Oktober-Dezember 2022

Vaterschaftstest (zu Mt 1,19-24)

Joseph spielt eine bedeutende Nebenrolle in der Weihnachtsgeschichte, so wie sie im Matthäus-Evangelium erzählt wird. Mich interessiert nicht, ob er der biologische Vater oder „nur“ der Adoptiv Vater Jesu ist. Mich interessiert eher, ob er für Jesus ein Vater gewesen ist, der ihn geliebt hat und ihn so zur liebevollen Annahme der Menschen denen er begegnete befähigt hat. Mich interessiert, ob er ein „spiritueller“ Vater für Jesus geworden ist, der ihm den Glauben seiner Väter nahegebracht und diesen gelebt hat.

Eine „Rolle“ spielt er eigentlich nur im Matthäusevangelium – als Träumender, wie sein Namensvorfahr Josef, der Lieblingssohn von Jakob in der Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk.
Josephs Träume ermöglichen erst, dass Jesus in eine anerkannte und angesehene Familie hineingeboren wird und dass er durch die Flucht nach Ägypten dem machtbesessenen Morden, mit denen der Despot Herodes mögliche Konkurrenten, egal welchen Alters, beseitigen lies, entkam.
Träume, die Wege aufzeigen – Glaubensväter, die sie gehen.

Jesus konnte so, dank seines Vaters Josef, im schützenden Umfeld einer Familie sich entwickeln und seine Berufung finden.

Josef und sein Sohn Jesus haben den Heilsplan Gottes mit seinem Volk und der Menschheit angenommen und ihren Platz und ihre Aufgabe darin gefunden und gelebt – vorbildlich.

GS 20. Dez 2022

Der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer schrieb im Dezember 1944, ein viertel Jahr vor seiner Hinrichtung in seinem letzten theologischen Gedicht:

„Noch will das Alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
ach, Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das Du uns bereitet hast.“

Er ignoriert nicht die Belastungen, Nöte, Kriege und Krisen. Sie sind „Altlasten“, die da sind. Er erhofft sich für die Gott* Glaubenden, dass ICH-BIN-DA die „Seelen“ heilt und ihnen eine gute Zukunft gibt.

Das Ende des Weltkrieges und der Diktatur, die dazu geführt hat, hat er nicht mehr erlebt, dennoch hat ihn die Hoffnung auf „das Heil“ beruhigt und seinen Weg konsequent bis zur Hinrichtung gehen lassen.

Mit einem „Doppel-Wumms“ oder und ähnlich vollmundigem Politsprech werden die Krisen, Kriege und Katastrophen sich nicht von heute auf morgen und auch nicht übermorgen auflösen. Das neue Jahr 2023 wird weitere Herausforderungen, neue Sorgen, mit sich bringen und alte Probleme weitertragen. Das Jahr wird Zumutung sein, die wir nur mit Solidarität ertragen können und die uns herausfordern werden konstruktive Lösungen zu entwickeln. Das wird nicht ohne Verzicht möglich sein und der vertrauensvoll glaubenden Haltung Bonhoeffers:

„Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

In diesem Sinne wünsche ich uns allen den Segen dessen, der sich als ICH-BIN-DA bezeichnet und glaubhaft mitgehend als Gott* erwiesen hat.
Und ich hoffe auf ein Gutes Leben für alle und Frieden im neuen Jahr auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft.

GS 3. Jan 2023


Mundtod machen

ist schon immer die Strategie der Mächtigen, um störende Mahner und Verkünder*innen unbequemer Wahrheiten und/ oder wissenschaftlicher Erkenntnisse los zu werden. Propheten*innen, die mit zeichenhaften Handlungen und entsprechendem Lebensstil seit alters her öffentlich ihre Botschaft verkünden. Sie wurden von angestellten oder bezahlten Handlangern verhaftet, weggeschlossen, aus dem Verkehr gezogen. Manche verschwanden in ausgetrockneten Brunnen, andere in feuchten Kerkern, manchen wurde die Zunge herausgeschnitten, anderen -wie Johannes der Täufer wurde der Kopf abgeschlagen. Schreib- und Veröffentlichungsverbot, oft auch verbunden mit Haftstrafen ohne rechtsgültige Verurteilung. Prophet*innen-Schicksal auch heute immer noch und nicht nur in autoritären und gottesstaatlichen Gesellschaften und unter autokratischen oder religiösen Machteliten.

