Sept.-Dez 2020

Menschwerdung

Heilig Abend erinnern wir den Anfang, den Anfang der befreienden Botschaft, dass Gott die Menschen so sehr liebt, dass er Mensch wird.
Paulus beschreibt dieses Ereignis:„ … Er war in allem Gott gleich, und doch hielt er nicht gierig daran fest, so wie Gott zu sein. Er gab alle seine Vorrechte auf und wurde einem Sklaven gleich. Er wurde ein Mensch in dieser Welt und teilte das Leben der Menschen. …“ (Philipperbrief 2, 6f)
Er verzichtete darauf als Gott unnahbar zu sein …
In diesem so anderen Jahr, mussten wir aus Rücksicht auf Schutzbedürftige, aus Nächstenliebe auf Distanz gehen. Wir konnten und können die, die wir lieben nicht mal eben in den Arm nehmen, ihnen nahe sein und so unsere Liebe zu ihnen ausdrücken – oder unser Mitgefühl.
Die biblischen Geschichten erzählen uns immer wieder, dass sich die Menschen immer wieder von Gott abwenden, zu ihm auf Distanz gehen, die Beziehung zu ihm abbrechen. Dafür steht das Wort Sünde (von absondern). Aber Gott will die Beziehung zu uns, er liebt und will geliebt werden.
Gott wird Mensch, „weil er liebt und weil er mitfühlt“ wie Herbert Grönemeyer in seinem Lied Mensch besingt.
Diese Menschwerdung in Jesus ist das größte Zeichen von Gottes Liebe zu uns Menschen.
Wenn wir von Menschwerdung reden, dann betont auch Paulus im Hebräerbrief, dass dies Mensch sein bedeutet mit allem, was dazu gehört: „er hat gelacht, geflucht, geweint, gebrüllt, gelästert, getrickst und geliebt wie wir.“ (Matthias Fritz in Raumrauschen November 2018)
Dieses volle Menschsein Gottes, seine Menschlichkeit feiern wir in der Geburt Jesu an Weihnachten. In ihm „wurde die Güte Gottes, unseres Befreiers, und seine Liebe zu uns Menschen sichtbar.“ (Titus 3,4)
Verbunden mit der Geburt Jesu ist auch die Friedensbotschaft. Diese wird den einfachen Leuten, den Armen und Nachtarbeitern als erstes durch einen Engel, einen Gesandten Gottes verkündet. Nicht in der Synagoge, Kirche oder Moschee, sondern draußen, da wo diese Menschen leben und arbeiten:
»Ehre sei Gott! Denn er bringt der Welt Frieden und wendet sich den Menschen in Liebe zu.« (Lukas 2,14)
Alle Jahre wieder erinnern wir uns an diese heilige, diese besondere, diese maßlose Nacht der Geburt Jesu, der Menschwerdung Gottes, die uns auffordert aus Dankbarkeit für dieses Geschenk Liebe und Frieden zu leben.

GS 22. Dez 2020

Let there be peace on earth
And let it begin with me
Let There Be Peace on Earth
The peace that was meant to be
With God as our Father
Brothers all are we
Let me walk with my brother
In perfect harmony.
Let peace begin with me
Let this be the moment now.
With ev’ry step I take
Let this be my solemn vow
To take each moment and live
Each moment in peace eternally
Let there be peace on earth
And let it begin with me

Isley Brothers & Carlos Santana 2017


Infragesteller

Sie treten öffentlich auf in kritischen Zeiten, hinterfragen das Handeln von Politikern, bezweifeln die Berechtigung von Entscheidungen, stellen die dahinterstehenden Motive in Frage und stören so den gesellschaftlichen Frieden.

Nein ich denke nicht an Corona- und Klimawandel-Leugner und Verharmloser, an Verschwörungstheoretiker und andere, die sich als Querdenker bezeichnen, sondern an Propheten.

Propheten, so wie sie uns in den biblischen Krisenerzählungen vorgestellt werden. Wirkliche Querdenker, die sich berufen wussten den Mächtigen in Politik, Wirtschaft und Religion und dem Volk die Wort-Gottes-Meinung zu sagen.

Sie waren und sind radikal im ursprünglichen Sinne – radix=Wurzel

Ihre unbequeme Wahrheit wurde nicht geliked aber viral geteilt, denn sie lebten konsequent und öffentlich, was sie von der Gesellschaft forderten: Gerechtigkeit und Liebe, orientiert an der befreienden Botschaft Gottes.

Sie gaben dieser Botschaft die Stimme als Mahner und Ankläger, quer zum Mainstream. Und sie erzählten die Vision von einer besseren, Gott gewollten Welt und brachten damit die Menschen in Bewegung.

Jetzt, in den Tagen der Vorbereitung auf Weihnachten, auf das Fest des Mensch-Werdens werden sie uns wie alle Jahre wieder in den biblischen Lesungen vorgestellt mit ihrer wegweisenden Botschaft.

Exemplarisch für die großen und kleinen Propheten (gemessen am Umfang ihrer schriftlichen Hinterlassenschaften) steht Johannes der Täufer. Er mahnt:

»Kehrt um und lasst euch taufen, denn Gott will euch eure Schuld vergeben!« >>Zeigt durch eure Taten, dass ihr es mit der Umkehr ernst meint!<< »Wer zwei Hemden hat, soll dem eins geben, der keines hat. Und wer etwas zu essen hat, soll es mit jemand teilen, der hungert.«

Selbstverständlichkeiten für Christen? Ja, aber warum tun wir es nicht – oder zu wenig?

Die Propheten wurden für Querdenken gehasst, verfolgt, gefangen gesetzt und getötet. Ihrem Aufruf zur Umkehr zu folgen braucht offensichtlich Mut und  Demut (Dien-Mut).

