August – Oktober 2023

Lebenshaltungs-Priorität

Was sind die wichtigsten Werte, Einstellungen, Haltungen für mein Leben?
Offenheit, Vertrauen, Gerechtigkeit, Liebe, Hoffnung, Zuversicht, …

Jesus wird stattdessen nach dem wichtigsten Gebot der göttlichen Gesetze gefragt (Matthäus 22). Die Absicht: Ihn aufs Rechtgläubigkeits-Glatteis zu führen. Jesus antwortet souverän mit einer Zusammenfassung der Grundwerte und Grundhaltungen der Gottes-Lebens-Gebote: »›Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand!‹
und ›Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst!‹ Er verbindet also die Gottesliebe mit der Liebe zu den Mitmenschen, zu denen ja auch die Feinde gehören. Die Gottesliebe ist unglaubwürdig ohne Nächstenliebe. Sie ist Grundhaltung und oberster Wert eines gottorientierten Lebens..

In unseren Zeiten allgegenwärtigen Hasses und daraus resultierender Gewalt scheint das leben dieser Grundhaltung übermenschlich, ja heilig – unrealistisch. – Aber es ist der von Jesus konsequent vorgelebte Weg den Hass zu überwinden und Versöhnung zu ermöglichen.

Ein ursprünglich israelisches Liebeslied klingt mir dieser Tage in den Ohren. Es wurde in den 1960er bis 1980er Jahren als „Erev shel shoshanim“ (Joef Hadar/ Moshe Dor) sehr populär und von internationalen Sängerinnen und Sängern vielfach interpretiert. Eine christliche deutsche Übertragung „Kennst Du das alte Lied…“ fand in den 1980er Jahren Eingang in die kirchlichen Gesangbücher. „Lied, das von Gottes Zukunft singt und von Gerechtigkeit. Menschen sind unterwegs, aus Reichtum und Sklaverei, hoffen, dass Gottes Hand sie führt, träumen sich endlich frei.“ Dieser Text nimmt Bezug auf Jesu „Weg der Liebe und Menschlichkeit“ und stellt die Frage, ob auch wir bereit sind „diesen Weg zu gehen, selbstlos und hilfsbereit“

Eine herausfordernde Anfrage an meine Lebenshaltungsprioritäten und an die Christen der Welt ein Aufruf dem Hass Liebe entgegen zu setzen.

GS 30. Okt 2023


Auf Hass mit Liebe antworten

und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit … durchsetzen kann.

Diese radikale und unangepasste Botschaft Salman Rushdies könnte eine aktualisierte Adaption der Botschaft Jesu sein, glaubwürdig und lebensbejahend zugemutet, trotz 35 Jahre erlebter und erlittener Verfolgung und Mordversuche durch fanatische Muslime, aufgestachelt durch Ajatollah Chomeini.

Es ist der beunruhigende, radikale Aufruf zur Feindesliebe nicht nur in Kriegszeiten, sondern als namengebende Friedenshaltung (Salman = friedlich) und sein Einsatz für Freiheit, für das er mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels geehrt wurde.

Auf Hass mit Liebe antworten ist zu allen Zeiten der gewaltlose und daher schwierigste Weg zum wort- und wesensverwandten Salam und Schalom (Frieden, Wohlergehen, Heil), das religionsübergreifende Ziel menschlichen Lebens.

Die Propheten des Schalom (Jesus, Mohammed – Islam bedeutet Frieden, Sicherheit und die Hingabe an Gott, Franziskus -versuchte während des Kreuzzuges 1219 zwischen Muslimen und christlichen Kreuzfahrern Frieden zu erwirken-, Mahatma Gandhi -versuchte mit gewaltfreien Aktionen Indien von der englischen Kolonialherrschaft zu befreien-, … bis zu den gewaltfreien Aktionsgruppen unserer Tage und Krisen) wurden zu allen Zeiten gehasst, verfolgt, zum Schweigen gebracht und getötet. Ihre Botschaft wurde lächerlich gemacht und diskreditiert, weil sie Macht, Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Gewalt in Frage stellt.

