Januar – April 2022
Das Dilemma von eigentlich und offensichtlich
Ich bin Pazifist aus familiärer Prägung und christlich gereifter Überzeugung. Aber der nahegerückte, menschenverachtende und dasVölkerrecht auf Selbstbestimmung und Freiheit sabotierende Krieg in der Ukraine lässt meine Überzeugungen bröckeln und meine Gewissheiten schwinden.
So komme ich gerade jetzt angesichts der ukrainischen Forderungen nach schweren Waffen in das Dilemma des „eigentlich …, aber“, da ja meine/ unsere Werte und Grundüberzeugungen „offensichtlich“ nicht von Kriegstreibern und freiheitsfeindlichen Mächten mitgetragen bzw. ignoriert werden.
Der Konsens jüdisch-christlicher Werte in und für Europa, der mehr als 50 Jahre Frieden hier ermöglicht hat und den Beitritt zu dieser EU-Wertegemeinschaft auch für die sich nach dem Ende des Kalten Krieges neu orientierenden Staaten Ost-Europas attraktiv machte, ist offensichtlich nicht mehr tragfähig. Anders kann ich mir den „Erfolg“ nationalistischer Parteien in nahezu allen Ländern der EU nicht erklären.
In der orthodox-christlich gefeierten Karwoche bombardieren russische Soldaten mit dem Segen des orthodoxen, Moskauer Patriarchats schutzlose Zivilisten, während der katholische Papst Franziskus in seiner Osteransprache „ein Ende des Ukraine-Kriegs fordert und an Krisen weltweit erinnert. Der Frieden sei möglich, eine Pflicht und die vorrangige Verantwortung aller. … Jeder Krieg habe Auswirkungen für die gesamte Menschheit: von den Todesfällen über das Flüchtlingsdrama bis hin zur Wirtschafts- und Ernährungskrise, deren Vorboten derzeit bereits erkennbar seien“.
Und der, an dessen Leid und Tod sich die Christen der ganzen Welt-und auch Herr Putin- in diesen Tagen erinnern, fordert uns auf zu Nächsten- und Feindesliebe und zum Friedenstiften.
Vielleicht ist es ja ein Gebot der Nächstenliebe oder zumindest das kleinere Übel, die Ukrainer mit schweren Waffen zu unterstützen, damit sie ihre und unsere Freiheit verteidigen können gegen die nationalistische Aggression und für den Erhalt der freiheitlichen Werte.
Unsere Welt braucht Frieden, um gemeinsam die Folgen des Klimawandels bekämpfen zu können und eine lebenswerte Zukunft für alle zu sichern.
GS 19. April 2022
Feindesliebe und Vergebung
Papst Franziskus hat am Palmsonntag zu Vergebung und „Feindesliebe“ gerade in Kriegszeiten aufgerufen.
„Ja, Christus wird in den Müttern, die über den ungerechten Tod ihrer Männer und Kinder weinen, nochmals ans Kreuz genagelt. Er wird gekreuzigt in den Flüchtlingen, die mit den Kindern im Arm vor den Bomben fliehen. Er wird gekreuzigt in den alten Menschen, die zurückgelassen werden und einsam sterben müssen, in den jungen Menschen, die ihrer Zukunft beraubt werden, in den Soldaten, die ausgesandt werden, um ihre Geschwister zu töten.“
Franziskus wandte sich angesichts globaler Probleme entschieden gegen eine egoistische Haltung: „sich selbst retten, sich um sich selbst kümmern, an sich selbst denken; nicht an andere, sondern nur an die eigene Gesundheit, den eigenen Erfolg, die eigenen Interessen denken“. Gottes Denkweise sei einer solchen Einstellung entgegengesetzt.
Es gehe darum, den Teufelskreis des Bösen und des Bedauerns zu durchbrechen: „auf die Nägel des Lebens mit Liebe zu antworten, auf die Schläge des Hasses mit der Zärtlichkeit der Vergebung“, so der Aufruf des Papstes. Die Vergebung Jesus gelte für alle und für jede Sünde. Keiner sei davon ausgeschlossen, „es ist nie zu spät“. (KNA)
12.April 2022
Realitätsfremd!
bezeichnete der Nach-Auszeit-immer-noch-residierende-Kardinal Woelki Papst Franziskus vor dem wichtigsten Beratergremium seines Bistums.
Welche Realität = Wirklichkeit ist gemeint, die dem Papst fremd sein soll?
Die immer massiver wirkenden Folgen des menschengemachten Klimawandels und unsere offensichtliche Unwilligkeit einschneidende Massnahmen dagegen mitzutragen?