Propheten mahnen Haltungsänderungen an mit Blick auf eine lebenswerte Zukunft für alle. Dies stellt Machbarkeitsphantasien, soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit und Ausbeutung in Frage und fordert zur Umkehr auf, zur Abkehr von Sünden jeglicher Art und zur Hinwendung zu Gottes Willen für die Menschen.

Die Sehnsucht nach einer lebenswerten Zukunft für alle auf diesem Planeten ist angesichts der krisengeplagten Weltlage groß und auch die Bereitschaft sich für #weltretten einzusetzen wächst. Da stellt sich die berechtigte Frage nach der Wirkung der Initiativen und Aktivist*innen.

So auch die Frage des Johannes (Mt Evangelium zum 3. Advent) aus dem Gefängnis, vom Tod bedroht und aus Sorge, dass er in seinem Auftrag gescheitert ist an Jesus: „Kommt mit Dir die Rettung der Welt?“ Worauf dieser, genau wie heutige Aktivist*innen auf die Wirkungen verweist. So auch Luisa Neubauer am 11. Dez auf Instagram im Rückblick auf 4 Jahre #fridaysforfuture und die bewirkten Veränderungen in Gesellschaft und Politik.

Veränderungen und sie einfordernde Prophet*innen sind unbequem für uns, die wir uns in unseren Komfortzonen selbstzufrieden eingerichtet haben und für die an der Macht Klebenden bedrohlich.

Für unsere Zukunft sind sie überlebens-notwendig.

GS 12.Dez 2023


Nicht nur in der Vorweihnachtszeit

und nicht erst seit dem russischen Überfall wird in gut gemachten Werbeclips unsere Solidarität mit Kriegsflüchtlingen eingefordert und an unsere Spendenbereitschaft für Hungernde in Afrika und sozial Benachteiligte unter uns appelliert.

Die saisonale Spendenbereitschaft ist nach wie vor groß, auch wenn die Kriegsfolgekosten und die Energiesanktionen auch bei uns spürbar sind.

Ein bisschen abgeben vom Überfluss an die, die nichts haben, oder die alles verloren haben. Werbeclips vermitteln ein gutes, Herz erwärmendes Gefühl.Voraussetzung, um mit seinen Lieben unbeschwert Weihnachten, das Fest der Liebe und des Friedens feiern zu können.

Gerechtigkeit, Liebe und Frieden – Grundsehnsüchte nicht nur im Christentum, aber gerade dort mit der Botschaft Jesu vom Friedensreich eng verbunden und an Weihnachten als Geburt der „Menschenfreundlichkeit unseres Gottes“ (Paulus) gefeiert.

Der Apostel Paulus fordert daher die Solidarität der Starken mit den Schwachen, den Armen, Unterdrückten, Ausgebeuteten und den vulnerablen Gruppen der Gesellschaft ein, als eine der Grundhaltungen christlichen Lebens „Wir müssen als die Starken die Schwäche derer tragen, die schwach sind, und dürfen nicht für uns selbst leben. …“ (Röm 15,1)

Egoismen machen a-sozial. Und wenn die Vulnerablen auf Ungerechtigkeit, ja auf die Bedrohung der menschlichen Existenz hinweisen, die Abläufe stören, oder Infektionsschutz und ausreichende Gesundheitsvorsorge einfordern , sehen die Starken und Mächtigen ihre Freiheit bedroht und die Störer_innen werden als Klima RAF oder Feinde der Freiheit diffamiert.

Ein friedliches Weihnachtsfest und gesellschaftliche Solidarität braucht Gemeinsinn und dieser beginnt mit Respekt, Zuhören, Geduld, miteinander reden, Verständnis, Teilen, … Einsatzbereitschaft für eine gemeinsame, lebenswerte Zukunft.

Wenn alle Menschen „Guten Willens“ so miteinander umgehen würden, könnten wir gemeinsam Zukunft lebenswert für alle gestalten und das Gottesgeschenk der Geduld und des Trostes, des Gemeinsinns und der Harmonie untereinander (Römer 15,5) wäre nicht nur an Weihnachten spürbar.

GS 5. Dez 2022

Foto: Nastja Drofa

Ihr wisst, was die Stunde geschlagen hat!

