Mai – September 2022

Zukunftsignoranz

Wir haben uns in einer Normalitätssimulation eingerichtet, die uns erlaubt in unserer Komfortzone dem Augenblick zu leben und vielleicht auch das Sekundenglück zu genießen, ohne uns Gedanken machen zu müssen um unsere private, wie gesellschaftliche Zukunft.
Unser politischer, wie gesellschaftlicher Umgang mit den derzeitigen Krisen ist von einer lähmenden Zukunftsignoranz geprägt. Sowohl Wissenschaftler, wie auch einige weiterdenkende, nicht-Wahlkampf-fixierte Politiker*innen werden wie lästige, unerwünschte Propheten*innen mit ihrer Botschaft des Verzichtes und der Umkehr und gesamtgesellschaftlichen, solidarischen Zumutungen einfach ignoriert bzw. unter Ideologieverdacht gebasht.

Die Kirchen und religiösen Gemeinschaften beschäftigen sich eher mit sich selbst, beweinen ihre selbst verursachte gesellschaftliche Irrelevanz und entwerfen keine lebenswerte, Hoffnung gebende Zukunftvision für alle.

Lebenswerte Zukunftsentwürfe, oft religiös fundiert, waren immer Impulsgeber, Ausdruck von Hoffnung über aktuelle Menschheits-Krisen hinaus.

Jesu Botschaft vom Gottesreich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens ist eine solche Zukunftsvision und lädt alle ein, dieses leb- und erlebbar zu gestalten. Die Alternative ist das „Totenreich“, wie es im Lukasevangelium genannt wird.
Aber Jesus weiss auch um Egoismen und die Verlockung von Reichtum und Konsum, wieder besseres Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse. „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.“ (Lk 16,31)

Die Zukunftsignoranz und Lernunfähigkeit des Menschen ist zum Verzweifeln.
Um so mehr bewundere ich das prophetische Handeln der Fridays for …-Bewegungen und die Aktivist*innen für eine lebenswerte Zukunft. Ihre Kraft und Kreativität setzen dem gesamtgesellschaftlichen Fatalismus Handlungsaufforderungen entgegen und machen mir Hoffnung für die Zukunft meiner Kinder und Enkel. In der biblischen Bildersprache sind sie Licht und Sauerteig der Botschaft Jesu von einem guten Leben, buen vivir für alle.

GS 26.Sept 2022


Kapitalismus ist für Christen ausgeschlossen,

wenn man der Mahnung Jesu im Lukasevangelium traut: »Niemand kann zwei Herren gleichzeitig dienen. Wer dem einen richtig dienen will, wird sich um die Wünsche des anderen nicht kümmern können. Er wird sich für den einen einsetzen und den anderen vernachlässigen. Auch ihr könnt nicht gleichzeitig für Gott und das Geld leben.«(Lk 16,13)

Radikal fordert er diese Priorisierung von denen, die sich als Gottes Volk bezeichnen und im Tempel, angesichts der Geldwechsler und Händler, die mit dem Glauben und den Opferriten ihr Geschäft machen, wird der sonst so sanfte Jesus sogar handgreiflich und stürzt Wechselstuben und Auslagen um und klagt die Religionsführer und Priester in Gottes Namen an: »In den Heiligen Schriften steht, dass Gott erklärt hat: ›Mein Tempel soll eine Stätte sein, an der die Menschen zu mir beten können!‹ Ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus!« (Mt 21,13)

Wieviel Räuberhöhle steckt in unserem (Kirchen-) Leben?

Geld ist Macht und schafft Abhängigkeiten. Und „wes’ Brot ich ess’ des’ Lied ich sing“,

Jesus will eine eindeutige Lebens-Entscheidung für das, was er das Reich Gottes nennt oder in der Tradition der indigenen Völker Lateinamerikas das Buen Vivir, das gute Leben für alle.

Diese Priorisierung wird dagegen von evangelikalen Christen geradezu umgekehrt, wenn es um Geldanlagen geht:

„Nicht um Rendite zu erzielen, nein, »zum Ruhme Gottes« solle man sein Geld investieren! Und das am besten beim US-amerikanischen Fondsanbieter Inspire und bei seinen nach christlichen Grundsätzen gestalteten Indexfonds. Eine »biblisch verantwortungsvolle Geldanlage« sei damit möglich, heißt es auf der Website von Inspire.“ (zeit.de)

Investitionen in nachhaltige, ökologisch und sozial orientierte Projekte und Fonds sind eine bessere, gerechtere und vielleicht auch „christlichere“ Alternative für eine lebenswerte Zukunft – für alle Menschen auf diesem Planeten.

GS 22. Sept 2022


Spaltende Pharisäer

Seit den öffentlich sicht- und hörbaren Flügelkämpfen in der deutschen Bischofskonferenz in der 4. Vollversammlung des Synodalen Weges, erinnert mich die Gruppe der auf die unveränderbare Lehre der Kirche zur menschlichen Sexualität verweisenden und ihren Amtseid betonenden Bischöfe nochmal mehr an die Pharisäer im Lukasevangelium. Eine kleine Gruppe von Bischöfen, verhindert die Annahme des Grundtextes zur Sexuallehre der Kirche „Leben in gelingenden Beziehungen“ mit ihrer Sperrminorität, trotz 82% Zustimmung der Versammlung.
Diese „rechtgläubigen Pharisäer“ versuchen die menschenzugewandte Botschaft Jesu und seine Praxis der Nähe zu den von den Religionshütern ausgegrenzten „Zöllnern und Sündern“ zu diskreditieren, als gegen das göttliche Gesetz. Jesus hält ihnen entgegen, dass gerade diese „Sünder“ oft ehrlicher Gott suchen als die Gesetzesfixierten, die jede Barmherzigkeit und Liebe Gottes negieren und Gott auf das Gesetz reduzieren.

