Die Suche nach und Benennung von Sündenböcken

in gesellschaftlichen und privaten Krisen- und Konfliktzeiten sind ein seit Jahrtausenden internalisiertes Verfahren der Verantwortungsverweigerung und Selbstentschuldung. Persönliche und gesellschaftliche Missstände, auch wenn sie außerhalb meines Erfahrungshorizontes liegen, brauchen doch Schuldige, denn ich kann oder will es ja nicht sein. Soziale Ungleichheit und hohe Miet-, Energie- und Lebensunterhaltskosten, Erderhitzung und Klimakatastrophen, Hunger und Elend, Gewalt und Krieg, … irgendwer muss ja schuldig sein, denn ich kann es ja nicht sein, weil ich selbst davon betroffen bin, Opfer bin.
So wurde schon in biblischer Zeit das Sündenbock-Ritual am nationalen Versöhnungstag, dem Jom Kippur, geschaffen: Einem per Los ausgewählten Ziegenbock wurden die gesellschaftlichen, wie persönlichen Sünden und Fehlverhalten verbal und öffentlich an den Kopf geworfen und aufgebürdet, der dann in die Wüste geschickt, in späterer Zeit, damit er nicht zurückkehren konnte, über eine Klippe in den Abgrund gestürzt wurde.
Schuld los und Beziehungs-Reset, gesellschaftlich und im privaten Umfeld, gegenüber ICH-BIN-DA-GOTT* und den Mitmenschen.

In unserer Wirklichkeit eignen sich als Sündenböcke für soziale und ökologische Missstände Gruppen und einzelne exponierte Personen: Die Migranten, die Wirtschaft, die Parteien (vornehmlich die Grünen), die Kirche (obwohl immer weniger relevant), die EU, die Chinesen, der Putin, der Habeck, der DB-Vorstand … und letztlich auch noch GOTT*, weil alles zulassend.

Der mühsame und selbstkritische Blick auf die eigenen Anteile am Schlamassel durch persönliches oder auch Gruppen-Fehlverhalten, Bequemlichkeit und nicht-auseinandersetzen-wollen wäre ein erster Schritt Selbstverantwortung zu übernehmen für das eigene Verhalten, das eigene Versagen,. Die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Anteilen kann dann zur Reue führen und zur gemeinsamen Suche nach Veränderung und vielleicht Perspektiven für Lösungen.

Der Sündenbock bietet vielleicht kurzfristige Entlastung, aber keine Er-Lösung. Das Problem bleibt – belastend!

GS 5. Febr 2024

Survival of the fattest im Hafen von Kopenhagen zur Klimaschutzkonferenz Foto: Jesse Walker 2010