Die nun schon 2 Jahre weltweit grassierende Pandemie und die Entsolidarisierung mit den Schutzbedürftigsten unserer Gesellschaft (Kinder, Alte, Immungeschwächte … )?
Den Menschen- und Völkerrecht verachtenden Krieg im Herzen Europas und unsere Angst vor Wirtschafts-, Konsum- und Energie-Einschränkungen?
Krisen-Realitäten, denen wir uns täglich als Menschen, als Christen und auch als kirchliche Gemeinschaften stellen müssen. Realtäten, die von uns verantwortliches Handeln auf Basis unserer christlichen Werte fordern. Dieser Realität ist sich Papst Franziskus sicher bewusst.
Unser Glaube verkündet die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für alle:
Der Glaube, dass Gott ein mitgehender und mitleidender Gott ist
Der Glaube, dass dieser Gott das Gute für die Menschen will
Der Glaube, dass Gott in und durch uns wirkt und Wirklichkeit gestaltet
An diese Wirklichkeit und Wirksamkeit des Guten, die die biblische Sprache Reich Gottes nennt, glaube ich trotz der wahrnehmbaren und nicht zu verleugnenden Krisenrealitäten. Denn dieser Glaube gibt Hoffnung auf Zukunft, so wie die jugendliche Maria visionär im MAGNIFICAT des Lukasevangeliums betet.
Ich hoffe und bete deshalb angesichts der grauenhaften Kriegsverbrechen in der Ukraine:
»… Ihr Erbarmen schenkt sie von Generation zu Generation
denen, die Ehrfurcht vor ihr haben.
Gott hat Gewaltiges bewirkt.
Mit seinem Arm hat er die auseinander getrieben,
die ihr Herz darauf gerichtet haben,
sich über andere zu erheben.
Sie hat Mächtige von den Thronen gestürzt
und Erniedrigte erhöht,
Hungernde hat sie mit Gutem gefüllt
und Reiche leer weggeschickt.
…. und sich an seine Barmherzigkeit erinnert,
… für alle Zeit.«
Lk 1, 46-55 die bibel-in-gerechter-sprache.de
GS 5. April 2022
Verzichtserklärung
Die sieben Wochen vor Ostern, dem Fest des Lebens, sind für Christen schon immer eine Fastenzeit gewesen, also eine Zeit der bewussten Enthaltsamkeit, des Verzichtes.
Fasten kommt in nahezu allen Kulturen vor und soll verschiedenen Zwecken dienen, u.a. „ …einer Förderung der Wahrnehmung, einer Erhöhung der Willenskraft und Vorbereitung auf spezielle Herausforderungen, dem Zuwachs an psychischer und sozialer Kontrolle …“ (Wikipedia).
Die diesjährige Fastenzeit ist eine dreifache Krisenzeit: Klimawandel, Pandemie und Krieg. Alle diese Krisen muten uns Verzicht zu: Reduktion der Klimagase, Infektionsschutzmassnahmen und Gas und Öl einsparen. Die vorgeschlagenen Verzichtsmassnahmen werden als staatlicher Eingriff in die Freiheit diffamiert bzw. als sozialunverträglich diskreditiert. Die diesbezüglichen Umfragen unter der Bevölkerung offenbaren ein anderes Bild: Offenheit, Solidarität, Verzichtsbereitschaft und Bereitschaft zum Engagement bei einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung.
Der Prophet Jesaja schreibt als „Spruch Gottes“ vor 2500 Jahren : „Fasten, wie ich es liebe, sieht so aus: … Entferne die Unterdrückung aus deiner Mitte. Lass die höhnischen Fingerzeichen und das trügerische Reden! Öffne dem Hungrigen dein Herz und hilf dem, der in Not ist. Dann wird dein Licht in der Dunkelheit aufleuchten und das, was dein Leben dunkel macht, wird hell wie der Mittag sein. “ (Jesaja 58, 6-10)
Wenn ich durch Reduktion meines Gasverbrauchs durch Absenken auf 18°C Raumtemperatur, durch Stromsparen, durch Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 kmh, durch prioritäre Nutzung von Fahrrad und ÖPNV den CO2 Ausstoß reduziere, durch Gesichtsmasken tragen und Kontaktbeschränkungen das Infektionsrisiko minimiere, durch solidarisches Inkaufnehmen höherer Energiepreise und mich im Rahmen meiner räumlichen, zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten für Flüchtlinge engagiere, … dann wäre das ein Fasten im Sinne des Fastenaufrufes von Jesaja.