Auf Hass mit Liebe antworten und sich die Hoffnung auf Frieden bewahren ist unsere Herausforderung.

Bin ich, sind wir dazu bereit? – Die Liebes-Worte und -Taten werden uns dann schon gegeben.

GS 24. Okt 2023


Lebens-Not-Wendigkeiten

Was brauche ich eigentlich wirklich? Diese Frage stelle ich mir in diesen Multi-Krisen-Tagen immer öfter, während ich die Herbsttage am Meer genieße. Rückblickend auf mein bisheriges Leben lässt mich dankbar sein für die Erfahrungen in und mit weitgehend intakten, liebevollen Familien-Erfahrungen, mit erfülltem Arbeitsleben und einem Leben in gesichertem relativen Wohlstand.

Dennoch die Sorge um die Zukunft der Kinder und Enkel, die Kriege und Konflikte weltweit und heimatnah, Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts der Existenzbedrohung der Menschheit durch Erderhitzung, Hunger und Gewalteskalation.

Dagegen die Gelassenheit und Zuversicht des Paulus: „Ich kann Not leiden, ich kann im Wohlstand leben; mit jeder Lage bin ich vertraut. Ich kenne Sattsein und Hungern, ich kenne Mangel und Überfluss. …Gott, dem ich diene, wird euch alles geben, was ihr braucht“ (Philipper-Brief 4,12+19)

Was brauche ich – wirklich? Und habe ich diesen Glauben und diese Zuversicht?

Wirkliche Not habe ich noch nicht erleben und ertragen müssen und die Klimagerechtigkeit-Zumutungen sind eher eine Frage des Einsehens, des Wollens und des konsequenten Handelns. Ich kann in Freiheit verzichten, während andere in existenzieller Not das Not-Wendigste entbehren.

Grund dankbar zu sein und das, was ich tun kann für eine lebenswerte Zukunft auch wirklich und ehrlich zu versuchen und dankbar Wohlstand zu teilen, statt zu insistieren, dass ich mir diesen Wohlstand und Reisen doch verdient habe und mir ruhig mal was Gönnen darf.

Möge der ICH-BIN-DA GOTT* den existenziell Bedrohten, das geben, was sie brauchen – auch durch mich!

GS 17.Okt 2023


Hilflos gegen den Hass

Der brutale und massive Terroranschlag der Hamas gegen Israel und die dadurch ausgelöste erneute Spirale der Vergeltungs-Gewalt, die gnadenlose Geiselnahme von mehr als 150 Zivil-Personen, Frauen und Kindern und die unbarmherzige Demütigung, Vergewaltigung und Schändung der Opfer provoziert bei mir lähmende Ohnmacht und Hilflosigkeit.

Der tiefverwurzelte Hass, oft pseudo-religiös aufgeladen, ist seit Jahrtausenden in Palästina und mittlerweile globalisiert tief verwurzelt. Er findet sich auch in biblischen Mythen vom Brudermord (Kain und Abel, die Söhne des Adam) oder in der Vertreibung Ismaels des Erstgeborenen Abrahams mit seiner ägyptischen Sklavin Hagar. Ein Gottesbote prophezeit über ihn: „Dein Sohn wird wie ein wildes Tier sein, das niemand bändigen kann. Er wird mit jedem kämpfen und jeder mit ihm. Voller Trotz bietet er seinen Verwandten die Stirn.« (Genesis 16,12). Aber Ismael soll der göttlichen Verheißung nach Stammvater eines großen Volkes werden.

Triebfeder des Hasses in diesen Geschichten ist der Neid auf die von GOTT* Erwählten, die anscheinend von den Vätern mehr Geliebten, ungerecht Bevorzugten, ihr Landbesitz, ihr wirtschaftlicher Erfolg und ihre damit einher gehende Macht.

Jesus musste mit seiner Liebes- und Friedensbotschaft scheitern, weil er der Spirale von Gewalt und Gegengewalt den Weg der Feindesliebe entgegensetzte und die Gewaltlosigkeit predigte.

