Licht ins Leben bringen

Licht ins Leben bringen

Wissenschaftler der RWTH haben mal wieder Unmögliches möglich gemacht: Eine Weste für Blinde haben sie entwickelt. Diese ist mit einer sensiblen Kamera ausgestattet, so dass blinde Menschen mittels dieser Kamera und einem vibrierenden Geräusch informiert werden, wenn sie auf einen Gegenstand oder einen Menschen zugehen. Vorgestellt wurde diese Weste diese Woche auf der Cebit in Hannover. Gut, dass wir Menschen uns immer zu helfen wissen, wenn uns ein Problem ereilt. Und das meine ich jetzt gar nicht ironisch. Es ist wirklich ein Geschenk des Himmels, dass uns Menschen so viel Wissenskraft, Kreativität und Leidenschaft geschenkt ist, zum Wohle anderer Heil- und Hilfsmittel zu entwickeln. Geisteskräfte darin zu investieren ist allemal besser, als in all die vielen Dinge, die wir Menschen erfinden, um uns gegenseitig zu zerstören.
Wer immer auf diese geniale Idee gekommen ist, er oder sie muss eine Gabe gehabt haben, sich in die Lage eines blinden Menschen hineinversetzen zu können. Was kommt blinden Menschen in die Quere, wie können sie heil und unversehrt von einem Ausgangspunkt zu ihrem Ziel gelangen, das sind wohl die grundsätzlichen Fragen gewesen, die dann dazu geführt haben, auf die Idee zu kommen, diese Weste zu kreieren. Es ist ein schönes Gefühl, behilflich sein zu können, anderen Menschen eine Lebenserleichterung ermöglichen zu können, Gefährdungen auszuschließen und Erleichterungen zu schaffen für einen ansonsten komplizierten Lebensalltag.

Darum ging es Jesus wohl auch, das Leben eines Menschen erträglicher zu machen, der ansonsten schwer zu tragen hat. Auch wenn es an einer Stelle der Heiligen Schrift heißt, dass, wer glaubt, immer sein Kreuz zu tragen hat, so ist doch der eigentliche Sinn und Zweck unseres Glaubens, dass unser Leben leicht, zumindest leichter werden möge. Natürlich trägt jede und jeder sein Kreuz und das kann einem keiner abnehmen: die Sorgen, die Fragen, die Enttäuschungen und Verletzungen. Aber wer würde sich einem Gott anvertrauen, dem daran liegen würde, das Leben eines Menschen beschwerlich machen zu wollen. Ein Glaube, zumal ein Glaube an den menschgewordenen Gott, macht doch nur Sinn, wenn dieser Glaube, wenn dieser Gott uns Menschen Kraft schenkt, Kraft und Sinn und Zukunft.
Darum geht es Jesus in der Begegnung mit dem Blinden. Aber nicht nur der Blinde, auch all die Herumstehenden, die gaffenden Nachbarn, die Neider, die Teilnahmslosen: sie alle sollen wissen, dass es Gott vor allem darum geht, dass Menschen gut leben können, frei leben können, eigenverantwortlich leben können. Jesus wünscht und schenkt heilsame Veränderungen: dem Blinden, der ausbrechen möchte aus all den Begrenzungen, die seine Behinderung im bereiten;  aber auch den herumstehenden Menschen, die sich selbst einengen durch ihre strengen Glaubensgewissheiten, durch ihre Ichbezogenheiten. Jesus lädt sie ein, ja fordert sie geradezu auf, alle Menschen im Licht Gottes zu sehen, gerade die, die auf der Erde übersehen werden. Jesus ermutigt so alle zu heilsamen Veränderungen: den Blinden ebenso wie die Verbohrten.
Er möchte den Menschen sagen, dass – wer glaubt – über sich selbst hinauswachsen kann. Und noch etwas müsste den Menschen aus dieser Begegnung mit Jesus bewusst werden: Beziehung gelingt nur dann wirklich, wenn man Sicherheiten hinter sich lässt: sicher scheinende Überzeugungen, sicher scheinende Erfahrungen, sicher geglaubte Wahrheiten. Beziehung wird dann eine heilsame Beziehung, wenn sie nicht auf Sicherheit baut, sondern auf Vertrauen. Wo Vertrauen zwischen Menschen ist, da wird auch Unmögliches möglich.
Diese mitsehende Weste, die Ingenieure der RWTH entwickelt haben, ist sicher ein kleiner Vertrauensbeweis dafür, dass sehenden Menschen daran liegt, blinden Menschen eine Beteiligung am alltäglichen Leben zu erleichtern. Für mich, vielleicht auch für euch, ist dies eine Ermutigung, zu fragen, was ich, was wir tun, um anderen Menschen Licht in ihr Leben zu bringen…Predigt am 26. März

Christoph Simonsen