Nach den enttäuschenden, eher mal wieder unverbindlichen Absichtserklärungen und CO2 Reduktionskompromissen der UN-Klimakonferenz in Ägypten hört sich diese Mahnung des Apostel Paulus (Brief an die Gemeinde in Rom 13,11) vor mehr als 1950 Jahren sehr aktuell an.

Das Zukunftsszenario, das Paulus beschreibt setzt auf eine gesellschaftliche Zeitenwende, geprägt von Gerechtigkeit und Liebe, die es jetzt zu realisieren gilt, damit sie gelingen kann. Er meint damit die Jesus-Vision vom Gottes Reich, in dem menschliches Macht-Gerangel und interessengeleitetes, egomanisches Agieren überwunden ist und das Gemeinwohl Ziel allen Handelns ist.

In unserer Konsumwelt ist nach Black Friday, mit Weihnachtsmärkten und unterschiedlichsten Adventskalendern die Zeit der Vorbereitungen und des ungeduldigen Wartens auf das Jahres-End-Konsum-Fest angebrochen. Die Gegen-Bilder und -Symbole zum Konsumfest sind : Das Licht, das ins Dunkel unserer Welt kommt; Menschwerdung; Frieden und Gerechtigkeit für die Armen und Unterdrückten. … Hoffnungsbilder einer lebenswerten Zukunft für alle – Weihnachten, das Fest der Menschenfreundlichkeit, der Liebe und des Friedens.

Die Adventszeit ist vor-weihnachtliche #besinnzeit, in der wir unser Leben überdenken sollen, ob wir es gelebt haben und leben wollen im Bemühen um Gerechtigkeit und Liebe und im Dienst am Frieden untereinander. Denn das sind die Maßstäbe, die Jesus in der Bergpredigt als Bedingung nennt für ein Leben in der Liebe Gottes, das wir an Weihnachten eigentlich feiern.

#advent – Vier Wochen Anlass und Chance zur Besinnung auf das, was die Stunde geschlagen hat und wie wir uns, unsere Gesellschaft und unsere Zukunft verändern können und wollen.

Für eine lebenswerte Zukunft im Gemeinsamen Haus, dieser unserer Welt, im Frieden untereinander und im Einklang mit der Gott geschenkten Schöpfung. – Neu Mensch werden!

GS 29. Nov 2022


Kinder in die Mitte!

Am 20. November feiert die Welt den internationalen Tag der Kinderrechte und die Katholische Kirche das Christ-König-Fest als Bekenntnissonntag.

Im Lukas-Evangelium stellt Jesus in einem Zeichen klar, was er von den Rangstreitigkeiten seiner Jünger hält: Er nahm ein Kind, stellte es neben sich und sagte zu ihnen: »Wer dieses Kind in meinem Namen aufnimmt, nimmt mich auf.«(9,46-48)
Jesus stellt sich auf eine Stufe mit den Schutzbedürftigen, den Kleinen und gesellschaftlich Ohnmächtigen und definiert so das Ranking der Achtsamkeit und Liebe, die das Reich Gottes prägen soll, das von seinen Jüngern -also uns- gelebt und gestaltet werden soll.
Kinder und ihre Rechte gehören ins Zentrum einer zukunftsfähigen Gesellschaft.

  1. Gleichheit Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Kein Kind darf benachteiligt werden.
  2. Gesundheit Kinder haben das Recht gesund zu leben, Geborgenheit zu finden und keine Not zu leiden.
  3. Bildung Kinder haben das Recht zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht.
  4. Spiel und Freizeit Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig zu sein.
  5. Freie Meinungsäußerung und Beteiligung Kinder haben das Recht bei allen Fragen, die sie betreffen, mitzubestimmen und zu sagen, was sie denken.
  6. Schutz vor Gewalt Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung.
  7. Zugang zu Medien Kinder haben das Recht sich alle Informationen zu beschaffen, die sie brauchen, und ihre eigene Meinung zu verbreiten.
  8. Schutz der Privatsphäre und Würde Kinder haben das Recht, dass ihr Privatleben und ihre Würde geachtet werden.
  9. Schutz im Krieg und auf der Flucht Kinder haben das Recht im Krieg und auf der Flucht besonders geschützt zu werden.
  10. Besondere Fürsorge und Förderung bei Behinderung Behinderte Kinder haben das Recht auf besondere Fürsorge und Förderung, damit sie aktiv am Leben teilnehmen können.