Prophetenbotschaft heute: Christ werde Mensch, wie Gott Mensch geworden ist

GS 16. Dez 2020

hinausgedrängt
aus den schützenden Häusern
hat es dich
den Schutzlosen die gute Nachricht zu bringen

hinaus gedrängt
aus der Enge kleingläubigen Denkens
hat es dich
Lilien und Vögel als Beispiel zu nehmen
den Ängstlichen Freiheit und Gnade zu bringen

hinaus gedrängt
haben wir dich
endgültig zu den Hinausgedrängten
und festgenagelt auf dein Wort
damit wir wissen
dass du da bist – für immer

hinausdrängen
muss es auch uns
zu denen
die nicht einmal Wohnrecht haben
an den Rändern der Städte, den Rändern der Herzen
um endlich allen Geschöpfen
von dir zu künden
der da ist – mitten unter uns

Elisabeth Bernet (adventlich leben, Verlag am Eschbach 2008, S.57)


menschlich werden

Der MENSCH ist ein, ist mein Thema in diesem von der Pandemie weltweit bestimmten Jahr und ganz besonders in diesem Advent, der BeSinnZeit vor Weihnachten:

In Begrifflichkeiten und Werten diskutiert oder beklagt; wie MENSCHLICHKEIT und UNMENSCHLICHKEIT im Zusammenhang mit dem Flüchtlingselend an den Grenzen des reichen Europa, genau wie in der anhaltend ungerechten Verfügbarkeit von wirksamer Medizin und Impfstoffen gegen den Coronavirus und auch gegen den HIV/ AIDS-Virus.

Und welcher Zukunft sieht die Menschheit entgegen. Was tue ich/ kann ich tun, dass diese Zukunft eine lebenswerte ist für meine Kinder und Enkel. Ein gutes Leben für alle auf diesem Planeten, wie es nicht nur die biblischen Lesungen in diesem Advent erhoffen und Menschen auf der ganzen Welt erbeten und besingen und das Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen seit nunmehr 5 Jahren ist.

Weihnachten feiern Christen auf der ganzen Welt die MENSCHWERDUNG Gottes in Jesus Christus

Was macht Mensch Sein aus?

Herbert Grönemeyer singt:

    Der Mensch heißt MENSCH
    weil er: vergisst, verdrängt, schwärmt, stählt
    weil er lacht und lebt und wärmt, wenn er erzählt
    weil er irrt, kämpft, hofft, liebt
    weil er glaubt, sich anlehnt und vertraut
    weil er erinnert, mitfühlt und vergibt
    – und weil er lacht und weil er lebt

Herbert Grönemeyer (Album MENSCH 2002) besingt, was IRENÄUS VON LYON (+ um 200) feststellt: „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“

Diesem Menschenbild fühle ich mich verpflichtet und so menschlich werden möchte ich in diesem Advent, damit wir Weihnachten die Geburt des Menschen Jesus feiern können, in dem “die Güte Gottes, unseres Befreiers, und seine Liebe zu uns Menschen sichtbar wurde” wie Paulus an seinen Schüler Titus schreibt (Tit 3,4)

GS 1. Dez 2020

Foto: Constantin Lindenmeyer

Zuhören

Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Problem unserer Zeit ist, dass wir das Zuhören verlernt haben.
Sicherlich, die tägliche akustische Reizüberflutung macht es schwer zu filtern, was wichtig, richtig und wahr ist. Sofern denn dieses die Filterkriterien in den öffentlichen Debatten sind.
Laut und polarisierend dringt eher durch, findet seine Hörer. Und so powert sich das gegenseitig hoch bis zum Tumult oder der Kakophonie.
Auf der Strecke bleiben die leisen Töne, die zaghaften Einwände, die personalisierten Erfahrungen, die Gefühle, das Unsagbare und das Unsägliche.
Weil wir nicht hören können, oder weil wir nicht hören wollen?
Diese Erfahrung ist wahrscheinlich so alt, wie der Homo Sapiens und findet sich deshalb auch in den biblischen Erfahrungen des Volkes Israel. So sagt Moses resignierend am Ende seiner 40 jährigen Amtszeit als Führer seines Volkes bei einer Volksversammlung:
„Doch bis auf den heutigen Tag hat der Herr euch keinen Verstand gegeben, der begreift, keine Augen, die sehen und keine Ohren, die hören!“ (5. Moses 29,3)
Auch von der Mahnung Jesu: »Wer Ohren hat, soll gut zuhören!« (MK, MT, LK mehrfach) habe ich den Eindruck, ist bei Kirchenverantwortlichen in seiner Nachfolge nicht viel angekommen. Anders kann ich mir den schon peinlich anmutenden Umgang einiger Kirchenleitungen mit den derzeit zu veröffentlichenden Gutachten zum Umgang mit Informationen um Täter und Opfer, Wissen und Verantwortung nicht erklären. Da wurde nicht nur nicht zugehört, sondern auch weggehört oder zumindest überhört.
Zuhören und nicht sofort Zu-texten. Hinhören und Nachfragen. Nachdenken – und um Vergebung bitten. So werden Missverständnisse vermieden und Opfer finden Gerechtigkeit.
In der Pax Christi Kirche in Essen steht die kleine und unscheinbare Skulptur DER HÖHRENDE von Toni Zenz.


Passend in und für eine Kirche, die sich der Versöhnung und dem Frieden widmet und den Opfern einen Namen und ein Gedächtnis gibt.
GS 24. November 2020

Zuversichtlich (Update)

Unter der Überschrift “Wie wollen wir leben” startet die ARD ausgerechnet am Totensonntag eine Themenwoche, die viele Aspekte einer lebenswerten Zukunft präsentieren und problematisieren will.

Der Duden definiert Zuversicht:
festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft, auf die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen.

Zuversicht verbreiten gegen Pandemie-Ignoranten, Verharmlosende, Zukunftsskeptiker. Wir schaffen das – irgendwie. Lichtblicke in diesen Novembertagen gibt es ja durchaus mit zwei zulassungsfähigen Impfstoffen und der erfragten Zustimmung von der überwiegenden Mehrheit der Deutschen für die Infektionsschutzmaßnahmen, auch wenn sie unser soziales Leben und auch unsere berufliche Existenz stark einschränken.