Ihm nachfolgend müssten die in Israel vielfältig präsenten Christlichen Gemeinschaften und Kirchen Initiatoren von Friedensinitiativen sein mit Verweis auf die doch gottgewollte friedliche Ko-Existenz im „Heiligen Land“.

Jedoch im Moment überlagert der Jahrtausende alte Hass unter den abrahamitischen Religionen alles und erzeugt Hilflosigkeit.

Hilflosigkeit auch bei mir und bei vielen im sicheren Europa, konfrontiert mit antisemitischem Hass nicht nur in den Jubelfeiern radikaler Sympathisanten der Hamas, sondern im schon fast alltäglichen Antisemitismus islamistischer Gruppen und immer mehr auch im rechten, nationalistischen Gesellschaftsspektrum. Hass, der unsere offene Gesellschaft vergiftet.

GS 11. Okt 2023


Ernte- und Einheits- Dank und Gedanken

Anfang Oktober, bei hochsommerlichen Temperaturen und strahlend blauem Himmel dankbar sein für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die für unseren saisonal und regional unabhängigen Konsum in südlichen Ländern mit wachstums-unterstützender Chemie unter Plastikfolie gezogen und von ausgebeuteten afrikanischen Saisonarbeitern geerntet, in vollklimatisierten Supermärkten für uns Verbrauchende zu unfairen Preisen bereitgestellte Agrarprodukte, ist -ich weiss nicht wie ich es nennen soll- zynisch? makaber? höhnisch? – Aber vielleicht doch Not-wendig.

Notwendig, weil wir weitgehend den Bezug zu unseren von der Natur bereitgestellten Lebensgrundlagen verloren haben und die Leistung des Züchtens, Pflegens und der Zubereitung dieser LEBENS-MITTEL nicht mehr würdigen. Wir konsumieren sie selbstverständlich und manchmal auch geniessend, ohne uns der dahinterstehenden Natur und Menschen ausbeutenden Produktionsweisen und Lieferketten bewusst zu sein.

Dankbar sein für „Frucht der Erde und menschlicher Arbeit“,wie es in der katholischen Liturgie heißt, dankbar sein für diese Erde, das gemeinsame Haus (Papst Franziskus), dankbar sein für das Geschenk unseres Lebens und die Lebens-mittel, die wir dafür brauchen. Denn all das ist bedroht durch die Erderhitzung, an der wir alle Anteil haben und deren verheerende Folgen wir immer mehr spüren und erleben weltweit. Der Heilige Franziskus (Gedenktag 4.Okt) hat diese Dankbarkeit trotz Kriegen und Konflikten, Armut und Not und schwer krank in seinem großartigen #sonnengesang ausgedrückt.

Unsere Dankbarkeit müsste Impuls sein für politisches Handeln und nachhaltiges Wirtschaften in dieser Multi-Krisen-Zeit. Aber dazu braucht es den Konsens in der Gesellschaft, die Solidarität und den gemeinsamen Willen in vielbeschworener Einheit sich glaubwürdig zu engagieren.

Wir, nicht „die da in …“ können durch unser Handeln -noch- die Klimaziele erreichen und -hoffentlich- die Klimakatastrophe ertragbar halten. Dazu müssen wir Einheit fördern und Spaltung verhindern und unbequeme Zumutungen „in Kauf nehmen“ – für unser aller lebenswerte Zukunft.

GS 3.Okt 2023


Kommunismus oder Gottes Reich?

Wenn man Jesu Gleichnis-Rede vom Weinbergbesitzer, der seinen Tagelöhnern den gleichen Lohn zahlt, unabhängig von den geleisteten Arbeitsstunden (MT 20,1-16) heute hört, dann könnte man dies für kommunistische Indoktrination halten und wäre sofort in der aktuellen politischen Debatte über Lohngerechtigkeit, dass Leistung sich lohnen muss und Bezieher_innen von Sozialleistungen faul sind, die nach Deutschland Fliehenden nur in unsere Sozialsysteme einwandern wollen und überhaupt unser Wohlstand durch all dies gefährdet sei.

