Osternachklang: Schlamassel und Obskurität
Ich habe mich gefreut, als ich während der Ostervorbereitungen feststellte, dass in diesem Jahr die bedeutenden Feste der drei abrahamitischen Religionen zeitgleich stattfanden: Pessach -das Gedenken an den Auszug des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei, Ostern -Leiden, Tod und Auferstehung Jesu und der Fastenmonat Ramadan der Muslime. Alle 3 Weltreligionen stehen für den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden und predigen Nächstenliebe und Toleranz. Aber schon seit Jahrhunderten ist das gemeinsame Religions-Zentrum Jerusalem Schauplatz von Hass, Diffamierung, brutaler Verfolgung und blutigem Terror. In diesem Jahr besonders angeheizt von ultranationalen jüdischen Siedlern und ihren politischen Vertretern. Ausgerechnet an diesen religiösen Feiertagen steckt Jerusalem, die heilige Stadt im Schlamassel (ein jiddisches Wort, das in meiner heimischen Ruhrgebietssprache lautmalerisch die Ausweglosigkeit, das Chaos und die Penetranz der Situation sehr gut beschreibt).
Am Osterfeuer sangen wir die Hymne aus Taizé „Im Dunkel unsrer Nacht entzünde das Feuer, das niemals verlöscht …“ Im französischen Liedtext ist unsere Situation mit Obscurité, was auch Verworrenheit und Bedeutungslosigkeit heißen kann, beschrieben.
Schlamassel und Bedeutungslosigkeit sinnbildlich für die gesellschaftliche Irrelevanz der Religionen?
Diese ist abhängig von der authentischen Deutung des Lebens und Sterbens. Nur wenn diese Deutung sinnstiftend ist und darüber hinaus auch authentisch gelebt und erlebt wird, können daraus Werte und Normen für unser Zusammenleben in der Gesellschaft gewonnen werden.
Genau an diesem Punkt haben wir den Schlamassel. Nur wenn die gelebte Religion und ihre Riten und Feiern wieder Sinn machen, Leben deuten und ins Gebet nehmen, Hoffnung glaubwürdig vermitteln, helfen sie die Obskurität dieser Welt zu durchbrechen und werden (wieder) zum „Salz der Erde und Licht der Welt“ (Mt 5, 13-16) – Wirksam österlich werden.
GS 12. April 2023