Die Frage “Wie wollen wir leben” durchbricht das Kreisen um das Krisenthema Nr.1. Sie weitet den Blick „auf das, was da noch kommt“ und macht Zukunft zu einem WIR-Projekt.

Krisenmanagement –national, wie international- braucht den Willen zum WIR und die Erfahrung, dass dieses WIR trägt.

Wie wollen wir leben? erzählt Geschichten, teilt Ideen von Zukunft, zeigt Visionen von einem Guten Leben für alle. Dadurch wir ein WIR möglich, denn:

„ …es sind Geschichten, sie einen diese Welt. Nöte, Legenden, Schicksale, Leben und Tod. Glückliche Enden, Lust und Trost … wir teilen diese Welt und wir stehen in der Pflicht… die Erde ist unsere Pflicht…“ (Herbert Grönemeyer, Stück vom Himmel)

Wir Christen erzählen vom Gott* des Lebens, vom menschenfreundlichen Gott*, von der Vision eines Guten Lebens für alle. Wenn wir diese Geschichten auch leben, Wirklichkeit werden lassen –und Gott+ sagt ja: Ich bin da(bei)- dann können WIR zuversichtlich sein. – Für das WIR und für die Welt.

GS 18. Nov 2020

… mein Schatz! …

Der einer erklärten Demokratie unwürdige, volksverhetzende und nationspaltende Nach-Wahl-Kampf in der entzweiten Bevölkerung Amerikas, initiiert und angeheizt durch den notorischen Lügen-Präsidenten erinnert mich in seiner Gier und Verzweiflung an Golum im grandiosen und entsprechend verfilmten Meisterwerk von J.R. Tolkien “Herr der Ringe“.
Der „Schatz“ verleiht fast absolute Macht über alle Mächte, hält aber auch seinen vermeintlichen Besitzer oder besser Träger in Abhängigkeit. Die Macht macht süchtig und zerstört den Willen ihres Trägers. Aus der Würde des Amtes, wird die Bürde der Macht.
Ein Ring sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.
Golum ist dabei ein eher zeterndes, nörgelndes, narzisstisches Wesen, dessen einziger Lebensinhalt er selbst und der Schatz, der Ring, die Macht zu sein scheint. Keine Verantwortung, keine Empathie. A-sozial und SCHATZ der einzige (Selbst-) Gesprächspartner.
Biblisch würde man diesen Zustand als Sünde bezeichnen, als bewusstes absondern von der menschlichen Gemeinschaft und der Liebe Gottes.
Golum-Trump sieht sich als Opfer, dem man den Sieg, die Macht gestohlen hat und je größer die Ohn-macht, desto wütender der Kampf um sie – mit allen Mitteln und hassverzehrter Grimasse. Er merkt nicht, dass er schon längst ein Gefangener der dunklen Seite der Macht ist.
Die Weltenrettung kommt von den Kleinen, den Naiven, den nicht Berechnenden, die an die Werte der Wahrheit, Freundschaft und Liebe glauben. Die Rettung kommt -wie die Seligpreisungen der Bergpredigt sie nennt- von den Armen im Geiste. Sie opfern sich für die Gemeinschaft, für den Frieden, für die Ideale der Gerechtigkeit und Liebe, für die neue Weltordnung Gottes, wie die Bergpredigt sagen würde.
Die Weltenretter-Gefährtinnen sind eine bunte Vielfalt, unterschiedlicher Weltbewohnerinnen, mühsam zusammengehalten vom gemeinsamen Willen die dunkle Seite der Macht zu brechen und den Ring der Macht zu ent-machten, im Feuer zu schmelzen.
Mit der Vernichtung des Ringes der Macht kehrt erst einmal wieder Ruhe ein. Mordor, sein dunkler Herrscher und seine Kreaturen sind besiegt und verschwinden aus der Wahrnehmung.
Im wirklichen Nach-Wahl-Amerika kämpft der narzisstische Ringträger weiter, erlebend, dass sein Machtsystem immer mehr zerbröckelt, bis auch er aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwindet. – Solang bis seine Hass und Lügen-Tweets wieder Anhänger*innen finden, die ihm wieder Macht über sich geben und den Trumpismus wieder aufleben lassen.
Die derzeitige Frage in diesem abgründigen Kampf: Wird er in seinem verzweifelten Kampf um den Machterhalt blutige Zerstörung anrichten und wen wird er mit in den Abgrund reißen?
Wie auch immer, die Versuchung der Macht begleitet die menschliche Geschichte, auch wenn die dunkle Seite dieser Macht erstmal unter großen Opfern besiegt scheint.

Im Lukas-Evangelium beschreibt Jesus die erfahrbare Wirklichkeit:
In dieser Welt (die unter dem Einfluss des Bösen steht) unterdrücken die Herrscher ihre Völker, und rücksichtslose Machthaber lassen sich als Wohltäter feiern. (Lk 22,25)
Aber im Johannes-Evangelium verweist er auf die Konsequenzen dieses „Regierungsstils“, wenn die mit dem Leben der Botschaft Jesu beginnende neue Weltordnung Gottes sich durchsetzt: Für den Teil der Welt, die unter dem Einfluss des Bösen steht, ist die Zeit des Gerichts gekommen, in der der Herrscher dieser Welt vertrieben wird. (Joh 12, 31)
Die Hoffnung ruht nun auf dem president elected und darauf, dass Amerika sich wirklich als „GODs own country” erweisen wird.
Deutschland gedenkt jedes Jahr am 9. November der Umbrüche der deutschen Geschichte: Ende des Kaiserreichs, Reichsprogromnacht und den Fall der Mauer. Momente von Aufstieg, Opfern und Fall ungerechter und menschenverachtender Herrschaft.
GS 9. Nov 2020