Jesu Botschaft vom GOTT*es Reich der Gerechtigkeit und Liebe hat der Priester, Dichter und Marxist Ernesto Cardenal bereits zu Beginn der 1970er Jahre in seiner Vision für Nicaragua in eins gesetzt: „Kommunismus oder Gottes Reich auf Erden, das ist gleich“.

Ausbeutung, Unterdrückung, Ungerechtigkeit -also unsere weltweite Realität- stehen demnach der GOTT* gewollten Weltordnung entgegen, ja verhindern diese und die Botschaft Jesu lautet, das es an uns ist dies durch unsere Lebens- und Liebes-Praxis zu durchbrechen, eben GOTT*es Reich im Hier und Jetzt zu realisieren.

Und unsere Reaktion auf diese revolutionäre Gerechtigkeits-Vision? – Ungerecht! Unmöglich!

Oder doch die Vision von einem #guteslebenfüralle, dem #BuenVivir, der Philosophie der indigenen Völker Südamerikas?

Ernesto Cardenal (+2020): „Wenn es so ist, dass also keiner mehr Privilegien vor den anderen hat, dann – so steht es im Evangelium – hat die Gerechtigkeit begonnen.”
„Das gemeinschaftliche Eigentum ist heiliger als das Privateigentum; Gott hat den Reichtum für alle geschaffen und nicht nur für einige Wenige. Gott hat uns als Sozialisten erschaffen, weil er uns wollte und uns braucht.“

Die Botschaft Jesu vom GOTT*es Reich will „Wohlstand“ für alle auf der Basis von Liebe und Gerechtigkeit. Damit dies (er-)lebbar ist braucht es eine Erneuerung unserer menschlichen Gesellschaft und die Abkehr von jeglichen Egoismen. Es ist die Vision einer lebenswerten Zukunft für alle.

„Ich singe ein Land, das bald geboren wird. Nur der Mensch muss noch kommen …“ (Die Vision)

GS 27. Sept 2023


Nachtragend

Da ist was schief gelaufen mit einer Person, der wir verbunden sind, sei es verwandtschaftlich oder im sozialen Umfeld einer Nachbarschaft, im Freundeskreis, in der Gemeinde, im Verein … . Wir entschuldigen uns –aber nicht wirklich-, „um des lieben Friedens willen“, „wir wollen ja keinen Bruch riskieren“, „was auf die Goldwaage gelegt“, „es muss ja auch mal gut sein“ – wie auch immer die selbst-beschwichtigenden Formeln lauten. Die Wunde bleibt und wird zur belastenden Dauerkrise. Auch nach einer Trennung schwärt sie weiter. Schuld?

Da hören wir im Matthäusevangelium (18, 21-35) wir sollen „von Herzen verzeihen“ nicht nur einmal uns entschuldigen und dies ritualisiert wiederholen („es muss ja auch mal gut sein“), sondern aus innerster Überzeugung, um der Beziehung willen. Jesus redet hier von Brüdern und Schwestern, um die Intensität der sozialen Beziehung zu beschreiben. Es geht nicht um Facebook-Freundinnnen und „Bekannte“, „Kollegen und Kumpel“ … , sondern „von Herzen verzeihen“ hat was mit Liebe zu tun. Liebe braucht das unvoreingenommene Verzeihen und das Selbst-Eingestehen von Fehlern. Erst dann ist ein Neuanfang, trotz allem möglich.

„Sei doch nicht so nachtragend!“ „Lass den alten Kram doch ruhen“ sind Appelle, die den Riss in der Beziehung nicht schließen, auch nicht bei kollektiver Schuld und politischem Versagen.

Werden unsere Kinder und Enkel uns unser schuldhaftes Verhalten und den Raubbau an den Lebens-Grundlagen ihrer Zukunft verzeihen können? Und haben wir ihnen gegenüber unsere Mit-Schuld schon glaubwürdig eingestanden, ja uns selbst eingestanden?

Eine Entschuldungsinitiative und gemeinsame -Strategie ist nur unvoreingenommen und „von Herzen“, aus Liebe möglich und braucht eine lebenswerte Perspektive.