Die Umsetzung dieser Rechte wäre ein wirkliches Bekenntnis zu einer göttlichen Ordnung der Welt. Kinder dürfen nicht zur verzweifelten #lastgeneration werden, denen wir die lebenswerte Zukunft zerstören.

GS 22.Nov 2022


Apokalyptisch und brandaktuell

sind die Lesungen aus dem Lukas-Evangelium (z.B. Lk 21, 5-19) in diesen Wochen während der Klimakonferenz COP27 in Scharm El-Scheich

Die biblischen Bilder und Szenarien der Endzeit beschreiben auf der einen Seite die sich religiös gebenden und sich an dem schönen Schein, der heilen Welt Freuenden, aber für die Zeichen der Zeit, die auf radikale Veränderungen hinweisen und zur Umkehr auffordern blind sind. Auf der anderen Seite die Sensibilisierten und nach Zukunft Fragenden, die die ahnen und fürchten, dass das Ende der Menschheit droht in nicht zu kontrollierenden Kriegen und klimawandelbedingten Natur- und Umweltkatastrophen verheerenden Ausmaßes. Die Klimakonferenz COP 27 liefert die Bilder und Szenarien dazu, überlagert durch Kriege, Hunger, Flüchtlingselend in Echt-Zeit und hautnah.
Der Aufruf Jesu, sich dadurch nicht kirre machen zu lassen, weder durch pseudoreligiöse Prophetie, noch durch Kriege und andere Katastrophen, ist für uns irritierend.

Ich kann nicht einfach abwarten und all dem tatenlos zuschauen, es geht doch um meine, meiner Kinder und Enkel, um unser aller Zukunft!

Die Botschaft Jesu ist Zumutung: Ihr sollt und werdet Euch mit der Hoffnung auf ein Gutes Leben für alle der allgemeinen Resignation und dem Fatalismus entgegenstellen, auch wenn man Euch dafür der religiösen und gesellschaftlichen Diskreditierung, Shitstorms und Hatespeech ausliefert oder gar willkürlich ins Gefängnis steckt.
Fürchtet Euch nicht, „denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können“ (Lk 21,15)

Nach dieser Zumutung -nicht nur für Klimaaktivist*innen- ist Jesu Zusage auf Zukunft -„Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen“- Anfrage an mich, an uns: Wie möchte ich und können wir erfüllend und gut Leben? und was bin ich bereit dafür verantwortlich und nachhaltig zu tun?
Wie auch immer diese Zukunft sein wird, die Menschheit im gemeinsamen Haus dieser Welt wird eine Zukunft mit ICH-BIN-DA-Gott* haben – Gott* sei Dank.

GS 15. Nov 2022


Am Abgrund

Ich erinnere mich noch lebhaft an meine Angst angesichts einer waghalsigen Neugier.Tour unserer damals ca. 8jährigen Tochter an der bretonischen Steilküste. Es gelang mir eben noch sie am Hosenbund festzuhalten und schlimmeres, wie einen Absturz, zu verhindern.

Neugier und Über-Mut, Entdeckungs-Lust und Wagnis. – Hoch-Mut kommt vor dem Fall!

Worauf die versammelten Staatsfunktionär_innen und Vertreter_innen der Zivilgesellschaften der auf der 27ten Weltklima-Konferenz „vereinten“ Nationen bei steigendem Meeresspiegel am Ufer des Roten Meeres Folgen abschätzend schauen ist das existenzbedrohende Desaster menschenverursachten Klimawandels.

Die Warnungen werden seit 50 Jahren in den Wind geschlagen, die Propheten zunächst verhöhnt, später mundtot gemacht in ihren Wissensschafts-Bubblen.

Noch sagen die Optimist_innen „wir schaffen das – irgendwie“, die Pessimisten_innen oder besser Realist_innen „das absehbare Ende menschlicher Lebensmöglichkeiten auf diesem Planeten“ noch innerhalb dieses Jahrhunderts voraus. Dazwischen Ignorant_innen, Konsum-Fixierte, Sich-selbst-was-Gönnende, Zukunfts-Blinde, Veränderungswilligkeits-Frustrierte, … -ideen- und hoffnungslos.