Sei Original, keine Kopie

Das 2. Semester unter Coronabedingungen ist gestartet, unbemerkt, eher ruhig – unspektakulär fast besinnlich.
Zeitgleich zum Studienbeginn die Übernahme der Amtsgeschäfte durch die neue Oberbürgermeisterin – politisch unabhängig, aber zukunftsorientiert mit klaren Visionen für eine lebenswerte Stadt.
Newcomer brauchen einige Zeit der Orientierung und für viele Studierende ist der Studienbeginn ein Schritt in die Selbständigkeit, ein neuer Abschnitt auf ihrem Lebensweg mit Chancen und Risiken, Hoffnungen und Befürchtungen, ein Neuanfang, eine ZuMUTung sie selbst zu sein, Raum zu haben, um sich zu entwickeln, anzukommen, Orientierung zu finden … ihren Weg zu gehen – das Original ihres Lebens zu entdecken und zu leben.
Für die neue Oberbürgermeisterin ein Schritt in das politische Establishment, aus der Unabhängigkeit der Bürgerin in die Verbindlichkeit der politischen Gestaltung und Leitung.
Mögen all diese Newcomer sich treu bleiben, offen und mit der Vision einer lebenswerten Zukunft – das Original ihres Lebens und nicht die Kopie der Erwartungen.
GS 3. Nov 2020

Geh ruhig deinen Weg und wisse, welchen Frieden die Stille zu schenken vermag.
Steh mit allen auf gutem Fuß, aber gib dich selbst dabei nicht auf.
Sage deine Wahrheit immer ruhig und klar, und höre die anderen an, auch sie haben ihre Geschichte.
Wenn du dich selbst mit anderen vergleichst, wisse, dass Eitelkeit und Bitterkeit dich erwarten, denn es wird immer größere und geringere Menschen geben als dich.
Sei immer du selbst – vor allem: Heuchle keine Zuneigung, wo du sie nicht spürst.
Erwarte heilsame Selbstbeherrschung von dir. Sei freundlich und sanft zu dir selbst.
Lebe in Frieden mit Gott, wie du ihn jetzt für dich begreifst.
Was immer deine Mühen und Träume sind in der lärmenden Verwirrung des Lebens – nimm dir Zeit für deine Seele.
Du bist ein Kind, du bist ein Original der Schöpfung. Sei keine Kopie der Erwartungen, lebe als Original, gehe deinen Weg, lebe dein Leben.

Aus Irland (Entnommen aus: Peter Müller, Meine Sehnsucht bekommt Füße, München 2009, 179.)

Zuversichtlich bleiben

Während ich es niederschreibe und so dem Moderatorinnen-Appell von Frontal 21 folge und dem Rat eines Psychologen im WDR 2 Morgenmagazin, kommt es mir absurd vor. Ich befürchte in diesem Jahr einen doppelten November Blues, begründet in Schmuddel-Wetter, diffusem Tages-Licht oder sollte ich besser sagen Tages-Dunkel und dazu die täglichen Pandemie-Nachrichten resultierend aus mangelnder Einsicht und Solidarität in zunehmend größeren und jüngeren Bevölkerungskreisen.
Ich brauche keine apokalyptischen Fantasy-Romane zu lesen, die mich schon vor 30 Jahren in Pandemische Szenarien versetzten und so manche Depri-Mucke meiner Jugendjahre scheint wieder neu aufgelegt worden zu sein und schallt mir morgens beim Frühstück aus den Lautsprechern kommentierend entgegen: “This is the end …”
Nein ist es nicht!
Zuversichtlich bleiben ist kein euphemisierender Selbst-Therapie-Versuch, sondern gründet bei mir in der gött*lichen Selbstbezeichnung “Ich bin da” (Exodus 3) und in der Zusage Jesu „Ich bin gekommen, um ihnen das Leben zu geben, Leben im Überfluss.“(Joh 10,10)
Der November-Blues wird vorbei gehen, wie jedes Jahr. Und vom Corona-Blues kann ich Abstand halten zu meinem und der anderen Schutz.
Statt mich im Blues zu verlieren, muss mich fragen lassen: „Bist Du da?“ (Herbert Grönemeyer, Bist Du da – Tumult 2018)
Meine Antwort kann mir und anderen Zuversicht geben.
GS 28. Okt. 2020

Woher du kommst, das hast du nie verlorn
Was auch passiert, du schaust nach vorn
Es steht nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut,
Der Zeitpunkt ist noch günstig, dass sich was tut

Du kennst das Wort nicht, “kaltgestellt”
Du hast den Anspruch an die Welt, an die Welt

Bist du da, wenn Seelen verwaisen?
Bist du da, wenn zu viel Gestern droht?
Wenn wir verrohen, weil alte Geister kreisen?
Bist du da?

Herzensbarrikaden, wer kämpft noch für wen?
Wir meiden die richtigen Fragen, wir streunen ums Problem.
Du traust dem Impuls und bleibst immer kühl
Du erlaubst dir nicht, dich zu entziehn

Und deine Fassung ringt
Weil Fassung nichts mehr bringt, nichts mehr bringt

Bist du da, wenn Seelen verwaisen?
Bist du da, wenn zu viel Gestern droht?
Wenn wir verrohen, weil alte Geister kreisen?
Bist du da?

Du siehst den Glanz in tausend Augen.
Gibst einen Teil vom Glück zurück.
Verschleuderst haltlos dein Vertrauen.
Und du zierst dich nicht, du verzierst dich nicht
Zierst dich nicht
Geh voran!

Du bist da, wenn Seelen verwaisen.
Du bist da, wenn zu viel Gestern droht.
Wenn wir verrohen, weil alte Geister kreisen.
Du bist da

Du bist da in gottlosen Zeiten
Du bist da und haust es uns um die Ohrn
Du tust nichts, um dich zu beweisen
Du bist da

Leben mit Distanz

Auf Abstand gehen, social distancing war die erste angesagte Reaktion im März auf die Pandemie. In Kombination mit entsprechender Hygiene und Mund-Nasen-Schutz half sie das Infektionsgeschehen deutlich zu beeinflussen, verhinderte in Deutschland hohe Infektionszahlen und hielt entsprechend den tödlichen Verlauf der COVID Infektionen in -im europäischen Vergleich- niedrigen Grenzen.