Genau wie in der Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern seiner Zeit geht es offensichtlich im Synodalen Weg einigen einflussreichen Bischöfen bei den katholischen Reformbemühungen um die Deutehoheit in Glaubensfragen und um den klerikalistischen Machterhalt – Spaltung in Kauf nehmend.

Diese Exklusivität macht auch Bischöfe fassungslos: „Wir haben das Evangelium zu bezeugen. … Tradition darf uns nicht fesseln, sondern muss uns stark machen. Aussagen, dass sich jemand überhaupt nicht ändern will, dazulernen will, helfen überhaupt nicht weiter.” (Helmut Dieser, Aachen)

Im Buch Exodus 32 berichtetdie Geschichte vom Goldenen Kalb ebenfalls über einen Machtkampf um die Deutehoheit des Willens Gottes zwischen Moses, dem charismatischen Führer und seinem Bruder Aaron, dem Vertreter der wortgewaltigen Priesterschaft.

Hier wird das „Früher und Besser“ in Gold gegossen und götzengleich verehrt, was den Zorn Jahwes provoziert.

Um dem Anspruch „das Evangelium in der Lebenswelt heute zu bezeugen“ nachzukommen muss eine Weiterentwicklung der christlichen Lehre möglich sein, um Lebensfragen der Menschen eine glaubwürdige und lebbare Antwort anbieten zu können.

GS 14. Sept 2022


Ganz oder gar nicht,

take it or leave it, keine halben Sachen machen, don’t be a maybe, … wir kennen diese Sprüche, die uns zur Entscheidung für etwas Existenzielles auffordern: Ausbildung, Arbeitsstelle, Engagement im sozialen, ökologischen, politischen Feld, …  – eine Lebensentscheidung
Wir sehen die Folgen von Halbherzigkeit und Lustlosigkeit, Vorbehalten, Zögern, Selbstüberschätzung, Abhängigkeit von Interessengruppen und Ideologien … z.B. in den existenziellen Krisen unserer Zeit, wie der Erderwärmung.

Auch Jesus fordert im Lukasevangelium zum radikalen „Reifetest“ auf: »Wer sich mir anschließen will, muss bereit sein, mit Vater und Mutter zu brechen, ebenso mit Frau und Kindern, mit Brüdern und Schwestern; er muss bereit sein, sogar das eigene Leben aufzugeben. Sonst kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir auf meinem Weg folgt, kann nicht mein Jünger sein. … Niemand von euch kann mein Jünger sein, wenn er nicht zuvor alles aufgibt, was er hat.« (Lk 14)

Es geht um die Bereitschaft sich von familiären und materiellen Abhängigkeiten zu lösen, um Selbsterkenntnis und Selbstannahme. Jesus macht diese Bereitschaft zur ultimativen Voraussetzung sich auf den Weg mit ihm einzulassen. Sein Weg ist der Kreuzweg, ein Weg der Selbstlosigkeit, des Engagements für die Benachteiligten und Ausgegrenzten, der Solidarität, der Anfeindungen, des Leidens, … Es geht um Konsequenz aus einer Entscheidung für…!

Schon z. Zt. Jesu und der ersten christlichen Gemeinden, für die dies Evangelium geschrieben wurde, war das kein attraktives Angebot, mit dem man eine große Reichweite und viele Mitglieder gewann. Es war elitär, extrem. Entsprechend waren die ersten mönchischen Gemeinschaften. Die diesen Weg konsequent gingen, wurden Heilige genannt.
Auch in unserer Jetzt-Zeit gibt es Menschen, die diese Radikalität in unserer Wohlstandsgesellschaft leben, wie den Jesuiten Jörg Alt, „Schon lange quält mich die Frage, wie man wachsender Armut, Ungleichheit, Klimakatastrophe usw. begegnen kann. Denn die guten Ideen sind ja alle da – warum kommt man nicht ins Handeln? …“ – Vorbild auch für uns „good will“-Christen?

GS 6. Sept 22

Foto: Bayu Hartanto

Mangelndes Selbstbewusstsein

findet sich im politischen Geschäft und in Wirtschaftskreisen eher selten. Selbstbewusstes Auftreten scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein – in einer von Männern geprägten Gesellschaft.

Dieses Verhalten ist sprichwörtlich: Sich in den Vordergrund spielen, Aus der Reihe tanzen, Immer das erste Wort haben wollen, Die Debatte bestimmen, …

Machtbewusstes Verhalten sichert mediale Aufmerksamkeit, auch wenn man nur geringen politischen Rückhalt hat oder Fakten ignoriert.- Hauptsache ICH.

