Der „Angebotsgott“
Was macht man so gemeinhin am 2. Pfingstfeiertag? Nachmittags war ich eingeladen an einem Symposium in der Citykirche in Mönchengladbach teilzunehmen, welches die Begegnung zwischen jungen Künstlern und der Kirche intensivieren wollte. Da lohnt sich doch vorher, einen Besuch bei der Familie einzulegen, zumal, wenn es nahezu auf dem Weg liegt. Schwägerin und Nichten waren allerdings kurz angebunden; die mussten bald los nach Roermond ins Outlet Center. Schnäppchenjagd am Feiertag. Später hörte ich dann im Radio, dass auf der A 52 hinter der Grenze ein schier unendlicher Stau war. Klar, die Idee hatten an dem Feiertag noch einige mehr. Das macht wohl vielen richtig Spaß, zu Schnäppchenpreisen einkaufen zu fahren. Shoppen und sparen, und dabei noch entspannen und mit lieben Vertrauten einen aufregenden Tag erleben. Das ist doch eine tolle Sache.
Gibt es Gott im Outlet auch günstiger, habe ich mich gefragt. Antworten darauf geben uns die heutigen Schrifttexte. Unser Gott scheint so besessen zu sein, unters Volk zu gelangen, dass sein Verhalten alles andere als göttlich daherkommt. Er verlässt das göttliche Establishment und kommt den Erdenbewohnern auf halber Strecke entgegen; wir haben in der Lesung davon gehört, wie er Moses und seinem widerspenstigen Volk entgegeneilt nahezu. Und dann verkauft er sich fast schon unter Preis, um unser aller Vertrauen zu gewinnen. Er verschenkt sich sozusagen zum Nulltarif. Damit wir nicht zugrunde gehen, gibt er das hin, was ihm am liebsten ist.
Kann jemand so verrückt sein? Während wir Menschen alles tun, um uns aufzupuschen indem wir uns qualifizieren und qualifizieren und qualifizieren, um so unseren Preis auf dem Markt zu steigern, macht Gott es genau anders herum. Er verschenkt sich so, wie er ist.
Dieser Gott ist so Menschenversessen, dass er sich in einer Weise entblößt, dass man nur mit dem Kopf schütteln kann. Wenn wir Menschen heutzutage so handeln würden, wir würden in der Psychiatrie landen: Ich bin „ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue“, ruft er Moses hinterher. Das klingt fast so, als würde Gott zum Ausverkauf zur Verfügung stehen. Wer sich heutzutage barmherzig erweist oder langmütig, der steht in unserer Gesellschaft schnell hinten an. Und ausgerechnet den Menschen sagt er das, die störrisch ihre eigenen Wege gehen, die mehr auf sich achten als auf ihre Umgebung, die alles andere als selbstvergessen sondern nur selbstverliebt sind.
Unserer Welt ist Selbstverliebtheit und Starrsinn durchaus vertraut. Und wir leben in einer Zeit, in der im Namen Gottes Wahnsinnige Leben mit Füßen treten. Sie verbannen Gott wieder in die Sphären des Himmels und verpflichten ihn auf die Rolle eines unerbittlichen Rachegottes. Gott will aber nicht der andere, sondern der unsere sein. Das zu begreifen, dazu lohnt es vielleicht, auf Moses zu schauen. Einzig Moses ist wohl diese Einzigartigkeit Gottes bewusst geworden, wirft er sich doch zu Boden und betet den an, der so verrückt anders ist und das eingespielte menschliche Lebensmuster eines „Gewinnen ist alles“ auf den Kopf stellt. Anzubeten ist etwas anderes als anzuhimmeln. Anbeten ist etwas sehr irdisches, bedeutet es doch, diesem Urvertrauen Gottes dankbar gegenüberzutreten und zu erkennen, dass Gott ganz einfach zu finden ist: Nicht in anderen Sphären, nicht in anderen Welten. Und Ehrfurcht hat weniger mit Furcht als mit einem Ehrverhalten zu tun, welches von Respekt und Anerkennung geprägt ist. Gott ist es eine Ehre, bei den Menschen zu wohnen, mit ihnen am Leben teilzuhaben, am alltäglichen, unvollkommenen, keineswegs am exklusiven, in Kasten denkenden Leben.
Die Ausgangsfrage war ja, ob es Gott im Outlet auch günstiger gibt. Das war natürlich eine rhetorische Frage. Gott gibt sich überall und er gibt sich nicht günstig, sondern ganz. Aber er gibt sich in der Welt und er gibt sich allen.
Meine Schwägerin und meine Nichten kamen übrigens hoch zufrieden und froh gesinnt wieder vom Shoppen zurück, erstaunt, was es alles Tolles zu kaufen gab. So ein Staunen über diesen Gott und solch eine Dankbarkeit über seine Treue, da bin ich mir sicher, wäre noch nachhaltiger für eine freundliche Umwelt. Wer diesem Gott froh begegnet, für den ist Leben das größte Geschenk. Und das gibt es selbst im Outlet Center nicht…Predigt am 11. Juni
Christoph Simonsen