Das Dilemma von eigentlich und offensichtlich

Ich bin Pazifist aus familiärer Prägung und christlich gereifter Überzeugung. Aber der nahegerückte, menschenverachtende und das Völkerrecht auf Selbstbestimmung und Freiheit sabotierende Krieg in der Ukraine lässt meine Überzeugungen bröckeln und meine Gewissheiten schwinden.

So komme ich gerade jetzt angesichts der ukrainischen Forderungen nach schweren Waffen in das Dilemma des „eigentlich …, aber“, da ja meine/ unsere Werte und Grundüberzeugungen „offensichtlich“ nicht von Kriegstreibern und freiheitsfeindlichen Mächten mitgetragen bzw. ignoriert werden.

Der Konsens jüdisch-christlicher Werte in und für Europa, der mehr als 50 Jahre Frieden hier ermöglicht hat und den Beitritt zu dieser EU-Wertegemeinschaft auch für die sich nach dem Ende des Kalten Krieges neu orientierenden Staaten Ost-Europas attraktiv machte, ist offensichtlich nicht mehr tragfähig. Anders kann ich mir den „Erfolg“ nationalistischer Parteien in nahezu allen Ländern der EU nicht erklären.

In der orthodox-christlich gefeierten Karwoche bombardieren russische Soldaten mit dem Segen des orthodoxen, Moskauer Patriarchats schutzlose Zivilisten, während der katholische Papst Franziskus in seiner Osteransprache „ein Ende des Ukraine-Kriegs fordert und an Krisen weltweit erinnert. Der Frieden sei möglich, eine Pflicht und die vorrangige Verantwortung aller. … Jeder Krieg habe Auswirkungen für die gesamte Menschheit: von den Todesfällen über das Flüchtlingsdrama bis hin zur Wirtschafts- und Ernährungskrise, deren Vorboten derzeit bereits erkennbar seien“.
Und der, an dessen Leid und Tod sich die Christen der ganzen Welt -und auch Herr Putin- in diesen Tagen erinnern, fordert uns auf zu Nächsten- und Feindesliebe und zum Friedenstiften.

Vielleicht ist es ja ein Gebot der Nächstenliebe oder zumindest das kleinere Übel, die Ukrainer mit schweren Waffen zu unterstützen, damit sie ihre und unsere Freiheit verteidigen können gegen die nationalistische Aggression und für den Erhalt der freiheitlichen Werte.
Unsere Welt braucht Frieden, um gemeinsam die Folgen des Klimawandels bekämpfen zu können und eine lebenswerte Zukunft für alle zu sichern.

GS 19. April 2022

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