Solche Rang-eleien können wir wieder in diesen Tagen auf der politischen Show-Bühne sehen., wo es angesichts zunehmender sozialer Spannungen um effektive und gerechte Entlastungspakete geht,

Zur Zeit Jesu scheint es auch schon so in gesellschaftlichen und politischen Kreisen gewesen zu sein. Jedenfalls wird von Jesus im Lukas-Evangelium erzählt, dass er bei einer Tischgesellschaft, zu der er von einem angesehenen religiösen und politischen Funktionär eingeladen wurde, weil er mit seinen Predigten, seiner Botschaft und seinem Handeln viel Aufmerksamkeit im Volk erhielt, er dieses Verhalten beobachtet, genau wie auch er im Fokus der Aufmerksamkeit ist (“… und die dort versammelten Männer beobachteten ihn genau”) Jesus kommentiert die gesellschaftlichen Hahnenkämpfe, das Gieren nach Aufmerksamkeit, das unberechtigte Vordrängen in der Tischordnung, die Rangeleien um die besten Plätze, nah bei den Mächtigen und Einflussreichen und provoziert so die Tischgesellschaft und den Gastgeber:

»Jeder, der sich selbst ehrt, wird gedemütigt werden; aber wer sich selbst erniedrigt, wird geehrt werden.« (Lk 14,11)

Umkehrung der gesellschaftlichen Zu- und Unterordnungen? Selbsterniedrigung als christliche Demut?

Nein, es geht um den zwischenmenschlichen Umgang, um Achtung und Selbstachtung und darum, einander wahrzunehmen und nicht nur zu beobachten oder gar zu belauern.

Selbstbewusstes Positionieren mit eigener Meinung, fundiertem Wissen und Mut zum Dienst an der Gemeinschaft.

GS 31. Aug 2022


Wer zu spät kommt

… den bestraft das Leben! Reaktion des russischen Diplomaten Gerassimow, irrtümlich dem damaligen russischen Präsidenten Michail Gorbatschow zugeschrieben, angesichts der Entwicklungen in der DDR kurz vor dem Mauerfall 1989.
Chance auf Entwicklung, auf Veränderung nicht genutzt, weil die politische Kaste nur auf Machterhalt ausgerichtet war und das Wohl des Volkes und die ökologischen und sozialen Entwicklungen ignorierte. Politisch notwendige Reformen und Entscheidungen wurden vertagt, verschoben, abgetan.

Chance vertan an einer besseren Zukunft teilzuhaben und diese mitzugestalten zum Wohle aller. – Oder sich bewusst dagegen entschieden; nach mir die Sinflut. Hauptsache jetzt es mir gut gehen lassen.

Angesichts unserer bedrohten Zukunft auf diesem Planeten reagieren auch heute viele mit Verweigerung. Veränderung, insbesondere meines Verhaltens, meiner Gewohnheiten und Vorlieben macht unsicher, Angst, handlungsunfähig, … Sich entscheiden für das Richtige, das Gute bedeutet möglicherweise Verzicht, braucht Mut, ist unbequem, verlangt die eigene Komfortzone zu verlassen.

Die Hoffnung auf ein Gutes Leben für alle motiviert und trägt.

Den Verweigerern, den Unentschlossenen, den „zu spät kommenden“ prophezeit das Lukas-Evangelium mit den Worten Jesu: „Da werdet ihr dann jammern und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr die Visionäre und Mahner, die Propheten in Gottes neuer Welt seht, doch ihr selbst seid ausgeschlossen.“ (Lk 13,28)

Also jetzt sich entscheiden für eine lebenswerte Zukunft, für das Leben, für Gottes neue Welt und diese mitgestalten.

GS 23. Aug 2022

Foto: Ruth Möller

Frieden schaffen ohne Waffen

war der Berliner Appell von DDR-Oppositionellen im Januar 1982 überschrieben, der auch in der Friedensbewegung der Bundesrepublik übernommen wurde und zum Widerstand gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen aufrief, um eine dauerhafte europäische Friedensordnung zu ermöglichen. Dahinter standen pazifistische Grundhaltungen, die sich auf die Bergpredigt bezogen, den Kern der Botschaft Jesu vom Gottesreich der Gerechtigkeit und des Friedens.

„ … Frieden schaffen ohne Waffen – das bedeutet nicht nur: Sicherheit zu schaffen für unser eigenes Überleben. Es bedeutet auch das Ende der sinnlosen Verschwendung von Arbeitskraft und Reichtum unseres Volkes für die Produktion von Kriegswerkzeug und die Aufrüstung riesiger Armeen junger Menschen, die dadurch der produktiven Arbeit entzogen werden. Sollten wir nicht lieber den Hungernden in aller Welt helfen, statt fortzufahren, unseren Tod vorzubereiten?
‘Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen’ (Jesus von Nazareth in der Bergpredigt) …“

Karrikierend wurde Jesus in den 80ern als softer Hippie dargestellt und konservative, christliche Politiker bestritten, dass man mit der Bergpredigt realistische Politik machen könne.

Immerhin wurden Abrüstungsverhandlungen möglich und „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“ war auch im Mainstream akzeptabel. Parallel orientierten sich die Bürgerrechts- und Ökologie-Bewegungen am gewaltfreien Widerstand Mahatma Gandhis.
Christlich inspirierte Pazifisten werden immer wieder irritiert, wenn sie mit der Aussage Jesu, nur wenige Kapitel nach der Bergpredigt konfrontiert werden „Meint nur nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen. Nein, ich bringe Auseinandersetzung!“(Lk 12,51)

Die Botschaft Jesu provoziert, fordert heraus sich auf eine Lebensweise einzulassen, die quer steht zu den gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen vom Recht des Stärkeren, von Macht und Erfolg, … Jesus sagt, dass das Reich Gottes da gelebt wird, wo die Sanftmütigen und Friedenstiftenden, die für Gerechtigkeit Kämpfenden und politisch Verfolgten Gottes Willen tun und sich für ein Gutes Leben für alle einsetzen.
GS 16. Aug. 2022

