Wegweisend und inspirierend
ist es auch nach 60 Jahren innerkirchlicher Auseinandersetzung. Das 2.Vatikanische Konzil wurde am 11. Oktober 1962 von Papst Johannes XXIII eröffnet und sollte „frische Luft“ in die traditionsgelähmte Kirche bringen und diese zum „Aggiornamento“ zum „heutigwerden“ führen.
Die Kirche sollte sich den Fragen der Zeit stellen und versuchen Antworten aus dem Glauben zu geben. Dazu müsste sie sich aber der Welt und den Menschen öffnen.
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, insbesondere der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“
Dieser Selbstanspruch gab der kirchlichen Aufgabenbeschreibung den Titel „Gaudium et Spes“ und provoziert bis heute hin die Anfrage, ob sie diesem Solidaritäts-Anspruch gerecht wird und auch entsprechend glaubwürdig handelt.
Strukturell und substantiell haben die Beschlüsse des Konzils keine wesentlichen Reformen bewirkt oder gar das Machtgefüge verändert. Die Beteiligung an Kirchenleitung von nicht Geweihten oder gar Frauen ist allenfalls beratend, und synodale Wege der substantiellen Veränderung von Lehrinhalten und Partizipation scheitern an Sperrminoritäten der Kirchenhierarchen. Dabei wäre ein Aggiornamento nicht nur in Fragen der Sexuallehre und dem Zugang zu kirchlichen Ämtern, sondern auch der Offenheit gegenüber anderen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen dringend notwendig, um die Kirche aus ihrer gesellschaftlichen Irrelevanz herauszuführen und glaubwürdige Verkündigung und Handeln zu ermöglichen.
Im Lukasevangelium dieses Sonntages macht Jesus die Erfahrung, das Glaubwürdigkeit und Heilung eher von den vom religiösen Establishment Ausgestossenen und Andersglaubenden, wie dem aussätzigen Samariter, erkannt und in Dankbarkeit angenommen werden, während andere ihr Heil in den traditionellen Reinigungsritualen und Opferliturgien bei den Priestern suchen.
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute …“ sind für mich auch nach 60 Jahren mit und in Kirche Anspruch und Herausforderung zu glaubwürdigem Leben und Handeln.
GS 11.Okt 2022