Ablehnung und Zuwendung

Unbequeme Wahrheiten lassen wir uns ungern aus unserer näheren sozialen Umgebung, unserem Biotop, unserer Bubble sagen. Ja sie erreichen uns erst gar nicht, erst recht nicht, wenn sie von Menschen kommt, denen wir uns mehr als ebenbürtig sehen, weil wir mit ihnen aufgewachsen sind oder wenn sie unsere Kinder oder Schüler*innen sind. „Was kann der schon wissen, was wir nicht wissen, was bildet die sich eigentlich ein …?
Wir können nur schlecht aushalten, wenn uns der Spiegel vorgehalten wird und erst recht, wenn wir belehrt werden oder sogar zur Verhaltensänderung aufgefordert werden. Im Gegenteil eher schliessen wir uns fester zusammen und polemisieren gegen solche Zumutungen – gerade auch in Krisenzeiten.
Im Lukasevangelium (4,16-30) macht Jesus diese Erfahrung. Er erzählt in seiner Heimatgemeinde von seiner Vision des Gottesreiches für alle, von seiner Berufung den Armen die gute Nachricht zu verkünden, den Gefangenen die Freiheit zuzusprechen, den Blinden, dass sie sehen werden und den Unterdrückten die Freiheit zu bringen. Und, das alles nicht erst später, sondern jetzt. Jetzt und mit ihm beginnt eine neue Wirklichkeit, die verändert … wenn die Betreffenden sich darauf einlassen. Aber seine Zuhörer wollen sich nicht darauf einlassen, weil sie ihm die Kompetenz absprechen und weil er ihnen den Exklusivitätsanspruch verweigert. Er fühlt und weiss sich zu denen gesandt, die von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt werden, zu den Loosern.
Er macht die Erfahrung, dass „kein Prophet in seiner Heimatstadt anerkannt“ wird (Lk 4,24). Er provoziert damit Hass und der aufgebrachte Mob versucht ihn zu töten.

Diese Erfahrung Jesu machen auch die Mahner und Reformwilligen unserer Tage in Kirche, Gesellschaft und Politik. „Bloss keine Veränderung! Alles soll so bleiben wie es ist und immer schon war!“ Sicherheit statt Reform. Tradition statt Veränderungskultur. Klientelpolitik statt Soziale Gerechtigkeit. Wirtschaftswachstum statt Energiewende. Freiheit statt Solidarität mit den Ungeschützten …

Und Jesus? Er durchbricht die menschliche Wand aus Hass und Ignoranz, folgt seiner Berufung und „wendet sich den Menschen in Liebe zu“ (Lk 2,14)

GS 1. Feb 2022

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