Foto: Nastja Drofa

Roadsongs

sind mir das erste Mal begegnet im Film Easy Rider (1969), dem Road-Movie schlechthin. Roadmovies beschreiben immer auch eine Entwicklung der Charaktere und Akteure über einen längeren Zeitraum, die lebensentscheidenden Begegnungen, Er-Fahrungen, Ereignisse, …. In diesen Lebensentwicklungsgeschichten finden wir uns wieder mit unseren eigenen Fragen, Er-Fahrungen und Entwicklungen. Roadmovies wie Easy Rider, Into the wild, Little Miss Sunshine, Nomadland, … sind Ausdruck des Lebensgefühls ganzer Generationen und die Filmmusik unterstreicht dies.
Im Film Vaya con Dios(dt. 2002) markiert ein altes Kirchenlied den Wendepunkt: Wer nur den lieben Gott lässt walten. Beeindruckend -auch für Nicht-Religiöse- und genial interpretiert hat es mir wieder Zugang eröffnet zu den Roadsongs meines Lebensweges auch in anderen wegweisenden religiösen Liedern, die mich geprägt und begleitet haben.

Der Mensch wird des Weges geführt, den er wählt, titelt der große spirituelle Denker Johannes Bours. Und immer wieder kommen wir an Weggabelungen und Abzweigen, kreuzen sich unsere Wege mit anderen, müssen wir uns entscheiden, wie es weitergehen soll mit uns und der Welt, die wir beleben. Die Wegwahl braucht Klarheit, die erbetet werden will, um als Weg mit Gott -vaya con dios- erkannt zu werden. Das Lukasevangelium (9,28b-36) erzählt von einer solchen lebensentscheidenden und klärenden Gebetserfahrung Jesu und seiner auserwählten Jünger auf einem Berg, dem biblischen Ort der Gottesbegegnung.

Gerne höre ich die Roadsongs meines Lebens in mir nachklingen und entdecke neue Möglichkeiten und impulsierende Songs:
Sing, bet und geh auf Gottes Wegen, Verricht das Deine nur getreu Und trau des Himmels reichem Segen, So wird er bei dir werden neu; Denn welcher seine Zuversicht, Auf Gott setzt, den verlässt er nicht. (Gotteslob 424)

GS 8. August 2022


Zuviel haben und immer noch mehr wollen

Seit 5 Monaten sieht CDU Chef Friedrich Merz den Höhepunkt der Wohlstandsrepublik Deutschland überschritten. Im Klartext: Er rechnet mit Einschränkungen unseres gewohnten Lebensstandards in starkem Umfang. Verzicht hört sich nach Einschränkungen, Opfer bringen, Armut, … an. Wir lassen es uns gerne gut gehen, zu unserem Wohlstand gehört Konsum, „uns etwas leisten können!“ Daran haben wir uns gewöhnt – und nun das, wegen eines Krieges, den wir nicht gewollt haben, aber von dessen Ausgang unsere wertebasierte, freiheitliche Gesellschaft unmittelbar betroffen ist.

Einer der Gründe für diesen Angriff auf die Freiheit und Selbstbestimmung der Völker ist die Habgier, die Gier immer mehr haben zu wollen, Geld, Ressourccen, Macht, …

Dieser weitverbreiteten Sucht entgegen steht die Selbstgenügsamkeit, sich zufrieden geben mit dem was man hat, aufgrund eigener Leistung oder als Geschenk, mit biblischen Worten: als unverdiente Gnade.

Von der Sucht immer mehr haben zu wollen, ja zu müssen scheint unsere Wachstums-Wirtschaft abhängig zu sein. Die Folge ist die Spaltung der Gesellschaft in die, die haben und die „Habenichtse“, in Gewinner und Verlierer. In seinen Lebensdeutungen warnt Jesus im Lukasevangelium: »Gebt Acht! Hütet euch vor jeder Art von Habgier! Denn der Mensch gewinnt sein Leben nicht aus seinem Besitz, auch wenn der noch so groß ist.«

Mich frei machen von der Sucht des immer mehr haben wollen schenkt Freiheit, Lebensqualität, ermöglicht Sekundenglück, … – ein Gutes Leben für alle. Vielleicht hilft diese Selbstbescheidung auch die Spaltung zwischen Arm und Reich zu überwinden.

Der Weise Kohelet kommt zu dem Schluss: „Genieße jeden Tag mit den Menschen, die du liebst, solange das Leben dauert, das Gott dir unter der Sonne geschenkt hat, dieses vergängliche und vergebliche Leben. Denn das ist der Lohn für die Mühsal und Plage, die du hast unter der Sonne.
Wenn sich dir die Gelegenheit bietet, etwas zu tun, dann tu es mit vollem Einsatz. Denn du bist unterwegs zu dem Ort, von dem kein Mensch wiederkehrt.“ (Koh 9)

GS 2. August 2022


Wenn et Bedde sich lohne däät (zu Lukas 11, 1-13)

sangen BAP mit Wolfgang Niedecken 1982 und brachten die Anfrage der Gottes-Skeptiker auf den

Punkt: Was bewirkt die Hinwendung zu Gott*, zu einem höheren Wesen. Ist Beten ein Geschäft mit Gott*, dass er/ sie etwas zu meinen Gunsten bewirkt, „es lohnt sich zu beten“ Oder ist Gebet Ausdruck von Hoffnung, Anvertrauen an den, der sich als ICH-BIN-DA offenbart?
Der intensive Gebetskontakt Jesu mit seinem GOTT*, den er als „Vater“ bezeichnet, hat attraktiv auf seine Jünger*innen gewirkt, denn sie bitten ihn: »Herr, sag uns doch, wie wir beten sollen.« (Lk 11)
Beten als Ausdruck der Gottesbeziehung ist in allen Religionen vertraut, aber wie beten? Welche Gebetshaltung und -Inhalte, wie ist Beten authentisch?