Kipp-Punkte und ihre Folgen lassen sich nicht kontrollieren oder gar steuern, aber kurzfristig -das heißt sofort- realisierbare Handlungsoptionen, wie Tempo 100, eine radikale Verkürzung der Genehmigungsverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien und der dafür notwendigen Infrastruktur, Stopp der Leerflüge, Einführung einer #Kerosinsteuer und #CO2Kompensation im Luftverkehr, Subventionsstreichungen für Massentierhaltung, … würden den CO2 Ausstoß deutlich reduzieren.

Unseren CO2 ausstoßenden und zukunftgefährdenden Lebensstil können wir selbst beeinflussen. Wie wissen wir medial gut Informierten genau, wenn wir nicht den Kopf in den Sand stecken und unsere Komfortzone in Frage stellenden Infos wegdrücken.

Wenn das Wohl unserer Kinder und Enkel bedroht ist, greifen wir ein und zu – warum dann nicht oder nur zögerlich, wenn es um ihr und auch unser Zukunfts-Wohl geht?

Wir haben den Auftrag zur Weltgestaltung und Schöpfungserhaltung.

GS 8. Nov 2022

Foto: Johanna Hadasch

Bist Du noch zu retten?!

Diesen Entsetzensaufschrei meiner Eltern angesichts präpubertärer „Schandtaten“ klingt mir nicht mehr nachhaltig in den Ohren. Nach Schadensregulation blieben Lebenserfahrungen und Erinnerungen.

Sind wir noch zu retten?
Seit der amerikanischen Umwelt-Entwicklungsstudie GLOBAL 2000 (1978) und der immer sicht- und spürbarer werdenden Bewahrheitung dieser „unbequemen Wahrheit“ (Al Gore) stellt sich mir diese Frage immer drängender und die Entsetzensaufschreie werden immer hör- und sichtbarer nicht nur bei der #fff Bewegung, #lastgeneration oder #extinctionrebellion, sondern auch in der überwiegenden Mehrheit der Zivilgesellschaft weltweit.
Hilflos anmutende Schadensregulierungen scheitern an Polit-, Libertär-, National-, … Egoismen. Die Vision einer lebenswerten Zukunft für und auf unserer Erde -dem gemeinsamen Haus (Papst Franziskus)- sieht eher düster apokalyptisch aus.

Im Lukasevangelium (Lk 19, 1-10) sieht Jesus sich als „Retter der Verlorenen“, egal welcher Vergangenheit, Herkunft und Weltanschauung. Vorausgesetzt, dass sie sich ehrlich machen und ihr Handeln radikal neu ausrichten, die „Zeichen der Zeit“ erkennend, die auf Umkehr stehen (Mt 16).

Viele Menschen weltweit sehen diese Menschseins-bedrohenden Zeichen der Zeit, auch schon vor den aktuellen, zusätzlichen Welt-Krisen. Aber zu Umdenken, Verhaltensänderung und Verzicht, Gegensteuern und Zukunft erhaltendem, weltweiten, gerechtem und nachhaltigem Handeln fehlt offensichtlich Mut und Wille.

Am Ende dieser Woche versammeln sich Politiker*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft zur 27ten Klimakonferenz COP im ägyptischen Scharm El-Scheich auf der Sinai-Halbinsel, wo vor 3000 Jahren schon einmal Aufbrüche (Exodus) in eine lebenswerte Zukunft initiiert wurden. Vielleicht gelingt dort endlich und konkret ein weltweiter, gemeinsamer Aufbruch zur nachhaltigen Weltenrettung.
ICH-BIN-DA-GOTT* will der Menschheit immer wieder neu „eine Zukunft und eine Hoffnung geben“(Jer 29,11). Wir sind also noch zu retten – wenn wir es wollen!

GS 31. Okt 2022

#unterbrechungmittendrin #eineunbequemewahrheit #ichbindagott #COP27 #zeichenderzeit


Bigotte Selbstinszenierung

ich kann sie nicht mehr hören und sehen, diese selbstgerechte Inszenierung der eigenen religiösen Integrität und „Leistung“, meist im Gespräch innerhalb der katholischen Blase oder auch in den dazugehörenden KirchenMedia.
Das volle Programm katholischer Sozialisation, der regelmäßige „Messbesuch“, Kirchensteuer zahlen, Spenden für den guten Zweck… und dann hört es meist schon auf. „Praktizierende“ Christen, die auf die Frage, was sie denn glauben und welche Konsequenzen das für ihr Leben hat, nicht mehr zu sagen haben.
Bei den „Amtsträgern“ wird dies noch durch die uniforme Kleiderordnung und die Weihe-Liturgien besonders zelebriert: Das kollektive Niederwerfen vor dem Altar, die Salbung durch den ermächtigten und ermächtigenden Bischof und die „Handauflegung“ als Aufnahme-Ritus in die mitbrüderliche Gemeinschaft. „Der Priester ist kein Mensch wie jeder andere” zementiert Kurienkardinal Robert Sarah diese Inszenierung mit Blick auf die kirchliche Heilsordnung, die Hierarchie.