Abstand und Teilabdeckung des Gesichts lässt das Gegenüber schwerer erkennen, beeinträchtigt die (non verbale) Kommunikation. Und es fehlt die direkte Berührung, die “Tuchfühlung”.

Andererseits lies die verordnete Reduktion auf den engsten Sozialkreis, die Lebens- und Wohngemeinschaft, diese Beziehung neu und intensiver erleben – und manchmal auch erleiden.

Leben auf und mit Distanz offenbart aber auch die oft flüchtige Beziehungstiefe und Tragfähigkeit unserer „Freundschaften“. “Aus den Augen, aus dem Sinn” ist dafür manchmal der sprichwörtliche und leidvolle Ausdruck.

Der heilige Franz von Assisi (1181 – 1226) hat Menschen seliggepriesen, die eine gute Fernbeziehung pflegen: “Selig der Mensch, der den anderen, auch wenn er weit von ihm entfernt ist, genauso liebt und achtet, wie wenn er mit ihm zusammen wäre.”

Ja, mir fehlt Dein Gesicht hinter der Maske, die Umarmung, der verbindende shake hands. …
Ich erhalte den inspirierenden Austausch beim Waldspaziergang, die Face Time, das Vis à Vis am Abend, die ausführlichen eMails, die an gemeinsames Erleben erinnernde Musik und die Bilder , wie Du so lebst und was Du erlebst.
Die Vertrautheit bleibt, weil ich Dich als Mensch, der Du bist, genau so liebe und achte – trotz Distanz.

GS 20. Okt. 2020

Dreamer – but not the only one

John Lennon, einer der großen Philosophen und Friedensaktivisten der Pop-Kultur, wäre am 9. Oktober 80 Jahre alt geworden. In seiner mitreißenden Ballade Imagine entwirft er seine Vision einer friedlichen, lebenswerten Welt ohne Ideologien und Religionen, ohne Machtansprüche und Gier – also ohne all das, wofür Menschen seit Jahrtausenden leben und sterben, kämpfen und getötet werden.
Er träumt den Menschheitstraum einer friedlichen Welt, einer vereinten Menschheit, von einem guten Leben für alle. – Im Video traumhaft inszeniert.
Dieser alte Menschheitstraum stand schon immer im Kontrast zur Wirklichkeit, ja war das Gegenbild zur erlebten Realität.
Solche Visionen eines Buon Vivir, insbesondere wenn sie von vielen geteilt wurden -„but I’m not the only one“- gaben eine Richtung, motivierten, sie wirklich-keit werden zu lassen.
Menschen, die ihr ganzes Leben einer solchen Vision widmen, nennen wir im religiösen Kontext Propheten. Sie treten immer dann auf, wenn unserer Gesellschaft, wenn der civil society eine tragfähige Perspektive für ein lebenswertes Leben fehlt, das sich am göttlichen Liebenswillen ausrichtet. So bei der Berufung des Propheten Samuel: „In jener Zeit kam es nur noch selten vor, dass der Herr zu einem Menschen sprach, Visionen waren nicht häufig …“ (1 Sam 3,1). Visionen sind zufällig, sie ergehen im Traum und wollen (mit-)geteilt werden. Manchmal brauchen sie die Deutung von Erfahrenen, von „Weisen“ Frauen und Männern und deren Mut machenden Rat, um zur Botschaft, zur Bewegung zu werden.
Was sie verkünden ist meist eine “unbequeme Wahrheit” (Al Gore), weil sie von uns Veränderung einfordert. Dafür werden Prophetinnen und Propheten gehasst, verfolgt und manchmal getötet (John Lennon wurde am 8. Dezember 1980 von einem Fanatiker erschossen).
In unserer Zeit, in der solche Visionen überlebensnotwendig sind brauchen wir begeisternde Prophet*innen und Songs mit einer bewegenden Botschaft, die die Welt vereint:
„ … I hope some day you’ll join us and the world will live as one.“

Umweltsorgsam

Eigentlich hätte die Enzyklika auch namensgebend mit “in brennender Sorge…” eingeleitet werden können, um der nach wie vor akuten Schöpfungszerstörung einen passenden, alarmierenden Ausdruck zu geben. Stattdessen lenkt Papst Franziskus vor 5 Jahren nach den Pariser Klimabeschlüssen der Weltgemeinschaft mit ” Laudato si … gelobt seist Du…“ den Blick auf die Schönheit der Schöpfung, unserer MitWelt, dem “gemeinsamen Haus”, das wir zugrunde richten und dessen Zerstörung wir zulassen. Meist sorglos (auf der Nordhalbkugel), oft ohnmächtig die Folgen erleidend (auf der Südhalbkugel), bewusst in Kauf nehmend aus kurzfristiger Gewinnsucht oder kurzsichtig aus dem Moment heraus sorglos lebend.
Die wissenschaftlich fundierte Welt-Katastrophen-Analyse der Enzyklika korrespondierte mit den fast gleichzeitig im September 2015 von der Staatengemeinschaft einstimmig beschlossenen “17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG)”
Mit “Laudato si …” entwickelt Papst Franziskus, anknüpfend am Sonnengesang des Hl. Franziskus, der genau so beginnt “Gelobt seist DU …”, Leitlinien einer ökologischen Spiritualität, denn wir brauchen für ein umweltsorgsames Engagement eine “Mystik, die uns beseelt, … innere Beweggründe, die das persönliche und gemeinschaftliche Handeln anspornen, motivieren, ermutigen und ihm Sinn verleihen” (LS 216) Es ist eine Spiritualität, die mit der Natur und in der Wirklichkeit der Welt gelebt wird in Gemeinschaft mit allem, was uns umgibt.(ebd.)
Er fordert eine ökologische Umkehr und erklärt den Schutz des Werkes Gottes zur Berufung eines christlich gelebten Lebens.
Drei Jahre nach Veröffentlichung dieser Enzyklika, angesichts einer immer noch nicht zur ökologischen Umkehr bereiten Staatengemeinschaft, stößt eine 16 Jährige mit ihren wöchentlichen Freitags-Schulstreiks gegen die Klimazerstörung eine weltweite (Jugend-)Bewegung an in der Hoffnung auf eben diese ökologische Umkehr – jetzt.
#fridaysforfuture findet in den Leitlinien einer ökologischen Spiritualität, im Leben und in der Botschaft des Hl. Franziskus, dessen Gedenktag der 4. Oktober ist und (vielleicht mit anderen Worten) im GEBET FÜR UNSERE ERDE von Papst Franziskus -das er mit allen Gott Glaubenden teilen will- eine gemeinsame, motivierende, spirituelle Basis.

