Zuhören

Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Problem unserer Zeit ist, dass wir das Zuhören verlernt haben.
Sicherlich, die tägliche akustische Reizüberflutung macht es schwer zu filtern, was wichtig, richtig und wahr ist. Sofern denn dieses die Filterkriterien in den öffentlichen Debatten sind.
Laut und polarisierend dringt eher durch, findet seine Hörer. Und so powert sich das gegenseitig hoch bis zum Tumult oder der Kakophonie.
Auf der Strecke bleiben die leisen Töne, die zaghaften Einwände, die personalisierten Erfahrungen, die Gefühle, das Unsagbare und das Unsägliche.
Weil wir nicht hören können, oder weil wir nicht hören wollen?
Diese Erfahrung ist wahrscheinlich so alt, wie der Homo Sapiens und findet sich deshalb auch in den biblischen Erfahrungen des Volkes Israel. So sagt Moses resignierend am Ende seiner 40 jährigen Amtszeit als Führer seines Volkes bei einer Volksversammlung:
„Doch bis auf den heutigen Tag hat der Herr euch keinen Verstand gegeben, der begreift, keine Augen, die sehen und keine Ohren, die hören!“ (5. Moses 29,3)
Auch von der Mahnung Jesu: »Wer Ohren hat, soll gut zuhören!« (MK, MT, LK mehrfach) habe ich den Eindruck, ist bei Kirchenverantwortlichen in seiner Nachfolge nicht viel angekommen. Anders kann ich mir den schon peinlich anmutenden Umgang einiger Kirchenleitungen mit den derzeit zu veröffentlichenden Gutachten zum Umgang mit Informationen um Täter und Opfer, Wissen und Verantwortung nicht erklären. Da wurde nicht nur nicht zugehört, sondern auch weggehört oder zumindest überhört.
Zuhören und nicht sofort Zu-texten. Hinhören und Nachfragen. Nachdenken – und um Vergebung bitten. So werden Missverständnisse vermieden und Opfer finden Gerechtigkeit.
In der Pax Christi Kirche in Essen steht die kleine und unscheinbare Skulptur DER HÖHRENDE von Toni Zenz.
Passend in und für eine Kirche, die sich der Versöhnung und dem Frieden widmet und den Opfern einen Namen und ein Gedächtnis gibt.
GS 24. November 2020

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