Beten ist kein Smalltalk mit GOTT* und keine Show: »Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen! Sie beten gern öffentlich, damit sie von allen gesehen werden.« (Mt 6) Was er-beten wird ist eine verändernde inspirierende Haltung, ein Empowerment sich einzusetzen für Gerechtigkeit und Frieden, für SCHALOM. „Darum sage ich euch: Bittet Gott, und er wird euch geben! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, und euch wird die Tür geöffnet!“
Wolfgang Niedecken ist dem auf der Spur: „… Vielleicht beneide ich auch die, die glauben können. Gott, wäre Beten doch bloß nicht so sinnlos, denn oft denke ich, wir wären bald schon an dem Punkt, wo egal wird, wer Recht hat, … Wir sind alle zusammen auf dem Kreuzweg, etwa da, wo man das dritte Mal fällt, … Ja, wenn das Beten sich lohnen würde, was meinst du wohl, was ich dann beten würde, beten würde?“

Was beten und er-beten wir heute, 40 Jahre später in dieser weltweiten Krisenzeit? Wirkt ein Netzwerk von Betenden?
„Lasset uns beten“, im Vertrauen auf den mitgehenden ICH-BIN-DA-Gott*:
„Ohne Prioritäten, einfach so, wie es käme, finge ich an, … trotzdem: Jeder und jedes käme dran. Für all das, wo der Wurm drin, für all das, was mich immer schon quält, für all das, was sich wohl niemals ändert, klar, und auch für das, was mir gefällt. … Ja, wenn et Bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät, bedde däät.”

GS 26. Juli 2022


Gute Wahl!

Da war sie wieder zu hören, die alte Leier von den 3 K: Kinder, Küche, Kirche als Bestimmung für das Frau sein. Diesmal vermeindlich aus dem Munde Jesu, respektive seines Evangelisten Lukas im 10ten Kapitel:. Die voreheliche Wahlfreiheit von Marta und Maria zwischen Küche und Kirche, wobei die kirchlichen Übersetzer natürlich Maria das „bessere“ wählen lassen.
Wenn man die ideologie-getönte Brille ablegt und genauer hinsieht, liest und hört geht es in dieser Begegnungsgeschichte um zwei Berufungen für Frauen zu kirchen- und gesellschaftsnotwendigen Diensten. Jesus sieht und erlebt eine sich als Älteste verantwortlich fühlende Marta in ihrer Sorge um das Wohlergehen ihrer Gäste und spürt ihre innere dahinter liegende Zerissenheit und Sorge um die ungerechte Gesellschaftsordnung, im täglichen Erleben von Armut, Hunger und Ausbeutung.

Und er sieht die jüngere Schwester Maria unbekümmert, hörend, nachdenkend, achtsam, …, die seine befreiende Botschaft von Gerechtigkeit und Liebe verinnerlicht. Er spricht Marta Wahlmöglichkeit der Lebensgestaltung zu. Maria, sagt er habe das Gute gewählt und das könne ihr niemand mehr nehmen. Marta dagegen ist in sich Zerrissen in Sorge um die Welt und die Menschen, die ihr nahe sind. Sie meint keine Wahlfreiheit zu haben, die gesellschaftliche Ordnung stehe dem entgegen mit ihrer Rollenzuweisung als ältere Schwester und Kümmerin. Jesus fordert Marta auf sich von dieser inneren Zerissenheit, Sorge und Fixierung zu lösen und das für sie Gute und Wichtige zu wählen.

Grundvollzüge des Christseins sind „Kampf und Kontemplation“ (Roger Schutz). Kampf für eine bessere, gerechte Welt und die Erschließung der befreienden Botschaft Jesu im Hören, Nachdenken, Deuten auf unsere Zeit hin und sie glaubwürdig zu leben.

Ermöglichen und fördern wir in Kirche und Gesellschaft Wahlmöglichkeiten für einen gut tuenden Lebensweg für alle Menschen, uneingeschränkt durch Geschlecht, Herkunft und gesellschaftliche, religiöse Normierungen.

GS 19. Juli 2022

Foto: Kristin Langen

Motivation: Gutes Leben für alle

Lebensbedrohlich ist das, was wir derzeit weltweit an kriegs- und klimawandelbedingten, menschenverursachten Katastrophen erleben. Hoffnung auf eine bessere Zukunft oder gar ein Gutes Leben für alle? – Überlassen wir besser den Phantasten und esoterischen Utopien!
Da wirkt die Erzählung vom Barmherzigen Samariter im Lukasevangelium irreal, fast surreal. Sie gibt Antwort auf die Frage eines Theologen an Jesus, wer denn der Mitmensch sei, den es zu lieben gilt:

Ein ausländischer Reisender hilft einem Opfer von Strassenräuberei, dessen Not und Leid sowohl von einem vorbeieilenden Seelsorger als auch einem Kultangestellten ignoriert wird. Er versorgt die Wunden und bringt ihn ins nächstlgelegene Gasthaus und übernimmt auch noch die Kosten für die weitere Behandlung durch Profis.

