Glaubend genießen

Ein Papstwort wurde in der vergangenen Woche mal wieder zum Aufreger. Bei den einen, weil sie diese Offenheit und Lebenszugewandheit der katholischen Kirche und ihren hochrangigen Vertretern nicht (mehr) zugetraut haben, und bei den anderen: Das kann doch nicht wahr sein!
Was hat er gesagt? “Gut gekochtes Essen und liebevoller Geschlechtsverkehr: Der Genuss von beidem ist “göttlich” (katholisch.de aus einem Interviewbuch von Carlo Petrini, Gründer der “Slow Food”-Bewegung)
Diese im Grunde alten, biblischen Weisheiten wurden den katholisch und auch evangelisch Glaubenden ja über Jahrhunderte vorenthalten, gar als Sünde und des Teufels etikettiert. Franziskus gesteht ein, dass eine “übereifrige Moral enormen Schaden verursacht habe, der in einigen Fällen auch heute noch stark spürbar ist…. Aber: Die Freude am Essen und die sexuelle Lust kommen von Gott”.
Paulus und die asketischen Mönchsbewegungen waren für diese Leib- und Lustfeindlichkeit sicherlich prägend, um sich von der Dekadenz der römischen Gesellschaft abzusetzen, die die egomanische Leibeslust eher vergöttlichte.
Die biblischen Geschichten schildern Jesus aber als lebenszugewandten Menschen, der genießen konnte und über den sich seine moralisierenden, orthodox-religiösen Gegner deshalb echauvierten: „Er ist ein Schlemmer und Säufer, und die schlimmsten Leute sind seine Freunde!«. (Mt 11,19) – Weil er nicht ihrem Bild eines vorbildlichen „heiligen“, weil gottgewollten Lebenswandels entsprach.
Papst Franziskus, der eher unkonventionell die kirchliche Lehre sehr lebens-offen präsentiert, geht es um das Leben als Geschenk Gottes. Wir dürfen es in Dankbarkeit und liebevollem Umgang miteinander leben, mit genussvollem Essen und liebevollem Sex – eben einfach göttlich.
Wie Jesus bei Johannes über sich sagt: Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10)
Ob sich die päpstliche Lebensweisheit allerdings auf die kirchliche Verkündigung auswirkt?
Wie sagt Jesus auf den Schlemmer-und-Säufer Vorwurf seiner Gegner: „Die Weisheit erweist sich als richtig, und zwar durch das, was sie bewirkt.“ (Mt 11,19)
2500 Jahre vor Papst Franziskus brachte der Weisheitslehrer Kohelet im Alten Testament diese auf den Punkt:
„So kam ich zu dem Schluss, dass es für den Menschen nichts Besseres gibt, als fröhlich zu sein und das Leben zu genießen. Wenn er zu essen und zu trinken hat und sich über die Früchte seiner Arbeit freuen kann, ist das Gottes Geschenk.“ (Kohelet 3,12f)
GS 16. Sept 2020

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