Gott zu begegnen ist keine Frage des Gegenüber sondern des Miteinander
Gott zu begegnen ist keine Frage des Gegenüber sondern des Miteinander. Hier, an diesem Tisch wird das nicht nur zeichenhaft, sondern viel mehr leibhaftig spürbar. Gott ereignet sich in unserer Gemeinschaft; Gott wird erfahrbar, weil wir umeinander wissen; Gott ist nahe, weil wir einander berührend nahe sind.
Wenn wir gewöhnlicher Weise Gottesdienst feiern, dann wird nur peripher sichtbar, was heute unübersehbar ist: Wandlung, Verwandlung geschieht nicht durch Worte, nicht durch einen Ritus; vielmehr ereignet sie sich im Beisammensein, im Zueinanderstehen. Einfaches wird göttlich; Alltägliches wird lebensspendend; Brot verwandelt Menschliches in Göttliches und Wein ist mehr als ein Lustgetränk und verwandelt sich zu einer tiefen Quelle der Freude.
Das, was wir Sonntag für Sonntag feiern, was unser Leben so unendlich stark machen möchte, was uns Lebensnahrung sein möchte, der allen Hunger zu stillen vermag, ist alles andere als ein Ritus, ein Geschehen an uns. Gott ereignet sich mit uns und für uns. Das ist das alles Begreifen übersteigende, dass Gott nur Gott ist, wenn er es mit uns ist. Er hat sich – im wahrsten Sinn des Wortes – verausgabt voraus gegeben, von sich weg, dort hinein, was er geschaffen hat.
Gott steht uns Menschen, steht seiner Schöpfung nicht gegenüber, gleich einer unantastbaren Autorität; nein: Gott hat sich verinnerlicht in das Geschaffene, in diese Welt, in uns. Deswegen ist die Weise, ihn zu feiern in der Form unserer Gottesdienste nur ein Hilfskonstrukt, entstanden durch den sachlichen Zwang, dass kein Tisch ausreichen würde, die Weltgemeinschaft zusammenzuführen. Selbst unser Tisch heute mag für uns heute genügen, aber für die Welt ist er zu klein. So ist unser Beisammensein an diesem Tisch nicht anders als der Altar im Osten unserer Kirchen ein Behelf; aber anders als der isolierte Altar an der Stirn unserer Kirchen kommt hier und heute zumindest spürbarer zur Geltung, was das größte Geheimnis Gottes ist. Dass wir ihn nicht herbeirufen müssen, dass wir ihn nicht herbeibeten müssen, dass Gottesbegegnung kein Gnadenerweis ist, sondern dass er immer schon zwischen uns ist und in uns. Dass wir ihn teilen, schenken, erfahren, erkennen können, wenn wir Menschen zusammenstehen und selbst einander teilen und schenken. Gotteserfahrung geschieht im Teilen und Schenken. Wenn wir einander schenken, wenn wir teilen, was unser ist, dann schenken wir Gott, dann teilen wir sein Geheimnis. Und wenn wir einander schenken, schenkt Gott sich.
Leben wird reich, Leben wird sättigend, wenn wir tun, was er getan hat. „Tut dies zu meinem Gedächtnis. Ihn tun im Leben, im wirklichen Leben, im realen Wahnsinn unserer Welt, ist Gottesdienst, ist Eucharistie, Danksagung…Predigt am 13. April (Gründonnerstag)
Christoph Simonsen