Soviel selbstlose Nächstenliebe war schon zur Zeit Jesu nicht selbstverständlich und wird nun zum motivierenden Beispiel für christliche Nächstenliebe und humanitäre Organisationen weltweit bis heute. (z.B. Arbeiter-Samariter-Bund)

Angesichts weltweiter Krisen und Konflikte, die die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten existenziell bedrohen, brauchen wir uneigenützige, barmherzige Samariter*innen, inspiriert und motiviert von der (urchristlichen) Idee des GUTEN LEBENS für alle, des Buen Vivir. Diese zielt vereinfacht dargestellt auf materielle, soziale und spirituelle Zufriedenheit für alle Mitglieder der Gemeinschaft, jedoch nicht auf Kosten anderer Mitglieder und nicht auf Kosten der natürlichen Lebensgrundlagen, und kann als „Zusammenleben in Vielfalt und Harmonie mit der Natur“ verstanden werden. Seit 2010 wird dies als internationales Ziel menschlichen Zusammenlebens diskutiert. In vielen humanitären Organisationen wird diese Idee von freiwilligen und engagierten Menschen jeden Alters gelebt, damit die Menscheit eine lebenswerte Zukunft auf dieser Erde hat.

Zum Abschluss der Geschichte fordert Jesus den und die Fragenden auf: „Dann geh und mach es ebenso!“

GS 12. Juli 2022

Foto: Guido Schürenberg – Texel2022

Survival of the Fattest

heißt dieses Mahnmal von Jens Galschiøt im Hafen von Koopenhagen, aufgestellt 2009 zur UN-Klimakonferenz. Die 3,5 Meter hohe Bronze-Skulptur zeigt eine riesige dicke Frau aus der westlichen Welt, die auf den Schultern eines verhungernden afrikanischen Jungen sitzt: Die Frau hält eine Waage, das Symbol der Gerechtigkeit, ihre Augen sind jedoch geschlossen. Hierdurch soll dargestellt werden, dass die Gerechtigkeit in Selbstgerechtigkeit degeneriert ist. Zudem stellt es die mangelnde Bereitschaft dar, die offensichtliche Ungerechtigkeit zu sehen.

Inzwischen steht das Wasser den armen Ländern des globalen Südens bis zur Unterlippe und die Selbstgerechtigkeit der Reichen hat eher zugenommen.

Die Organisationen des Sozialen Dienst für Frieden und Versöhnung (SDFV) im Bistum Aachen entsenden in diesem Jahr 18 junge Menschen als Freiwillige in Länder des globalen Südens. Ihr entwicklungspolitischer Lerndienst soll sie für diese weltweite Ungerechtigkeit sensibilisieren. Sie werden mit Armut und Hunger, ungerechter Ressourcenverteilung und Ausbeutung, den fatalen Folgen des Klimawandels, mit Überschwemmungen und Dürre konfrontiert werden.

Im Lukasevangelium hören wir von der Aussendung Freiwilliger. Diese brennen für Jesu Botschaft von Gottes Friedensreich:

Geht nun und denkt daran: Ich schicke euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe.
Nehmt kein Geld, keine Tasche und keine Schuhe mit. …
Wenn ihr in ein Haus kommt, dann sagt: ›Friede sei mit euch allen!‹
Wenn dort jemand Gottes Frieden bereitwillig annimmt, so soll der Friede, den ihr bringt, bei ihm bleiben.

Die Botschaft Jesu, die die Jünger*innen verkünden ist ein Friedens- und Versöhnungsangebot an Menschen, die dafür offen sind. Sie begegnen sich auf Augenhöhe und mit Respekt vor den anderen, ihren Lebensumständen, ihren Werten, ihrer Kultur. Für eine Zeit lang teilen sie Wohnung, Essen, Arbeit und Erfahrungen, um dann wieder zu Jesus und ihren Freund*innen zurückzukehren, über ihr Lernen zu berichten und ihre Erfahrungen auszutauschen.

Diese motivierenden Erfahrungen wünschen wir auch den Freiwilligen für ein nachhaltiges und glaubwürdiges Engagement für eine gerechtere Welt.

GS 5. Juli 2022

Survival of the Fattest im Hafen von Kopenhagen zur Klimaschutzkonferenz Foto: Jesse Walker 2010

Auf dem Balkon

Anlässlich einer Erstkommunion habe ich mal wieder an einer Messfeier teilgenommen, wobei „teilnehmen“ der falsche Begriff ist für mein dabei sein. Teilnahme hat für mich mit sich angesprochen fühlen, sich beteiligen können, kommunizieren, in Beziehung zu den Mitfeiernden treten, … zu tun – und letztlich auch eine Ahnung von der Anwesenheit Gottes zu bekommen.

Ich fühlte mich wie die beiden zynischen Alten auf dem Balkon der Muppet-Show: Zum Konsum eines Spektakels veranlasst, das nichts mit mir, wenig mit den Kommunionkindern und ihren Familien und irgendwie auch nicht spürbar mit Gott zu tun hatte: Der liturgische Dress-Code der Zelebrierenden und ihrer „Assistent_innen“ ist aus der Zeit gefallen und bei 32° Feiertemperatur ohnehin auch für gutwillige, leichtbekleidete Gäst_innen nicht nachvollziehbar. Die sprachliche Anmutung hätte eines katechetischen Simultandolmetsches bedurft und die mit drei Kameras hochgerüstete Fotografin bewegte sich auf der Suche nach dem Instagram-tauglichen Snapshot wie ein Elefant im liturgischen Porzellanladen. Anlass und Inhalt – nebensächlich!

Im Unterschied zu den nörgelnden Alten war mir auch das Nörgeln genommen, außer geflüsterten Randbemerkungen zu meinem ohnehin kirchendistanzierten Schwiegersohn.