Ein notwendiger Schritt heraus aus meiner Komfortzone, zur solidarischen Krisenbewältigung allemal – und hoffentlich auch über diese Fastenzeit hinaus.
GS 29. März 2022
Wenn Unwichtiges sich aufbläht
und das, was wirklich zählt, verdeckt,
dann wünsche ich dir den Mut,
innezuhalten
und den Dingen auf den Grund zu gehen.
Wenn Menschen hungrig, heimatlos
und unterdrückt bleiben,
während andere sich bereichern
und nur an ihren Vorteil denken,
dann wünsche ich dir den Mut,
dich für das Reich Gottes zu entscheiden.
Wenn du dich im Gewirr der Angebote
und Meinungen verlaufen
und eine falsche Richtung eingeschlagen hast,
dann wünsche ich dir den Mut,
umzukehren
und aufzubrechen in ein neues Leben.
Angela Lohausen/ Guido Schürenberg – MISEREOR Fastenaktion 2017
Vielleicht geht da doch noch was
könnte das Fazit des biblischen Gleichnisses über den fruchtlosen Feigenbaum (Lk 13,6-9) sein, der für seine letzte Chance noch viel Zuwendung vom Gärtner braucht. Dem Anschein nach abgeschrieben, erfolglos, nicht lebenswert, versagt, …
Wie schnell bin auch ich versucht, dem Anschein nach zu urteilen, Menschen das Potential zum Nutzen der Gesellschaft und in sozialen Organisationen abzusprechen und „der Kirche“ den Willen zur synodalen Reform und einer glaubwürdigen Seelsorge nicht zuzutrauen.
Schublade auf, Schublade zu, abgehakt!
Viele solcher von mir so Abgeschriebenen und von ihrer Kirche Enttäuschten brauchen vielleicht nur vorurteilsfreie Zuwendung, Menschlichkeitsdünger, um ihr Potential zu entdecken und einzusetzen.
In der Kirchenbildersprachwelt sind Begriffe aus der Landwirtschaft wie Hirten, Schafe, Acker, Weinberg, Rebstock, … gern gebraucht um Beziehungen, Arbeitsfelder und Situationen zu beschreiben. Sie stecken auch in der Denke derjenigen, die den Feigenbaum Katholische Kirche reformieren möchten, weil sie feststellen müssen, dass Machtmissbrauch und Fehlverhalten das Vertrauen des Kirchenvolkes zerstört und Relevanz und Glaubwürdigkeit verloren ging. Deshalb kann das biblische Gleichnis auch in der derzeitigen Kirchenkrisensituation und in den anstehenden notwendigen Veränderungsprozessen hilfreich sein.
Eine Richtung in der systemischen Organisationsentwicklung überträgt jesuanische Menschensicht als Prinzipien für Veränderungsprozesse unter breiter Beteiligung der Betroffenen: FACILITATION (Ermöglichen).
Dabei geht sie von drei Grundannahmen aus:
- Das Wissen ist in der Welt
- Menschen möchten Verantwortung übernehmen und etwas Sinnvollles tun
- Jede*r gibt sein Bestes – immer!
Wobei sicherlich Letztere die Herausfordernste ist.
Früchte können nach Blüte, Selbstbefruchtung und Reifezeit geerntet werden.
So brauchen auch meine gärtnerischen Bemühungen im mich umgebenden Biotop Geduld und Pflege, um Früchte zu tragen.
Mein Kleingärtner Tipp für den kirchlichen Feigenbaum: Zuwendung, Ermöglichen, Glaubensbiotope fördern … und viel aufrichtige Liebe zu den Menschen.
GS 21. März 2022
Betend aus der Ohnmacht
Die stündlichen Aktualisierungen des Kriegs-Live-Tickers verstärken meine Ohnmacht und lassen die Friedensideale meiner Generation schlagartig zerbröseln. Die menschliche Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Frieden und ein Gutes Leben für alle Menschen auf diesem Planeten wird durch den Wahnsinn dieses -und aller Kriege- sabotiert und wahrscheinlich nachhaltig zerstört.
Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht lähmen mich, während eine Tagereise entfernt das Weltkulturerbe Lemberg bombadiert wird, Millionen Frauen und Kinder auf der Flucht sind während die Männer, Söhne und Väter sich verzweifelt dem Aggressor entgegenstellen, um die Freiheit zu verteidigen.
Auf der Suche meiner Sprachlosigkeit und Ohnmacht einen Ausdruck geben zu können im Gebet, traf mich ein Psalm des Trierer Diozesanpriesters Stephan Wahl, der in Jerusalem lebt.