GS 6. Okt 2020
Gebet für unsere Erde
Allmächtiger Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns,
die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen,
zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind
mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte in unserem Kampf
für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.

Laudato si, Nr. 246

Foto: Guido Schürenberg

“Weil sie an Gott glaubt!”

Mit diesem Ausruf begrüßt eine 60 Jährige Amerikanerin die Nominierung der Katholikin Amy Coney Barrett als Richterin für den Supreme Court, dem obersten Verfassungsgericht der USA (Zeit-Online, 27.Sept. 2020). Diese Begründung als Qualifizierung für das Richteramt hat mich irritiert und als Katholik provoziert.
Wäre dies ein Kriterium für die Nominierung von Richterinnen am Bundesverfassungsgericht? Und wäre ich davon begeistert? Unsere Gesellschaftsordnung in Deutschland und in der Europäischen Union versteht sich als Wertegemeinschaft, die sich den allgemeinen Menschenrechten der Vereinten Nationen verpflichtet fühlt. Sie integriert unterschiedliche Glaubensbekenntnisse und Weltanschauungen und bietet einen Grund-Gesetzesrahmen für ein friedliches Zusammenleben an. Bei aller gebotenen und auch gelebten Toleranz sind wertebasierte Positionierungen notwendig und Ausdruck von innergesellschaftlicher Vielfalt. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist aber immer da gefährdet, wo Extreme polarisieren. Dann den rechtlichen Rahmen in Erinnerung zu rufen und vom Grundgesetz her zu urteilen ist Aufgabe des Verfassungsgerichtes. Ja, es braucht Menschen in unserer Gesellschaft , die sich mit ihren Werten und Überzeugungen positionieren, die ihre Werte leben und auch in ihrer Lebensführung sich daran messen lassen als Lehrerinnen, Politikerinnen, Juristinnen, Managerinnen, Polizistinnen, Seelsorgerinnen, Kindergärtnerinnen, Ärzt*innen, … Sie machen unsere Gesellschaft stark, wenn sie ihre Werte, ihren Glauben und ihre Überzeugungen in den politischen und gesellschaftlichen Diskurs einbringen, sich in Frage stellen lassen und bereit sind voneinander und miteinander zu lernen und unsere Gesellschaft und ihre Regeln und Gesetze so weiterzuentwickeln.
Ideologisierte Rechtsprechung zerstört die freie und offene Gesellschaft.
Das Handbuch für ein Leben in Gerechtigkeit und Friede -die Bergpredigt- sagt daher: “Hört auf, andere zu verurteilen, dann werdet auch ihr nicht verurteilt. Denn andere werden euch so behandeln, wie ihr sie behandelt. Der Maßstab, nach dem ihr andere beurteilt, wird auch an euch angelegt werden, wenn man euch beurteilt.” und formuliert als Goldene Regel “Geht so mit anderen um, wie die anderen mit euch umgehen sollen. In diesem Satz sind das Gesetz und die Propheten zusammengefasst.” (Mt 7,1-2.12)
GS 29. Sept 2020

Wirklichkeiten

All unser Tun, aber auch unser Nicht-Tun bewirkt etwas. Jede*r von uns gestaltet und erlebt so seine eigene Wirklichkeit, wie auch die gesellschaftliche Wirklichkeit.
Meine Mutter, ein Kriegskind aus dem Ruhrgebiet, drückte ihr Gefühl angesichts mancher Situationen eher resignierend mit einer Phrase aus: “Da kannze nix machen!”. Die folgerichtige Konsequenz, gar eine Verhaltensoption blieb sie aber dann schuldig. Man erwartete immer ein …, als …: als warten, als nochmal von vorne anfangen, als aushalten, als zurückschlagen, als drüber nachdenken, …
Die Herausforderungen unseres Lebens jetzt, sind nicht weniger existenziell als vor 60 und mehr Jahren. Sie fordern uns heraus uns zu positionieren und zu handeln.
Wir erleben uns in Krisensituationen teils persönlich, teils gesellschaftlich. Krise kommt von krinein = sich entscheiden. Angesichts der großen, global wirksamen Krisen unserer Zeit Klimawandel, Flucht und Vertreibung, Pandemien, … und ihrer Folgen Hunger, Dürre, Flutkatastrophen, Krieg, Gewalt, Epidemien, gesellschaftliche Verrohung, Hass … kann ich nicht sagen „Da kannze nix machen“.
Vielleicht ist ein Unterschied zu “früher” – als auch vieles nicht gut war und manches sogar noch schlechter – dass wir mehr Möglichkeiten haben unsere Wirklichkeit zu gestalten; für uns und für die kommenden Generationen Mensch und andere Lebewesen auf diesem Planeten.
Allerdings trifft dieses mehr an Möglichkeiten auch auf immer komplexere Herausforderungen.
Unsere Reaktion: Reduktion der Komplexität durch Konzentration auf den Nahbereich.
Die passenden VolksWeisheitSprüche: „Mein Hemd ist mir näher als der (Geh-)Rock“ „Erstmal vor der eigenen Tür kehren!“
Das macht Sinn und wenn viele so handeln führt dies in der Summe auch zu globalen Veränderungen. Allerdings kommt es auf die gemeinsame Intention an. Sie ist die Motivation zur Gestaltung einer neuen Wirklichkeit – und einer lebenswerten Zukunft.
„Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten,
die viele kleine Schritte tun,
können das Gesicht der Welt verändern.“
Stefan Zweig, Österreichischer Schriftsteller (1881-1942)
GS 23. Sept 2020