Kirche war mein (Glaubens-) Biotop seit Geburt, später berufliche Existenzgrundlage und ehrenamtliches Engagement-Feld in unterschiedlichen Formen und Formaten. „… aus Gnad in seine Kirch“ berufen.

Das Biotop ist zur Showbühne geworden – und vielleicht schon lange gewesen. Ich, der Mitspieler und Akteur ging in den Ruhestand auf den Balkon, kopfschüttelnd, die eigenen Erfahrungen im Kirchen-Biotop retrograd euphemisierend.

Jesus sagt im Lukasevangelium zu mir als Berufenem: „Folge mir nach … und … Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!“

Der Balkon wird zum Verkündigungsort. Das Glaubens-Biotop entsteht im Austausch über die biblische Botschaft und ihre Wirkung in meinem / unseren Leben. Neue Kirche leben und werden im Vertrauen auf den „Ich-Bin-Da-bei Euch“ alle Tage -und Nächte- meines Lebens.

GS 28. Juni 2022

Foto: Guido Schürenberg

Wenn die Begeisterung fehlt

„Rot-Weiss Essen steigt auf – und die ganze Stadt bebt“ so titelt die WAZ am 15. Mai und als Herkunfts- und Gefühls-Essener kann ich das gut nachvollziehen und Erinnerungen kommen hoch. Genau wie beim „Absturz und Aufstieg. Schalke 04 lebt wieder auf“ (LigaLive).

Treue und Begeisterung, zeichnen Fußball Fans aus . Bei den beiden genannten Vereinen kommt hinzu die enge Verwurzelung mit der Stadt und das Ruhrpott-Milieu.

Synodale Prozesse auf Orts-, Deutschland- und Weltebene wollen und sollen nach dem Absturz der Katholischen Kirche weltweit durch Macht- und Sexuellem Missbrauch diese Kirche erneuern und so aus der Krise führen. Geistliche Besinnung, Systemanalyse, Themengruppen, Synodalkreise, Changemenagement, … sollen das Aggiornamento der Kirche in der Welt von heute bewirken.
Wenn es diesmal gelänge, wäre das zukunftsfähig oder nur ein System-Update ohne wirkliche Veränderung und Neubesinnung? Wein in alten Schläuchen? (Lk 5,38). Kirchlichen Reformprozessen steht die Tradition, die als Unverrückbar gilt, im Weg. In den Anfängen des Christentums standen synodale Wege vor hierarchischen Entscheidungen (Apg 15). Die damaligen Entscheider verwiesen auf Grundentscheidungen Gottes – in dem Fall bei den Bedingungen zur Mitgliedschaft der neuen Glaubensgemeinschaft: „Er hat ihnen genauso wie uns den Heiligen Geist geschenkt. … wir sollten den Menschen aus den anderen Völkern, die sich Gott zuwenden, nicht eine unnötige Last auferlegen“. Methode und Autorität dieser Grundsatz-Entscheidung zur Kirchengliedschaft wird dabei deutlich gemacht: „Vom Heiligen Geist geleitet, haben wir nämlich beschlossen …“ – Das sollte stilbildend für wirkliche und wirksame synodale Prozesse auch in unserer heutigen Kirche sein.

Der Aufstieg in den Fußball-Ligen bedeutet auch, Strategien zu überdenken, Taktiken zu verändern, Trainer*innen und Funktionär*innen zu entlassen, neue Spieler*innen zu verpflichten, um sich den Herausforderungen der Zukunft stellen zu können.
Der Treue der Fans kann man meist gewiss sein, wenn der Spirit überkommt und mitgetragen wird. Eine begeisternde Kirche mit Zukunft, weil sie am Leben der Menschen teilhat!

GS 24. Mai 2022


Hakuna Matata

aufgestickt auf dem Rangerhut, den eine sambische Freundin mir aus ihrer afrikanischen Heimat mitbrachte als Sonnenschutz für meinen nur spärlich behaarten Kopf.
Hakuna Matata „es gibt keine Probleme“ war 2013 Platz 5 der Jugendwörter in Deutschland und steht für eine Lebenseinstellung, die eher beschwichtigend wirkt, statt lösungsorientiert. … unpolitisch : take it easy, no rules, no responsibility, … wie die problem-free Philosophen Timbo und Pumba in König der Löwen singen.

Auch in der Bergpredigt des Matthäusevangeliums (6,24-34) scheint Jesus diese Sorglosigkeits-Philosophie zu predigen: „Macht euch keine Sorgen um euer Leben, ob ihr etwas zu essen oder zu trinken habt, und um euren Leib, ob ihr etwas anzuziehen habt! … Können all eure Sorgen euer Leben auch nur um einen einzigen Augenblick verlängern?“
Das klingt zynisch in unserer Krisenzeit: Lebe den Augenblick und mach Dir keinen Kopf über das Danach, die Zukunft und die Deiner Kinder? Nein, Jesus weitet die individualistisch-libertäre Perspektive hin zur gemeinsamen Zukunft der Menschheit:
„Macht das Reich Gottes zu eurem wichtigsten Anliegen, lebt in Gottes Gerechtigkeit, und er wird euch all das geben, was ihr braucht. … Deshalb sorgt euch nicht um morgen, denn jeder Tag bringt seine eigenen Belastungen. Die Sorgen von heute sind für heute genug.“
Jesu redet unsere Sorgen nicht weg, sie sind menschlich, existenziell. Er fordert vielmehr zur Veränderung der Verhältnisse und der Einstellungen auf. Er fordert auf, sich auf seine Botschaft von Gottes gerechter Weltordnung einzulassen und diese zu leben, den Willen Gottes zu tun (Vater unser). Unsere täglichen Sorgen werden sich dann von selbst erledigen.

