Ihr Hirten erwacht!
Von meinen Pastoren (Hirten) erhielt ich, wie viele andere ehrenamtlich in der Pfarrei (paroikia = umzäunter Bereich am Haus, Nachbarschaft – oder: das Wohnen eines Fremden in einem Orte ohne Bürgerrecht ) Tätigen, einen weihnachtlichen Hirtenbrief mit dem Text des Liedes „Ihr Hirten erwacht“ Dem Brief beigelegt war eine dunkelblaue Tragetasche mit dem Aufdruck einer Karrikatur von Tiki Küstenmacher – eine Schafsherde mit einem herausragenden Schaf mit Kreuz um den Hals und einer Sprechblase „Ich gehöre dazu.“ Unterschrift, von anderen Schafen gehalten: „Gott sei Dank!“
Ein gut gemeinter, schmunzelnder Weihnachtsgruss?
Am Anfang meines hauptamtlichen Dienstes in der katholischen Kirche vor 41 Jahren verfasste ich, damals Zivildienstleistender mit frischem theologischen Diplom, einen Schäfchenbrief in der Zeitschrift für katholische Jugendarbeit in der Stadt Essen. Eine Reaktion auf einen Hirtenbrief der deutschen Bischöfe zum Entzug der Lehrerlaubnis des Kirchenkritikers Hans Küng (Januar 1980) und der bischöflichen Wahlempfehlung anlässlich der Bundestagswahl 1980 die CDU/ CSU zu wählen. Tenor meines Schäfchenbriefes: Bevormundung und Unterdrückung kritischer Lehre widerspricht dem mündigen Christsein und einer synodalen Kirchenordnung. Die Strafe: Ein Monat Altkleider sortieren im Keller einer stillgelegten Zechenanlage.
An der klerikalen Selbstsicht -Hirten und zu beseelsorgende Herde- hat sich anscheinend bis heute nichts geändert.
Als Kirchenschaf frage ich mich allerdings, wie hat Jesus, der gute Hirt eigentlich diese Hirtensorge gemeint?
Johannesevangelium: Der Hirte kennt jedes seiner Schafe mit Namen. Die Schafe kennen seine Stimme und folgen ihm. Jesus, der gute Hirt will das gute Leben für seine, ihm folgenden Schafe (Joh 10, 1-11).
Die Amtsanmassung der kirchlichen Hirten beruft sich auf das Liebesbekenntnis des Petrus: „Liebst du mich mehr, als die hier mich lieben? Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ Jesus sagte zu ihm: »Sorge für meine Lämmer!« (Joh 21,15) Das ist der Auftrag des auferstandenen Christus, der seine Nachfolge regelt, die begründet ist in einer charismatischen Liebe und nicht in einer heiligen Kirchenordnung und Standesgesellschaft.
Botschaft und Auftrag Jesu ist auf einen Liebesdienst ausgerichtet und nicht auf fürsorgende Unmündig- und Abhängigkeit.
„Ihr Hirten erwacht!“ Wendet Euch denen zu, die in „Armut und Not“ sind und erkennt in ihnen Gott, der sich der ganzen Menschheit zugewandt hat und für alle „Leben in Fülle“ will. „Betet ihn an“, verkündet diese frohe Botschaft, dass Gott da ist und mit uns geht. Lebt das, glaubwürdig! Seit „Boten des Friedens“ in dieser friedlosen Welt, damit unsere „Nacht erhellt“ wird. Entsagt eurem Machtgehabe und -gebaren, denn „Der Herr ist zugegen mit himmlischer Macht.“ Er bringt Gerechtigkeit und Frieden in die Welt, wenn wir alle seine Liebesbotschaft glaubwürdig und geschwisterlich leben.
Frohe Menschwerdung!
GS 21.Dez 2021