Jesus dagegen spiegelt seinen auserwählten Jünger*innen und den Christengemeinden in einer Geschichte (Lk 18, 10-14) was er von dieser bigotten Egomanie hält: Im Tempel, dem höchsten Heiligtum der Juden, beten gleichzeitig ein fundamentalistischer Pharisäer (ganz vorn im Tempel) und ein mit der römischen Besatzungsmacht kollaborierender Zolleinnehmer, „weit abseits“. Der eine grenzt sich mit seinen religiösen Leistungen im gemurmelten „Gebet“ von den „sündigen“ und minderwertigen „anderen Menschen, wie diesem Zolleinnehmer“ ab. Der religionsgesellschaftliche Aussenseiter betet: „Gott vergib mir! Ich weiß, dass ich ein Sünder bin“

Diese bekennende Selbsterkenntnis vor Gott macht ihn „gerecht“: »Denn alle, die sich selbst groß machen, werden von Gott gedemütigt, und alle, die sich selbst gering achten, werden von ihm zu Ehren gebracht.«

Es braucht zum glaubwürdigen Christsein mehr als eine entsprechend gradlinige Biographie. Aus der Selbsterkenntnis erwächst DEMUT – Mut zum Dienen. Diese leben ist praktiziertes Christsein – innerhalb und außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft.

GS 25.Okt 2022


Wir sind hier, wir sind laut,

weil Ihr uns die Zukunft klaut. Mit diesem Demo-Spruch machte sich die #fridaysforfuture Bewegung in Politik und Gesellschaft lautstark bemerkbar für ein Umdenken und Handeln in der Klimapolitik und eine entsprechende Veränderung des Konsum- und Lebensstils. Sie fordern ihr Recht auf eine lebenswerte Zukunft ein.

Dieser Spruch fiel mir beim Lesen des Lukasevangeliums ein, in dem der Kampf einer Witwe für ihr Recht geschildert wird und wo diese es schafft bei einem Richter, „dem Gott und die Menschen gleichgültig waren“ zu ihrem Recht zu kommen, weil sie ihm immer wieder auf die Nerven ging.

Witwen waren in biblischer Zeit in einer patriarchalischen Gesellschaft nahezu rechtlos der Willkür und Gutwilligkeit der Familie ihres verstorbenen Mannes ausgeliefert. Schutzlos, rechtlos, existenzbedroht!

Heute würde man sie zu den besonders „vulnerablen“, also verletzlichen, verwundbaren, Bevölkerungsgruppen zählen, wie „Frauen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderungen, Menschen auf der Flucht, LSBTI sowie ethnische und religiöse Minderheiten.“ (Definition des BMZ).

Trotz internationalen Absichtserklärungen zu einer klimafreundlichen Energie- und Verkehrswende scheinen den Entscheidern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft „Gott und die Menschen gleichgültig“ zu sein. Macht, Geld und individuelle Freiheit sind die maßgebenden Götter und die existenzbedrohende, weltweite Umweltzerstörung kein „Klimawende“-Handeln zu erfordern.

Der „rücksichtslose“ Richter gibt der nervenden Witwe schließlich nach: „weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen.“

Zukunftsignorante Machtinhaber und Entscheider, aber auch wir als wachstums- und konsumvernarrte Gesellschaft brauchen daher weiterhin lautstarke Präsenz und zeichenhaft handelnde Aktivist*innen von #fff, #extinctionrebellion und anderen prophetisch-radikalen Protestierenden, damit wir alle unser Handeln ändern, um eine lebenswerte Zukunft auf diesem vulnerablen Planeten zu haben.

