09. Dez – Wenn sich Türen öffnen

Damit die Sehnsucht nach der Liebe wach bleibt

Der Liebe die Tür öffnen und dann mit einem Schloss wieder abschließen? Irgendwie widersprüchlich: Sich festzulegen, um dann nachher zu merken, dass dies nicht Liebe ist, sondern Qual – und wenn man es bemerkt, nicht mehr herauszukommen, weil die Sache abgeschlossen ist und der Schlüssel am Grund des Flusses liegt. Es ist ein fragwürdiges Ritual, aber es zeigt auf, wie groß unsere Sehnsucht nach bleibender Liebe ist.
Ja, die Sehnsucht nach der bleibenden Liebe scheint so groß zu sein, dass wir es immer wieder tun: uns wie ein stählerner Ring mit dem Fundament unserer Erwartungen und Gedanken um den Brückenpfeiler unserer Liebe zu klammern. Das ist aber genau das, was die Liebe nicht verträgt. Liebe braucht Vertrauen und Freiheit – die Freiheit, auch wieder gehen zu können, denn man kann sie nicht festhalten, wenn sie nicht mehr so groß ist, wie sie es einmal war.
Die Liebe bleibt, wenn es sich richtig anfühlt, von selber. Sie entscheidet nach und nach von selbst, wie schnell der kleine Ring mit Widerhaken nach unten sinkt, einrastet. Doch der Schlüssel bleibt stecken, denn der sicherste Weg, die Liebe zu töten, ist es, sie festzuklammern.
Im Advent erleben wir ganz intensiv eine Zeit des Wartens und der Geduld. In diese Tugenden können wir uns einüben, denn wir brauchen sie für unser Leben, und ganz besonders für die Liebe, die reifen will.

Zum Nachdenken
„… Aber lasst Raum zwischen euch.
Und lasst die Winde des Himmels zwischen euch tanzen.
Liebt einander, aber macht die Liebe nicht zur Fessel:
Lasst sie eher ein wogendes Meer zwischen den Ufern eurer Seelen sein.
(…) Singt und tanzt zusammen und seid fröhlich, aber lasst jeden von euch allein sein,
so wie die Saiten einer Laute allein sind und doch von derselben Musik erzittern.“
(Khalil Gibran, libanesisch-amerikanischer Maler, Philosoph und Dichter, 1883-1931, Von der Ehe, in: Der Prophet)

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