Der Kampf gegen die Windmühlen
Der Kampf gegen die Windmühlen
Wenn es nicht so makaber und grausam wäre, dann könnte man Jesus gratulieren angesichts seiner so trefflich formulierten Vorausschau. Die Radikalität des Glaubens hat sich tief hinein gebissen bis in die kleinsten Familienstrukturen hinein. Im Namen Gottes lässt eine Familie ein Scharia Urteil über den eigenen Sohn und Bruder verhängen, weil er sich einer Zwangshochzeit entzieht. Eine fest im Glauben stehende christliche Familie verfällt in Sprachlosigkeit, weil die Ehe der Tochter zerbrochen ist. Und ein Vater einer anderen Familie verlässt Haus und Hof, weil er der Überzeugung ist, den Glauben dort nicht konsequent genug leben zu können. Das sind nur einige Beispiele, die mir aus Begegnungen der letzten Wochen bekannt sind. Ist Jesus deshalb auf die Erde gekommen, um eben das herbeizuführen?
Unsere Welt als Ganzes steht an einem Scheidegrund, weil die Menschheitsfamilie untereinander in einer Art und Weise zerstritten ist, dass nur noch ein Funke fehlt, die Welt in Brand zu setzen. Wie oft mussten wir in letzter Zeit hilflos zur Kenntnis nehmen, dass Menschen im Namen Gottes Spaltung, Streit, Hass und Krieg schüren? Weil Menschen sich Gott verpflichtet fühlen, weil sie aus der Überzeugung heraus handeln, in seinem Namen für Recht und Ordnung sorgen zu müssen, nehmen wir teil an einem Ausschnitt der Weltgeschichte, die genau das widerspiegelt, was Jesus den Jüngerinnen und Jüngern damals prophezeit hat: „Wenn fünf Menschen im gleichen Haus leben, wird Zwietracht herrschen“. Ist Jesus deshalb auf die Erde gekommen, um eben diese Situation herbeizuführen?
Was mach ich mit solchen Worten, wie wir sie heute im Evangelium hören? Was ich respektvoll wahrnehme: Jesus zeigt sich in diesen Begegnungen ganz als Mensch. Er erkennt immer mehr, dass seine Botschaft an welchen Mauern auch immer mehr zerschellt. Seine gelebte Radikalität der Liebe stört die politischen Machtverhältnisse, unterwandert jegliche jüdische Traditionen, kehrt die gesellschaftlichen Verhältnisse um. Er kämpft gegen Windmühlen und er spürt immer mehr, dass er den Kampf verlieren wird. Wer könnte sich in solch einer Lebenssituation freisprechen von Frust und Enttäuschung? Aber ist es nur das?
„Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist.“ Mehr kann ein Mensch eigentlich nicht von sich offenbaren als diese ungeschützte Ausweglosigkeit, diese Vermengung von Traurigkeit und Bitterkeit, von Verzweiflung und Ärgernis. Aber zeigt sich nicht auch noch mehr in diesem Eingeständnis Jesu? Zeigt sich nicht darin auch, dass trotz aller Bitterkeit und Verzweiflung Jesus an das glaubt, was er lebt und was er sagt, dass er festhält an seinen Überzeugungen und Werten, an seinem Vertrauen und Glauben?
Mit der angesprochenen Taufe ist, das wisst ihr sicher, sein Leidensweg gemeint. Jesus geht seinen Weg also weiter im Vertrauen darauf, von Gott begleitet zu sein; er weicht nicht ab davon, den Kleinen, den Benachteiligten, den Suchenden, den Warmherzigen, den Unbedeutenden, den Kranken, den Ohnmächtigen Freund zu sein. Im Wissen um die Erfolglosigkeit seines Lebens und im Wissen um die Alternativlosigkeit seines Lebens geht er seinen Weg weiter. Hier zeigt sich die Ursache der von Jesus wahrgenommenen Spaltung. Jesus spaltet nicht, um der Polarisierung willen; er spaltet auch nicht, um Machtverhältnisse zu zementieren. Jesu Spaltung dient der Klarheit und der Klärung, wer bereit ist, den unteren Weg zu gehen. Wer diesen Weg geht, der beginnt keine Kriege, der zwingt niemanden zu etwas, der grenzt keinen aus, der setzt nichts in Brand. Wer diesen Weg geht, der lädt ein, der wirbt, der lebt vor und zeigt auf diese Weise, dass es unterschiedliche Überzeugungen und Lebenskonzepte gibt. Wer diesen Weg geht, der scheut nicht die Ohnmacht, verabscheut aber jedwede ausstoßende Absolutheit…Predigt am 18. August
Christoph Simonsen