Unser Sorgen soll dem Zustand der Welt, dem „gemeinsamen Haus“ gelten, dem guten Leben für alle und nicht der individualistischen Freiheit auf Kosten der anderen und der Natur. Dann leben wir Gottes Weltordnung, politisch und lösungsorientiert, im Vertrauen darauf, dass Gott es gut mit uns und seiner Schöpfung meint.

Hakuna Matata, in der Hoffnung auf einen baldigen Frieden in Gerechtigkeit und Freiheit.
„Hakuna Matata! It means no worries for the rest of your days“

GS 17. Mai 2022


Verdrängt, aber wirksam

Wenig Beachtung und häufig ignoriert werden in diesen Kriegstagen Nachrichten rund um die Klimakrise unseres Planeten. So am 4. Mai der Earth Overshoot Day 2022 an dem Deutschland die anteiligen natürlichen Ressourcen für dieses Jahr bereits verbraucht hat und wir so den Rest des Jahres auf Kosten der Weltgemeinschaft leben.

„Der Earth Overshoot Day ist statistisches Rechenspiel mit bitterbösem Ergebnis, mit dem The Global Footprint Network zeigen will, wie groß unser Raubbau an der Natur ist. Dazu wird die Biokapazität unseres Planeten – die Fähigkeit der Natur, Rohstoffe jeder Art zu produzieren oder wieder herzustellen – mit dem ökologischen Fußabdruck der Menschheit verrechnet: Seit den frühen 1970er-Jahren ist unser jährlicher Verbrauch an natürlichen Ressourcen größer als die Regenerationsfähigkeit der Natur.“ (BR Wissen 4.5.22)

Oder die erschreckende Meldung vom 10. Mai: „Die UN sehen ein 50-prozentiges Risiko, dass sich die Erde temporär in den kommenden Jahren um 1,5 Grad erwärmt. Fast sicher sei bis dahin ein Hitzerekordjahr.“ (Zeit-Online, 10.5.22)

Vielleicht nehmen wir diese Warnzeichen nicht wahr, weil wir unser Verhalten ändern müssten. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine merken wir finanziell an den Energiekosten und an den Lebensmittelpreisen. Die Übernutzung der natürlichen Resourcen und die Klimaveränderung merken wir allenfalls an zunehmender Trockenheit. Der Genuss des „schönen Wetters“ hinterlässt manchmal einen faden Beigeschmack, ist aber kein Anlass zu wirklicher Verhaltensänderung.

Flucht in die Ohnmacht, hoffnungslos?

Uns ist die Aufgabe gegeben diese Welt „gut“ zu erhalten, d.h. menschenwürdig und zukunftsfähig zu gestalten als Lebensgrundlage für die nachkommenden Generationen (1 Mose1,28f).

Wenn wir uns den Herausforderungen des Klimawandels stellen, unseren Lebensstil durch Verzicht ökologischer gestalten, können wir schon viel bewirken und trotz Krieg und Pandemie Ideen und Energien in die sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft einbringen – Hoffnung schöpfen!

GS 11. Mai 2022

#weltretten #overshootday #sozialoekologischetransformation #unterbrechungmittendrin


Den Umständen entsprechend

Am Sonntag nach dem internationalen Gottesdienst der KHG sprach mich eine junge Frau aus Sambia an mit der üblichen Begrüßungsfloskel „How are you?“ Statt -wie üblich- zu antworten „Thank you , I’m fine“ entwich meinem Mund spontan und unüberlegt: „according to circumstances“. Sie schaute mich fragend an und bald waren wir im Gespräch über unsere Lebensumstände, die trotz schönem frühsommerlichem Wetter und „eigentlich müssten wir doch zufrieden sein“ vom Krieg in der Ukraine und von den Folgen des Klimawandels in ihrer Heimat geprägt waren.

„Das kommt auf die Umstände an“ ist mittlerweile in meinem Leben mehr als eine Gesprächs-Einstiegs-Floskel. Es ist ein Ausdruck der Abhängigkeit meines Wohlbefindens von der geopolitischen Situation und ihren Auswirkungen auf meine Umgebung, insbesondere meiner psychischen Verfassung.

Der weise, lebenszugewandte Prediger Kohelet schreibt ca. 250 vor unserer Zeitrechnung. Er schaut auf sein Leben und das der Menschen in seiner Umgebung, er sucht einen Sinn in all dem Chaos, der Ungerechtigkeit und dem Leid und fragt, wie wir uns demgegenüber als Gott Glaubende verhalten sollen, um glücklich zu sein:

„Alles hat seine Zeit, und für jede Situation gibt es ein entsprechendes Verhalten. Doch auf dem Menschen lastet eine schwere Not: Er weiß nicht, was auf ihn zukommt, und niemand kann ihm sagen, was die Zukunft bringt.

…. Dies alles habe ich begriffen, als ich beobachtete, was auf dieser Welt geschieht – einer Welt, in der einige Menschen Macht besitzen und die anderen darunter leiden müssen. … Das kommt mir alles so sinnlos vor!
Darum empfehle ich allen, das Leben zu genießen, denn es gibt für den Menschen nichts Besseres auf der Welt, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Das wird ihn bei seiner Mühe begleiten das kurze Leben hindurch, das Gott ihm gegeben hat.“ (Koh 8,6-15)

GS 4. Mai 2022

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