine Berufung von Geburt an und die besonderen Umstände seiner Zeugung. Denn so bekennen die Christen seit dem 4. Jahrhundert offiziell Jesus als „gezeugt nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“.
Wir werden mit den wesentlichen Grundsätzen unseres Glaubens konfrontiert und hören das Glaubensbekenntnis eines zwölfjährigen lebensmutigen Mädchens, die mehr erstaunt scheint, dass dies ihr geschieht, als dass sie über diese voreheliche Schwangerschaft entsetzt ist.
Vielleicht war die Zeit einfach reif für ein Heilsereignis von solch umstürzlerischem Ausmaß:
Gott* ergreift die Initiative zur Rettung seiner geliebten Menschheit, indem er sich durch Jesus mit uns Menschen sozusagen auf Augenhöhe begibt. Paulus bekennt: „In allem uns gleich – außer der Sünde“.
Diese Menschwerdung geschieht ein für alle mal. Es ist ein außergewöhnliches, paranormales, ein „heiliges und heilendes “ Ereignis.
Die Geburt des so menschlichen Gottes heilt die gestörte Beziehung zwischen Gott* und seiner Menschheit. Gott* solidarisiert sich mit uns! Er leidet und stirbt – ganz menschlich, sympathisch. Oder wie Paulus über Jesus sagt: „ In ihm ist uns erschienen die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes“.
Im antiken Griechenland galten bedeutende Männer oft als von Göttern gezeugte und darum mit besonderen Fähigkeiten ausgestattete Gottmenschen. Und der römische Dichter Vergil kündigt 40 vor Christus die Rückkehr einer Jungfrau vom Himmel her und die Geburt eines Kindes, mit dem ein neues und letztes Zeitalter beginne, als aktuell bevorstehend an.
Diese Verkündigungsszene zwischen dem Gottesboten und Maria findet sich nur beim griechischen Arzt und Evangelisten Lukas. Er hebt besonders die Person der Maria in seinem Evangelium hervor, ihren Glauben und ihr selbstbewusstes sich in den Dienst der heilenden Botschaft und des Wirkens Gottes stellend.
So sagt ihre mit Johannes d.T. schwangere Cousine Elisabeth einige Verse später zu ihr: >>Wie glücklich kannst du dich schätzen, weil du geglaubt hast! Was Gott dir angekündigt hat, wird geschehen.«
Maria ahnt und prophezeit dieses revolutionäre Geschehen, dass mit Jesus beginnt und verdichtet es im Magnificat:
„… Gott hat Großes an mir getan, er, der mächtig und heilig ist. Sein Erbarmen hört niemals auf; er schenkt es allen, die ihn ehren, von einer Generation zur andern. Jetzt hebt er seinen gewaltigen Arm und fegt die Stolzen weg samt ihren Plänen. Jetzt stürzt er die Mächtigen vom Thron und richtet die Unterdrückten auf. Den Hungernden gibt er reichlich zu essen und schickt die Reichen mit leeren Händen fort. Er hat an Israel gedacht und sich über sein Volk erbarmt.“
Angesichts des Zustandes unserer Welt und der die Existenz der Menschheit bedrohenden Kriege und Krisen unserer Zeit möchte man aufschreien und bitten: Ja bitte Gott* rette uns, lass Gerechtigkeit, Liebe und Frieden auf unserer Erde werden! Lass Dein Reich unter uns Wirklichkeit werden!
Oder besser doch nicht???
Vielleicht sind wir, ist unsere Zeit, ist die Menschheit noch nicht bereit für diese Revolution Gottes, denn wir müssten sie als Glaubende umsetzen. „… weil du geglaubt hast! Was Gott dir angekündigt hat, wird geschehen.«
Das hieße für uns: Unsere Ignoranz und unser Desinteresse am sozialen und ökologischen Zustand unserer Welt aufgeben; unsere Komfortzone verlassen und uns den Anderen, den Armen, Verletzten, Ausgestoßenen, Unterdrückten, Missbrauchten, Ausgebeuteten, Vulnerablen … zuwenden; unsere Kirchen-Heimat-Burgen verlassen und auf die Straßen und Plätze gehen, Stellung beziehen, Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Klimazerstörung und Neokolonialismus anprangern; und vor allem unseren Teil reumütig und entschuldigend aktiv dazu beitragen, wie es uns möglich ist und weil es uns möglich ist.

Ein zweiter Aspekt in der Verkündigungsgeschichte neben dem Glauben und seinen Konsequenzen ist die Betonung, dass alles möglich ist durch Gottes Gnade.
Das dem Wort Gnade zugrundeliegende Wort Charis kann man im Deutschen übersetzen mit „Wohlwollen, Zuwendung oder Gunst, die dem Menschen von Gott ohne Vorbedingung entgegengebracht wird“.
Martin Luther hat in seiner Theologie 3 sola (also allein durch) als Basis christlicher Lebensgestaltung markiert:
Sola scriptura, Sola fide, Sola gratia: nur durch die Gnade
also: nur durch das Wort der biblischen Botschaft, allein durch den Glauben und nur durch die Gnade
Alle drei machen die Berufung Marias aus: Sie steht in der biblischen Tradition ihres Volkes, was Mariologen und Schriftstellerinnen, wie Luise Rinser schließen ließ, dass sie in einer Familie von Schriftgelehrten oder Priestern groß geworden ist, worauf ja auch bei Lukas die verwandtschaftliche Beziehung zu Elisabeth, der Frau des Priesters Zacharias und Mutter von Johannes d.T. hinweist.
Was Maria wesentlich ausmacht und sie zu recht „heilig“ macht ist ihr unbedingter Glaube an Gott, dem ICH-BIN-DA und dass er den Menschen Gutes will.
Und nur deshalb, also ohne irgendeine Leistung ist sie eine Erwählte und Begnadete, eine Gebenedeite d.h. ihr ist von Gott* Gutes zugesagt, sie ist gesegnet. Die christliche Tradition betet deshalb entsprechend dem Gruß des Engels: „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.
Maria wird zur Ikone, zum Vorbild für unser eigenes Leben und Handeln als Christen. Eine starke junge Frau, jugendlich offen und vorbehaltlos. Ihr Glaube an das Gottes Reich der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens hilft ihr sich in den Dienst des ICH-BIN-DA-Gott* zu stellen und ihren Teil dazu beizutragen – in Demut die Realität anzunehmen und engagiert sich einzusetzen für ein Gutes Leben für alle.
Und auch uns gilt die Zusage des Gottesboten:»Hab keine Angst, du hast Gnade bei Gott gefunden!“

GS 25. März 2023

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