Psalmen spiegeln in besonderer Weise die Gefühle von Menschen in extremen Lebenssituationen wieder. Schmerz, Trauer, Einsamkeit, Enttäuschung wie auch Hoffnung und die Sehnsucht nach Trost und der Nähe Gottes kommen in Psalmen eindrucksvoll zur Sprache.
GS 15. März 2022
Es ist Krieg. Ein ratloser Psalm.
Aufgeschreckt bin ich, Ewiger, reibe mir zitternd die Augen,
ein Traum muss es sein, ein schrecklicher, ein Alptraum.
Entsetzt höre ich die Nachrichten, kann es nicht fassen.
Soldaten marschieren, kämpfen und sterben. Es ist Krieg.
Der Wahn eines Mächtigen treibt sie zu schändlichem Tun,
mit Lügen hat er sie aufgehetzt, mit dem Gift seiner Hassreden.
In den Kampf wirft er sie, missbraucht ihre Jugend, missbraucht ihre Kraft,
erobern sollen sie, töten sollen sie, sein Befehl ist eiskalt.
Seine Nachbarn hat er zu Feinden erklärt, ein Zerrbild gemalt,
in den dunkelsten Farben seiner wirren Machtphantasien.
Niemand wagt ihm zu widersprechen, seine Claqueure halten still,
ein Marionettentheater umgibt ihn, das er höhnisch bespielt.
Seine Bosheit hat Raffinesse, listig und schamlos geht er voran,
die Versuche, ihn umzustimmen, ließ er ins Leere laufen,
umsonst sind sie angereist aus besorgten Ländern,
Friedensappelle und Warnungen ließen ihn kalt.
Angst und Schrecken verbreiten sich, blankes Entsetzen,
wie viele Verletzte wird es geben, wieviel Tote?
Wann wird die gefräßige Gier des Tyrannen gesättigt sein,
wann der Blutstrom versiegen, wann die Waffen schweigen?
Hilflos starre ich auf die Bilder und Meldungen,
meine Fäuste voll Wut, in meinen Augen regnet es.
Fahr den Kriegstreibern in die Parade, Ewiger. Allen!
Leg ihnen das Handwerk, lass sie straucheln und fallen.
Wecke den Mut und den Widerstand der Rückgrat-Starken,
lass das Volk sich erheben und die Verbrecher entlarven.
Nicht entmutigen lassen sollen sich alle, die an den Frieden glauben,
die unverdrossen ihre Stimme erheben, gegen Verführer immun sind.
Sei unter denen, die nicht schweigen, die nicht wegschauen,
die nicht achselzuckend sagen, was kann ich schon bewirken.
Höre unser Beten, unser Schreien, es töne in Deinen Ohren,
unsere Angst um die Welt unsrer Kinder und Kindeskinder.
Sie hast Du uns in die Hände gegeben, Deine Welt ist die unsrige.
In die Hände fallen soll sie nicht den Machthungrigen ohne Gewissen.
Nie werde ich verstehen, warum Du dem allen nur zusiehst,
Deine Hand nicht eingreift und die Tyrannen zerschmettert.
Mach Dich gefasst auf meine zornigen Fragen, wenn wir uns sehen werden,
später, in diesem rätselhaften Danach, Deinem geheimnisumwobenen Himmel.
Dann will ich Antworten, will Erlösung und endgültigen Frieden,
jetzt aber will ich nicht aufgeben, zu tun, was ich tun kann,
damit wir jetzt und auch künftig den Namen verdienen,
den wir so selbstverständlich als unseren eigenen tragen,
und ehrlich und glaubwürdig und unverhärtet berührbar,
als menschlicher Mensch unter menschlichen Menschen leben.
sw (Stephan Wahl, Jerusalem)
Solidaritäts-Zumutungen
Seit fast zwei Wochen erleben wir aus der Ferne den Wahnsinn eines Bruderkrieges im Osten Europas, 2000 Kilometer entfernt und gefühlt direkt vor unserer Haustür. Friedensdemos und -Gebete, Solidaritätsbekundungen und Spenden für die Freiheits- und Landes-Verteidigenden verbindet die Menschen in der „Werte-Union“ Europa. Dies drückt sich auch in der Aufnahmebereitschaft für geflüchtete Frauen und Kinder aus.