Am 20. September ist #weltkindertag und die Vollversammlung der Vereinten Nationen berät in diesen Tagen Strategien, um die 17 Sustainable Development Goals #sdg entsprechend ihrer AGENDA 2030 #sdgportal noch zu erreichen. Anlass genug unsere Welt aus der Perspektive der Kinder und deren Zukunft anzusehen und mitzugestalten.

Entschulden und „von Herzen verzeihen“, um einen Neuanfang zu wagen.

GS 19. Sept 2023


Ambitionsniveau

Ich soll meine Lebenspraxis als Christ am Liebesgebot messen, so wie es Paulus im seinem Grundsatzbrief über den Glauben an die christliche Botschaft an die Römer formuliert: „Alle Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.« Wer liebt, fügt seinem Mitmenschen nichts Böses zu.“ (Römerbrief 13,9f).

Damit ist die Messlatte hoch gelegt – ambitioniert! Aber egal, ob Christ oder anderer Weltanschauung, dieser Grund-Satz ist eingegangen in das Weltethos der Vereinten Nationen. Das Weltethos ist die Formulierung eines Grundbestandes an ethischen Normen und Werten, der sich aus religiösen, kulturellen und zum Teil auch aus philosophischen Traditionen der Menschheitsgeschichte herleiten lässt.

Obwohl also Grundlage menschlichen Zusammenlebens auf dieser Erde ist die Umsetzung im täglichen Leben und Arbeiten eher ambitioniert als realistisch. Fehlt es mir am Willen oder an positiver Erfahrung? Oder ist diese Aufforderung als göttliches Gebot nur lästig, weil ich mir und wie ich zu leben habe nicht von einer übermenschlichen Instanz vorschreiben lassen will, meine Freiheiten einengend?

Oder aber stört mich die Zumutung der Selbstliebe als Maß der Mitmenschenliebe.

»Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.« zitiert Paulus aus den 10 grundlegenden Verhaltensregeln, den 10 Geboten, die das Volk Israel aus der Erfahrung mit dem befreienden ICH-BIN-DA, dem GOTT* der mit ihnen durch dick und dünn geht als Grundgesetz in Stein gemeißelt hatte. Der Anspruch ist also realisierbar und aus Erfahrung auch des immer wieder Scheiterns dennoch ein täglicher Impuls, um der Menschheit eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen:

„Macht Ernst damit – und das erst recht, weil ihr wisst, was die Stunde geschlagen hat! Es ist Zeit für euch, aus dem Schlaf aufzuwachen.“ (Römerbrief 13,11)

Auch wenn diese Kriegs, Krisen- und Konfliktzeit und das tägliche soziale und politische Leben es schwer macht, will ich mich immer wieder neu diesem Anspruch der Selbst- und Mitmenschenliebe stellen – hoffend auf Gegenliebe, die den Hass überwindet.

GS 13.Sept 2023


Same procedure as last year?

Seit nunmehr 60 Jahren läuft an Sylvester auf allen ARD Programmen der Sketch DINNER FOR ONE. Millionen von Fernsehzuschauer*innen werden ihn mitsprechen können und an den gleichen Stellen lachen, obwohl in schwarz-weiss und szenisch aus der Zeit gefallen.

Wir lachen über diese Spiegelung unserer Sehnsucht nach Stabilität, nach den immer wiederkehrenden Routinen und Situationen, die uns Sicherheit geben, scheinbar zeitlos. Cocooning. während die Welt draußen -ausgeblendet- in Katastrophen versinkt, leben wir routiniert im Augenblick.

Rückzugszeiten und -orte brauchen wir, um unsere täglichen Routinen zu unterbrechen, inne zuhalten, uns Zeit und Raum zu nehmen zum Nach-Denken, Welt anschauen, Zukunft in den Blick zu nehmen, zu bewerten, Möglichkeiten zu entdecken und Realisierungen zu planen.

