Gott-Vertrauen
Ich verstehe beide nicht: Gott nicht, der ein solch unmenschliches und unwürdiges Opfer von Abraham fordert und auch Abraham nicht, der die Liebe zu seinem Sohn aufgrund eines Kadavergehorsams in solch brutaler Weise zu verraten bereit ist. Ich verstehe Gott nicht und ich verstehe Abraham nicht. Beides muss ich ertragen. Wir müssen wohl alle zur Kenntnis nehmen, dass wir an Gott aber auch an Menschen manchmal irrewerden. Gott nicht zu verstehen, dafür müssen wir Menschen uns nicht schämen, denn Gott ist so groß und so anders, dass wir wohl nur staunend, fragend, zuweilen auch verstörend auf ihn schauen können; aber dass ein Vater seinen Sohn zu opfern bereit ist, um eines Gottes willen, der unmenschliches fordert, das wirft mich aus der Bahn. Das kann so nicht stehen bleiben. Nichts ist schutzbedürftiger, als die Liebe eines Vaters zu seinem Kind. Nichts ist verwerflicher, als Schutzempfohlene zu opfern, um welchen Preis auch immer, selbst wenn es das Geschenk der Ewigkeit wäre.
Die heutige Lesung, diese Begegnung zwischen Gott und Abraham, wie ist sie in Einklang zu bringen mit den Gedanken des vergangenen Sonntags? Wir haben gehört, dass Gott seinen Bogen in den Himmel gestellt hat, um alles Leben zu schützen, was unter dem Himmel lebt. Und heute? Ein machthungriger Gott, der seine Gelüste an Unschuldigen auslässt und ein unterwürfiger Vater, der keinen Mut hat, sein eigenes Kind zu beschützen. Die Bibel ist und bleibt ein Buch mit sieben Siegeln. Und ja: sie bleibt ein Buch, an denen wir uns die Zähne ausbeißen. Abraham verdient sich den Segen Gottes, weil er bereit war, sein eigenes Kind zu opfern. Wenn es dieser Bereitschaft bedarf, um die Wohlgefälligkeit Gottes für mich zu gewinnen, dann frage ich mich persönlich sehr ernsthaft, ob ich mich diesem Gott überhaupt anvertrauen möchte. Das soll der Gott Jesu sein, der Gott also, der den Himmel – wie wir heute ja auch hören – weit öffnet und sich tief herabbeugt bis in die Niederungen dieser Welt hinein?
Wie fern kann mir dieser Gott doch sein – und wie nahe auch! Wie verbohrt erlebe ich Gott – und wie vertraut auch zu anderen Zeiten! Die Bereitschaft Abrahams, seinen eigenen Sohn zu opfern, um Gott zu gefallen, werde ich nie verstehen und auch nie gutheißen können. Aber was mich zutiefst beeindruckt, was mich kleinlaut werden lässt, wenn ich hier vor euch stehe heute Abend, das ist dieses grenzenlose Vertrauen Abrahams in eben diesen Gott, dass er ihm zutraut zu wissen, was er tut und was er verlangt. Wir Menschen sagen ja manchmal etwas flapsig: „In Gottes Namen…“, wenn wir zu etwas ja sagen, obwohl wir nicht wirklich davon überzeugt sind. In Gottes Namen tut Abraham etwas, was er von sich aus – davon bin ich überzeugt – nie tun würde. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, was Abraham gedacht, empfunden hat, als Gott ihm diese Forderung zugesprochen hat. Ich kann’s mir wirklich nicht vorstellen. Und genau so fremd ist mir die Intention Gottes, warum er so unmenschliches von Abraham verlangt hat. Aber was mir klar ist: Beide – Gott und Abraham – müssen in einer äußerst ungewöhnlichen Beziehung zueinander gestanden haben. Wer so miteinander umgeht, der ist entweder verrückt und krank, oder er hat ein unbändiges Vertrauen zum anderen. Kann Vertrauen Liebe relativieren, die Liebe zum Kind? Abraham hat diese Frage wohl für sich bejaht. Was ihm, wer ihm diese Kraft gegeben hat, weiß der Himmel. Für mich stellt sich die Frage, wie viel Vertrauen ich Gott gegenüber hege. Das ist wohl die drängendste und herausforderndste Frage überhaupt. Es ist die Frage, der wir uns jetzt in dieser Fastenzeit stellen könnten. Ich weiß, dass dies keine einfache Frage ist; Abraham ist der beste Beweis dafür. Aber wer Gott einmal in sein Leben hineingelassen hat, der kann im Letzten dieser Frage nicht mehr ausweichen…Predigt am 25. Februar
Christoph Simonsen