Glaubend genießen

Ein Papstwort wurde in der vergangenen Woche mal wieder zum Aufreger. Bei den einen, weil sie diese Offenheit und Lebenszugewandheit der katholischen Kirche und ihren hochrangigen Vertretern nicht (mehr) zugetraut haben, und bei den anderen: Das kann doch nicht wahr sein!
Was hat er gesagt? “Gut gekochtes Essen und liebevoller Geschlechtsverkehr: Der Genuss von beidem ist “göttlich” (katholisch.de aus einem Interviewbuch von Carlo Petrini, Gründer der “Slow Food”-Bewegung)
Diese im Grunde alten, biblischen Weisheiten wurden den katholisch und auch evangelisch Glaubenden ja über Jahrhunderte vorenthalten, gar als Sünde und des Teufels etikettiert. Franziskus gesteht ein, dass eine “übereifrige Moral enormen Schaden verursacht habe, der in einigen Fällen auch heute noch stark spürbar ist…. Aber: Die Freude am Essen und die sexuelle Lust kommen von Gott”.
Paulus und die asketischen Mönchsbewegungen waren für diese Leib- und Lustfeindlichkeit sicherlich prägend, um sich von der Dekadenz der römischen Gesellschaft abzusetzen, die die egomanische Leibeslust eher vergöttlichte.
Die biblischen Geschichten schildern Jesus aber als lebenszugewandten Menschen, der genießen konnte und über den sich seine moralisierenden, orthodox-religiösen Gegner deshalb echauvierten: „Er ist ein Schlemmer und Säufer, und die schlimmsten Leute sind seine Freunde!«. (Mt 11,19) – Weil er nicht ihrem Bild eines vorbildlichen „heiligen“, weil gottgewollten Lebenswandels entsprach.
Papst Franziskus, der eher unkonventionell die kirchliche Lehre sehr lebens-offen präsentiert, geht es um das Leben als Geschenk Gottes. Wir dürfen es in Dankbarkeit und liebevollem Umgang miteinander leben, mit genussvollem Essen und liebevollem Sex – eben einfach göttlich.
Wie Jesus bei Johannes über sich sagt: Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben (Joh 10,10)
Ob sich die päpstliche Lebensweisheit allerdings auf die kirchliche Verkündigung auswirkt?
Wie sagt Jesus auf den Schlemmer-und-Säufer Vorwurf seiner Gegner: „Die Weisheit erweist sich als richtig, und zwar durch das, was sie bewirkt.“ (Mt 11,19)
2500 Jahre vor Papst Franziskus brachte der Weisheitslehrer Kohelet im Alten Testament diese auf den Punkt:
„So kam ich zu dem Schluss, dass es für den Menschen nichts Besseres gibt, als fröhlich zu sein und das Leben zu genießen. Wenn er zu essen und zu trinken hat und sich über die Früchte seiner Arbeit freuen kann, ist das Gottes Geschenk.“ (Kohelet 3,12f)
GS 16. Sept 2020

Hier und Jetzt

Immer wieder dominiert die Gespräche in meiner sozialen Blase die Corona-Situation:
Unverständnis für Maskenverweigernde und hin und her eiernde Entscheider und Politiker,
Bedauern für die ausgefallenen Begegnungen und entgangenen Erfahrungen,
Enttäuschung und Zynismus über die vertanen Präsenz- und Seelsorge-Chancen meiner Kirche,
Das Gefühl, sich ständig für das eigene Verhalten und die eigenen Ängste entschuldigen zu müssen,
Angesichts der Unplanbarkeit der Zukunft unverbindlich zu werden,
Immer einen Plan B (und C und D …) vorlegen zu müssen,
Skepsis über die Planbarkeit des Lebens an sich,
Der Verlust der Unbekümmertheit,
Das Positive nicht mehr zu sehen,
Das JETZT nicht zuzulassen,
LÄHMUNG,

Ein Freund bringt es auf den Punkt: UNGELEBTES LEBEN!
In der Bibel lese ich:
Der Apostel Paulus meint sich verteidigen zu müssen wegen einer unvorhersehbaren Planänderung und des möglichen Verdachtes, dass er unverbindlich mit seinen Freunden ist, was seine Botschaft unglaubwürdig machen würde. Er schreibt deshalb an seine Gemeinde in Korinth, dass er zu seinem Wort steht und das man sich auf ihn verlassen kann, genau wie auf Jesus Christus, den er verkündet und der das Ja Gottes zu dieser Welt und zu uns Menschen ist:
„Denn in ihm erfüllen sich alle göttlichen Zusagen. Deshalb sagen wir »Amen, So sei es“. Gott allein befähigt uns und euch, fest für Christus einzustehen. Er hat uns einen Auftrag erteilt und bestätigt, dass wir zu ihm gehören, indem er uns den Heiligen Geist ins Herz gab. Dieser ist eine Sicherheit für alles, was er uns noch schenken wird. (2.Koritherbrief 1)
Wenn ich also mein Leben als Gottes Geschenk annehme habe ich Gottes Zusage dazu, die mir die Kraft gibt es hier und jetzt zu leben.
Ein Gedicht von Christa Peikert-Flaspöhler, das ich in diesen Tagen auf einer alten Schallplatte vertont wieder entdeckt habe, motiviert mich dazu:
Die Zeit zu beginnen ist jetzt, der Ort für den Anfang ist hier
Hier und Jetzt will die Verheißung sprechen
Hier und Jetzt den Teufelskreis durchbrechen