Same procedure as every year missachtet Entwicklungen und verhindert Kreativität und Innovation.
Die Wiederholung des Gewohnten ignoriert die veränderte Wirklichkeit. Die ihr lieb gewordene Standesgesellschaft der Miss Sophie wird nur noch durch einen ihr Dienenden repräsentiert und konserviert.

Die sonntägliche Messe mit ihren vertrauten Riten, mit ihren klaren hierarchischen Rollenverteilungen waren für mich lange Zeit lebensbegleitende Besinnungszeiten und Kraft-Orte, aber sie ist auch eine solche, fast schon ideologisch aufgeladene (jeden Sonntag Ostern feiern), Routine geworden. Die Teilhabe Sollenden werden immer weniger, weil der Ritus kaum etwas mit ihrem normalen Alltagsleben zu tun hat und weder der Ort für Reflexion und Ruhe ist, noch durch den engen Ritus wirksam Partizipation ermöglicht. Die Botschaft Jesu und ihre Deutung auf „die Zeichen der Zeit“ kommt zu kurz, weil Wandlung und Kommunion das Wichtigste ist.
Letztlich, mit Blick auf die Entsendung in die Welt (gehet hin in Frieden), bleibt diese sonntägliche Kirchen-Gesellschafts-Routine irrelevant. „I‘ll try to do my very best“ verbleibt im Kirchen-Kokon. und verstärkt durch Distanz zur Welt die Irrelevanz.
Vor 60 Jahren war „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger*innen Christi“ Leitbild für kirchliche Wirksamkeit. Diesen Anspruch ernst nehmen und als vielfältige und farbige Sendung zu leben wäre auch heute relevant – für mich und die Welt.

GS 9. August 2023

Foto: Guido Schürenberg

Als wenn alles beim alten wäre -eine Normalitätssimulation-

so hören wir Jahr für Jahr seit fast 2000 Jahren die biblische Botschaft vom Gottesreich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens in Bildern aus der Lebenswelt der Menschen vor 2000 Jahren. Sie spiegeln deren Alltagserfahrungen wieder. Bilder von Arbeit, gerechtem Lohn, Befreiung, Versöhnung, … Bilder eines lebenswerten Lebens, geschenkt und nicht aufgrund von Leistung verdient. Aber wir verstehen sie und die Botschaft nicht wirklich und wirkungsvoll.

An uns, den heutig Hörenden, ist es diese Bilder und vor allem die sie beschreibenden Werte immer wieder neu in unsere Lebenswelt zu übertragen und das Leben entsprechend dem Willen Gottes -und nichts anderes meint das biblische Reden vom Gottesreich- in unsere Zeit, Erfahrungs- und Ideenwelt, in einer glaubwürdigen, attraktiven, heutigen Sprache zu erzählen und zu vermitteln.

Nur so kann diese zeitlose, begeisternde Botschaft gesellschaftlich relevant werden, Antworten auf uralte Menschheitsfragen und auf Zukunfts-Fragen geben, die sinn-voll sind. Bilder, Sprache, Narrative müssen sich orientieren an dem was das 2. Vatikanische Konzil vor mehr als 50 Jahren mit „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen“ bezeichnet hat.

Jesus kündigt am Ende seiner Gleichniserzählungen vom Gottesreich (Mt 13) an, dass es dazu neue Botschafter_innen des Gottesreiches braucht, „die gelernt haben, was es mit dem Gottesreich auf sich hat“ (Mt 13,52). Nur diese sind in der Lage alte Weisheiten und neue Lebenserkenntnisse miteinander in Beziehung zu bringen und sinn-voll zu vermitteln. Also von der biblischen Botschaft überzeugte, lernende, im heutigen Leben stehende und dieses immer wieder neu reflektierende, kommunikative und prophetische Menschen sind gesucht, die sich von diesem Anspruch in Dienst nehmen lassen – unabhängig von Herkunft, Lebensstand und (zugewiesenem) Geschlecht. Und möglicherweise auch ohne kirchliche Sozialisation und ausdrückliche Beauftragung. Einfach begeisterte und begeisternde Christen-Menschen.

GS 1. August 2023

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