Brot ist für alle(s) gut
Zum dritten Mal nacheinander ist wieder von „Brot“ die Rede; wir haben in den beiden vergangenen Wochen den hohen Wert von Brot schon miteinander bedacht. Keinem Menschen darf ein Anrecht auf Brot als Grundnahrungsmittel verwehrt werden. Ein Mangel an Brot ist sozusagen ein Indiz dafür, dass unsere Welt gerechter und solidarischer werden muss, wenn sie denn dem Auftrag Gottes nachkommen möchte. Am vergangenen Sonntag haben wir uns miteinander daran erinnert, dass Gott selbst das Grundnahrungsmittel für uns sein möchte; Gott schenkt sich als Brot, er möchte unserem Leben Geschmack einverleiben, denn er möchte nicht nur irgendwie mitlaufen in unserem Leben, er möchte uns Kraftquelle sein. Heute hören wir im Evangelium, dass Jesus von sich sagt, er sei das lebendige Brot, das in Ewigkeit leben ließe; dafür würde er sich sogar selbst hingeben. Wieder ist also vom Brot die Rede; und wieder geht es um’s überleben, dieses Mal weniger im sprichwörtlichen als im übertragenen Sinn. Brot nährt nicht nur den Körper, schenkt nicht nur eine Zukunft hier auf der Erde; Brot weist auch über das Leben im Hier und Jetzt hinaus. Überleben alleine ist kein Leben, Leben braucht Sinn und Ziel; Leben braucht Perspektive: Perspektive über alles Machbare, Denkbare, Glaubbare hinaus. Davon zumindest ist Jesus überzeugt. Und noch etwas treibt ihn um: Der leibliche Hunger wie auch der seelische Hunger bedingen einander. Das ist bis heute offensichtlich, wenn religiöser Fanatismus schnurstracks in Verelendung und Vereinsamung führt. Ein Glaube, der Leib und Seele nicht in gleicher Maße sättigt, davon ist Jesus überzeugt, führt unweigerlich in Egoismus. Für einen angstfreien Glauben, für einen Glauben, der den Nöten der Menschen entgegenwirkt, dafür gibt er sein Leben hin.
Und dennoch: so klar wie unmissverständlich diese Botschaft auch ist, mir bereitet sie Kopfzerbrechen. Wie kann ich Ewigkeit ins Wort bringen, wenn schon die Zukunft hier auf der Erde im Dunkeln liegt? Als ich noch im Krankenhaus gearbeitet habe, da bin ich immer wieder von Menschen gefragt worden, die sich einer schweren Krankheit stellen mussten, ob ich ihnen denn sagen könnte, wie es nach dem Tod weitergehen würde. In dieser Zeit habe ich gelernt zu akzeptieren, dass es schwerer ist, eine Frage still im Raum stehen zu lassen, als rasch eine – womöglich sogar nur angelesene – Antwort weiterzugeben. Und ebenso sicher bin ich mir geworden, dass alle theologischen Antwortversuche solch einer existentiellen Frage nie gerecht werden könnten. So berechtigt diese Frage eines Lebens nach dem Tod ist, so gewiss ist, dass keine Antwort ihr angemessen wäre. Fragen solcher Art nach dem Leben und nach dem Tod durchziehen eine tiefe Sehnsucht; die Sehnsucht nämlich, dass das eigene Leben Wert hat und Wert bewahrt, dass es jenseits menschlicher Vorstellungskraft seine Würde behält. Kurzum: Bin ich irgendwann vergangen, weil ich vergänglich bin?
Ich habe sehr großes Verständnis für diese Sehnsucht, weil es nämlich für viele Menschen unerträglich ist, mit der Angst zu leben, vergessen zu werden, in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Bis zum heutigen Tag zum Beispiel sucht meine Familie nach dem Grab meines Onkels, des Bruders meiner Mutter, der nicht aus dem Krieg zurückgekommen ist: An wen sich erinnert wird, der ist geliebt.
Unser christlicher Glaube, nein ich bin mir sicher, aller Glaube zielt auf zwei wesentliche Eigenschaften: Der Gerechtigkeit in der Welt zu dienen und die Würde jedes einzelnen Menschen wie seine Liebesbedürftigkeit über alles andere hinaus wahr- und ernst zu nehmen. So ist dies die große Hoffnung, die uns der Glaube schenkt: Von Gott gerufen zu sein, diese Welt in seinem Namen zu gestalten und in gleicher Weise von Gott geliebt zu sein mit einer Liebe, die stärker ist als der Tod. Liebe allerdings, die eines Beweises bedarf, ist schon vom Wesen her fragwürdig und deshalb ist auch der menschlich sicher berechtigte Wunsch eines Beweises der Ewigkeit vom Kern her schon bedenklich. Allein das Wagnis der Liebe vermag eine Möglichkeit zu eröffnen, hinter die Tür des Lebens zu schauen. Von Gottes Seite aus ist diese Offenheit der Liebe uns allen zugesprochen in der Liebestat Jesu. Eben dem Jesus, der in der Liebe zum Vater sein Leben gibt für das Leben der Welt…Predigt am 12. August
Christoph Simonsen