Reformation(s)-Ja(hr)

Der Auftrag an uns, wenn wir diesem Jesus nachfolgen wollen, ist klar: Zu den Menschen gehen, das Evangelium verkünden, sie taufen und sie darin begleiten die Botschaft Jesu umzusetzen. So weit, so gut? – Oder doch nicht? Kann ich auch den Auftrag ablehnen? Oder ist das nicht eine Mission für Profis und wir als Laien (was ja aus dem Griechischen kommt und Volk bedeutet) sind damit überfordert und das sieht eher nach einer Mission Impossible aus.

Immerhin waren die Jünger zum vereinbarten Treffpunkt gekommen. Sie, die Jesus 3 Jahre begleitet hatten und erlebt hatten, was die Botschaft, die er verkündete für eine Wirkung hatte, bis hin zu Verrat aus den eigenen Reihen und zur Kreuzigung. Aber als er sich Ihnen als der Auferstandene zeigte, kamen einigen schon Zweifel und es bedurfte schon gutes Zureden, dass sie sich dem Auftrag stellten. Sie waren ja nur einfache Fischer, Bauern oder Handwerker, also Laien, Leute aus dem Volk. Aber sie waren von ihm berufen und bevollmächtigt.

Das aus dem „zu den Völkern gehen“ schon bald eine weltweite Bewegung würde, die nicht nur Begeisterung brauchte, sondern auch eine Organisation, hatte damals wahrscheinlich keiner geahnt. Die basisdemokratischen Anfänge (heute würde man sie theologisch korrekt wohl synodal nennen) waren ja auch ermutigend. Bis die erste Krise sich an den Zulassungskriterien zur Mitgliedschaft im Kreis der Jesus Follower entzündete. Da konnte sich dann der Quereinsteiger Paulus, der vom Kirchenverfolger Saulus zum begeisterten Chefideologen der Jesusbewegung mutierte und auf den sich 1500 Jahre später Martin Luther in seiner Kirchenkritik besonders bezog, durchsetzen.

Die Begeisterung der Zeugen und die Zugkraft der Botschaft, die sie verkündeten, wäre wahrscheinlich mit ihnen gestorben, wenn nicht vier Intellektuelle die verkündete Botschaft niedergeschrieben hätten und der selbsternannte Gemeindegründer Paulus in seinen Briefen diese Lehre interpretiert hätte für die Glaubens- und Lebenspraxis der Gemeinden in Palästina, Libanon, Syrien, Türkei, Griechenland und Italien, also im damaligen römischen Reich. Und wo er nicht hinkam, weil er zeitweilig im Knast saß, wurde die neue Lehre von der Liebe Gottes zu allen Menschen und vom Reich Gottes, also dem Leben in Fülle in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden durch Handlungsreisende weitergetragen.

Die Kirche, was griechisch ekklesia, also die Herausgerufene bedeutet, etablierte sich immer mehr auch als Institution insbesondere nachdem der römische Kaiser Konstatin im 4. Jahrhundert sie quasi zur Staatskirche machte und mit Verwaltungsaufgaben betraute.

War es bis dahin noch um Abgrenzungen und Entwicklung der christlichen Lehre gegangen, bezogen sich von da an Kirchenkritik und Reformwünsche auf die Amtsstruktur und die Lebensführung der Amtsträger. Immer wieder in der Diskussion war die Forderung nach einem kirchlichen Leben, das rein auf dem Evangelium beruhte, also an den Wurzeln Maß nahm, in diesem Sinne also radikal war.

Diese Kritik und der Wunsch nach Reform, die wieder an der Wurzel Maß nimmt begleitet die Jesus-Bewegung also von Anfang an. Sie hält den Gründerauftrag im Bewusstsein und fragt, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind und ob die kirchliche Lehre nicht zur Unterdrückung der Gläubigen missbraucht wird. Hinzu kommt der ZEITGEIST, also wie sich die Gesellschaften in denen die Kirchen leben und wirken sich auch in ihren Werten verändern; welche Herausforderungen sich stellen und wie miteinander kommuniziert wird.

Es ist der Verdienst Martin Luthers, dass er die biblische Botschaft demokratisiert hat, indem er sie ins Deutsche übersetzte und so der alleinigen Interpretation der griechisch/lateinisch Gebildeten entzog. So wurde die Verkündigung volksnah, in einer alltagstauglichen Sprache und nicht theologisch verschwurbelt, wie der Kirchensprachekritiker Erik Flügge in einem Kommentar zum Reformationsjahr schrieb.

450 Jahre nach der Reformation hat das katholische Reformkonzil, das 2. VATIKANUM, endlich den Menschen in den Mittelpunkt der Seelsorge und Verkündigung gerückt wenn es festlegt: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen, insbesondere der Armen und Unterdrückten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Jesu, der Kirche“ (Gaudium et Spes)

Damit sind wir wieder beim kirchlichen, unserem Auftrag, bei den Menschen zu sein, in unserer Sprache und in unserem Tun. Wir sind dazu berufen Jesu Botschaft immer wieder neu zu verkündigen, orientiert an dem, was die Menschen unserer Zeit bewegt und in einer Sprache, die sie verstehen und die darüber hinaus begeistert.

Ist das nicht eine Mission Impossible für Nicht Profis?

Nein, ich glaube, dass da die Zusage Gottes aus dem Buch Jesaja Mut macht unsere Berufung als Glaubende zu leben:

Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!… So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Und ja, wir brauchen immer wieder eine Reformation, wie schon Augustinus gefordert haben soll. Eine Reformation , die immer wieder Maß nimmt an der Botschaft Jesu, an der Lebenswirklichkeit der Menschen und die fragt, ob unsere Verkündigung und unser Handeln als Kirche im wahrsten Sinne des Wortes glaubwürdig ist.

In diesem Sinne verstehe ich die Kritik von Erik Flügge als Auftrag auch für meine Arbeit in dieser Kirche:

„Wenn die Kirche in der Nachfolge von Jesus Christus und Martin Luther wirklich an die Macht der heiligen Schrift glaubt, dann stellt Euch verdammt nochmal auf die Straßen und verkündet sie. Man lädt nicht in eine Kirche ein und hofft, dass Kirchenferne kommen, sondern man stellt sich mitten auf die Plätze. Mit einem Mikrophon, egal wie peinlich es ist. Man spricht aus, was man glaubt: ‚Die Rettung allein liegt in Jesus Christus.‘ Man traut sich hinaus und verkündet das Wort und verschwurbelt es nicht.“ (Erik Flügge)