GS 8. Sept 2020

Ins Gebet nehmen

Schon komisch, zum Thema Gebet fallen mir als erstes VolksWeisheitsSprüche ein wie: Not lehrt Beten – Da hift nur noch Beten – Den werde ich mal ins Gebet nehmen (bedeutet, dass man sich jemanden vorknöpft und ihn befragt, wobei dieser Rechenschaft über das ablegen muss, was er getan hat.)
Irgendwie wird Beten offensichtlich auf Not- und Krisen-Situationen fokussiert und vielleicht auch reduziert. “Beten heißt mit Gott zu sprechen – ob es darum geht, Sorgen und Ängste zu teilen, um Vergebung zu bitten oder zu danken.”(ekd.de). Der Aspekt des Dankens und überhaupt der kommunikative Aspekt fehlt mir manchmal.
Am 1. September 2015 rief Papst Franziskus auf, jährlich weltweit an diesem Tag für die (bedrohte) Schöpfung zu beten. In seiner Enzyklika LAUDATO SI hatte er von der “Sorge um das gemeinsame Haus” gesprochen, der Heimat und Lebensgrundlage der Menschheit. Diese gelte es als Gottes Geschenk und Auftrag zu schützen und nachhaltig zu bewahren.
Deshalb ruft er jährlich auf zum weltweiten gemeinsamen Gebet für die Bewahrung der Schöpfung.
Bei der Bewahrung der Schöpfung -ein christliches WertWort aus den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts- stellt sich die Frage, wer denn für die Bewahrung zuständig ist und irgendwie verharrt der Beter, in einer passiven Haltung. Er erwartet von Gott, dem Schöpfer die Bewahrung seiner Schöpfung. Dabei ist den Schöpfungserzählungen der Bibel zu entnehmen, dass Gott die Bewahrung, Pflege, Gestaltung seiner Schöpfung dem Menschen – also uns übertragen hat.
Von daher müsste eigentlich Gott uns, die Menschheit “ins Gebet nehmen”.
Seit 2 Jahren ist die Sorge um den Erhalt der Schöpfung und die Zukunft der Menschheit auf diesem unseren Heimatplaneten Thema der #fridaysforfuture-Bewegung. Die Jungen fordern von den Älteren radikale Maßnahmen gegen den zerstörerischen Klimawandel, um eine lebenswerte Zukunft für alle zu haben. Sie nehmen uns, die Boomer in die Verantwortung.
Dabei haben sie Papst Franziskus auf ihrer Seite, der den jährlichen Gebetstag für die Schöpfung nutzt, um die Verantwortlichen für Klimawandel, Ausbeutung und Zerstörung der Lebensgrundlagen zu benennen und “ins Gebet zu nehmen”:
“Länder und Unternehmen aus dem Norden sind durch die Ausbeutung der Naturschätze des Südens reich geworden” Dies habe zu einer “ökologischen Schuld” geführt. Diese Schuld werde umso größer, wenn “multinationale Unternehmen im Ausland das tun, was sie im eigenen Land nicht dürfen. Es ist ungeheuerlich”, warnt Franziskus und fragt: “Wer wird diese Schuld bezahlen?”
Der Papst bittet um Unterstützung und Gebet dafür, “dass die Ressourcen unseres Planeten nicht geplündert, sondern auf faire und respektvolle Weise geteilt werden.” Heute, nicht morgen, gelte es, “Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen”.
Damit sind wir alle gemeint und herausgefordert uns dieser Verantwortung zu stellen und umgehend entsprechend zu handeln – uns zu entschulden.
Dieser Gebetsinitiative schließe ich mich gerne, selbstkritisch und aktiv an.
GS 2. Sept. 2020

Stück vom Himmel, Herbert Grönemeyer 2007
Warum in seinem Namen?
Wir heißen selber auch
Wann stehen wir für unsre Dramen?
Er wird viel zu oft gebraucht
Alles unendlich, unendlich

Welche Armee ist heilig?
Du glaubst nicht besser als ich!
Bibel ist nicht zum einigeln
Die Erde ist unsere Pflicht!
Sie ist freundlich, freundlich
Wir eher nicht

Ein Stück vom Himmel
Ein Platz von Gott
Ein Stuhl im Orbit
Wir sitzen alle in einem Boot!
Hier ist dein Haus
Hier ist was zählt
Du bist überdacht
Von einer grandiosen Welt

Religionen sind zu schonen
Sie sind für Moral gemacht
Da ist nicht eine hehre Lehre
Kein Gott hat klüger gedacht
Ist im Vorteil, im Vorteil

Welches Ideal heiligt die Mittel?
Wer löscht jetzt den Brand?
Legionen von Kreuzrittern
Haben sich blindwütig verrannt
Alles unendlich, warum unendlich?
Krude Zeit

Ein Stück vom Himmel
Ein Platz von Gott
Ein Stuhl im Orbit
Wir sitzen alle in einem Boot

Hier ist dein Heim
Dies ist dein Ziel
Du bist ein Unikat
Das sein eigenes Orakel spielt
Es wird zu viel geglaubt
Zu wenig erzählt

Es sind Geschichten,
Sie einen diese Welt.
Nöte, Legenden, Schicksale, Leben und Tod
Glückliche Enden, Lust und Trost

Ein Stück vom Himmel
Der Platz von Gott
Es gibt Milliarden Farben
Und jede ist ein eigenes Rot
Hier ist dein Heim
Dies unsere Zeit
Wir machen vieles richtig
Doch wir machen’s uns nicht leicht
Dies ist mein Haus
Dies ist mein Ziel

Wer nichts beweist
Der beweist schon verdammt viel

Es gibt keinen Feind, es gibt keinen Sieg
Nichts kann niemand verleiden
Keiner hat sein Leben verdient
Es gibt genug für alle
Es gibt viel schnelles Geld
Wir haben raue Mengen
Und wir teilen diese Welt
Und wir stehen in der Pflicht

Die Erde ist freundlich
Warum wir eigentlich nicht?
Sie ist freundlich
Warum wir eigentlich nicht?

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