GS 18.Okt 2022

Foto: Guido Schürenberg

Wegweisend und inspirierend

ist es auch nach 60 Jahren innerkirchlicher Auseinandersetzung. Das 2.Vatikanische Konzil wurde am 11. Oktober 1962 von Papst Johannes XXIII eröffnet und sollte „frische Luft“ in die traditionsgelähmte Kirche bringen und diese zum „Aggiornamento“ zum „heutigwerden“ führen.

Die Kirche sollte sich den Fragen der Zeit stellen und versuchen Antworten aus dem Glauben zu geben. Dazu müsste sie sich aber der Welt und den Menschen öffnen.
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, insbesondere der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“

Dieser Selbstanspruch gab der kirchlichen Aufgabenbeschreibung den Titel „Gaudium et Spes“ und provoziert bis heute hin die Anfrage, ob sie diesem Solidaritäts-Anspruch gerecht wird und auch entsprechend glaubwürdig handelt.

Strukturell und substantiell haben die Beschlüsse des Konzils keine wesentlichen Reformen bewirkt oder gar das Machtgefüge verändert. Die Beteiligung an Kirchenleitung von nicht Geweihten oder gar Frauen ist allenfalls beratend, und synodale Wege der substantiellen Veränderung von Lehrinhalten und Partizipation scheitern an Sperrminoritäten der Kirchenhierarchen. Dabei wäre ein Aggiornamento nicht nur in Fragen der Sexuallehre und dem Zugang zu kirchlichen Ämtern, sondern auch der Offenheit gegenüber anderen Religionen, Weltanschauungen und Kulturen dringend notwendig, um die Kirche aus ihrer gesellschaftlichen Irrelevanz herauszuführen und glaubwürdige Verkündigung und Handeln zu ermöglichen.

Im Lukasevangelium dieses Sonntages macht Jesus die Erfahrung, das Glaubwürdigkeit und Heilung eher von den vom religiösen Establishment Ausgestossenen und Andersglaubenden, wie dem aussätzigen Samariter, erkannt und in Dankbarkeit angenommen werden, während andere ihr Heil in den traditionellen Reinigungsritualen und Opferliturgien bei den Priestern suchen.

„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute …“ sind für mich auch nach 60 Jahren mit und in Kirche Anspruch und Herausforderung zu glaubwürdigem Leben und Handeln.

GS 11.Okt 2022


ENTSOLIDARISIERT

„mit Deiner Hilfe könnte …“ Dieser Satz auf einer Plakatwand sprang mir auf meiner Tag-der-deutschen-Einheit-Brötchen-kaufen-Tour im Vorbeifahren ins Auge.

Könnte, würde, … wenn ich, wenn wir bereit wären … uns mit den Notleidenden, den Armen, den Verfolgten, den Ausgestossenen, den Unterdrückten, den Ausgebeuteten, den Vulnerablen, den schutzbedürftigen Kindern und Jugendlichen, den überforderten und unterbezahlten Pflegekräften, den von Diktatoren überfallenen Völkern … solidarisieren würden.

Solidarität oder solidarisch bezeichnet eine zumeist in einem ethisch-politischen Zusammenhang benannte Haltung der Verbundenheit mit –und Unterstützung von– Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus. Der Gegenbegriff zur Solidarität ist die Konkurrenz.“ (Wikipedia)

Die derzeitigen Krisen haben unsere Gesellschaft entsolidarisiert, denn häufig ist neben Solidaritätserklärungen auch Handlungsbedarf, bzw. unterstützendes Teilen oder Verzicht auf Konsum gefordert. Zumutungen und Einschränkungen, insbesondere wenn sie den individuellen Lifestyle und die persönliche Freiheit betreffen, werden von weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend abgelehnt und von polarisierenden Politiker*innen wortstark (Sozialtourismus) desavouiert. Die verbalen Wertegemeinschaften sind längst zu Interessen gesteuerten, exklusiven Clubs geworden und das Gegenteil einer offenen, humanitären Weltgemeinschaft auf der Suche nach einer lebenswerten Zukunft für alle.

Christliches Handeln lässt sich von Jesu Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe, von Gerechtigkeit und Friedenssuche leiten und zeigt sich glaubwürdig, solidarisch handelnd auch in Krisenzeiten. Nur so gelingt die Transformation unserer Gesellschaft für eine lebenswerte Zukunft – und mit meiner Hilfe wird die Welt ein bisschen lebenswerter.

GS 4.Okt 2022

Foto: Asli Yüksel
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