Bisher wurde unsere Mitleidens-Bereitschaft nur an der Tanksäule und beim Blick auf die Gasrechnung auf die Probe gestellt. Wenn die Wirtschaftssanktionen greifen sollen, werden wir unsere Komfortzone verlassen müssen, unsere Heizungen herunterfahren, Strom sparen, Mobilität einschränken, höhere Lebensmittelpreise in Kauf nehmen müssen, … ein solidarisches Fasten, allerdings bisher eher notgedrungen.
Freiwilliger Verzicht im privaten Konsum war in allen Kulturen und Religionen schon immer ein Ausdruck des Fastens, der Enthaltsamkeit, der geistigen und körperlichen Reinigung.
Fasten im christlichen Sinne sollte einen geistigen Änderungsprozess unterstützen. Jesus ruft auf zu metanoia, „Ändert Euer Denken“ um die Sünde, die Absonderung von den Menschen und von Gott, zu überwinden.
Wirksames Fasten stärkt zum Nein-Sagen zu jeder Form von Egoismus, Machtanspruch und Überheblichkeit (Lk 4,1-13). Es bewirkt Sensibilität für die Not der anderen und führt zu Solidarität mit den Armen, Unterdrückten und Verfolgten.
Wenn wir uns den Zumutungen stellen und sie aus Solidarität mit den leidenden und fliehenden Menschen in der Ukraineannehmen -je nach unseren Möglichkeiten-, kann die siebenwöchige Fastenzeit vor Ostern, dem Fest des Lebens zu einem wirksamen und ermutigenden Zeichen für ein friedliebendes und freiheitliches Zusammenleben der Völker in Europa werden.
Den despotischen Aggressor im Kreml wird es vielleicht nicht beeindrucken, aber möglicherweise die friedliebenden Menschen in Russland und der Ukraine stärken in ihrem Nein zu Unterdrückung und Gewalt.
GS 8. März 2022
Es passt nicht und fühlt sich auch nicht gut an
in diesen dramatischen Tagen, in denen die Welt dem wahnsinnigen Kriegs-Drehbuch Wladimir Putins ausgeliefert scheint: Frühlinghaftes Wetter und die Bilder des Winterkrieges in der Ukraine, Menschen in Karnevalskostümen und Ukrainer*innen auf der Flucht vor dem Krieg, meine pazifistisch, naive Sehnsucht nach weltweiter Abrüstung und der Beschluss zur Aufrüstung der Bundeswehr. Meine Erinnerungen an die Friedensdemos der 80er und die drohende atomare Eskalation, der konziliare Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung und die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl, die existenziell bedrohliche Entwicklung des Weltklimas im Bericht des IPCC und die Entschuldigung russischer Wissenschaftler für ihre kriegstreibende Regierung, Das Mitleid des Patriarchen von Moskau für die leidende Zivilbevölkerung und seine Verweigerung zum sofortigen Stop der Militärinvasion in das Bruderland aufzurufen …
Angesichts all dessen noch hoffen auf Deeskalation, Respekt vor nationaler Integrität, Freiheit und Menschenrechte … und vielleicht doch Frieden zwischen Brüdervölkern?
Ich finde keine Hoffnungsworte, die in diese Situation passen würden, denn ich fühle mich ohnmächtig!
Das Lukasevangelium des vergangenen Sonntags verweist darauf, dass die innere Haltung unser Reden und Handeln bestimmt: „Ein guter Mensch bringt aus einem guten Herzen gute Taten hervor, und ein böser Mensch bringt aus einem bösen Herzen böse Taten hervor. Was immer in deinem Herzen ist, das bestimmt auch dein Reden.“ (Lk 6,45)
Ich möchte das Gute in mir und im Anderen wieder neu entdecken, wieder an das Gute glauben können, mich mit Menschen zusammenschließen, die für das Gute einstehen und Gutes tun, .. um wieder hoffen zu können trotz der hoffnungslosen Weltsituation auf eine Wende zum Guten und eine Vereinigung der Guten, die die Welt und die Menschheit noch retten kann. – Darum möchte ich beten zu Gott, der das Gute ist und der nur Gutes für uns will.
„… Stell dir vor, es gäbe keine Länder, es ist nicht schwer, das zu tun. Nichts, wofür es sich lohnt zu töten oder zu sterben und auch keine Religion. …“John Lennon
GS 2. März 2022
Grund genug
für mich in den 70ern den Kriegsdienst zu verweigern fand ich damals während des Kalten Krieges zwischen den Blockstaaten in der Friedensbotschaft Jesu in der Bergpredigt. Wir waren eine hochmotivierte christlich inspirierte Minderheit, die sich dem Wehrdienst verweigerten. Meine Begründung zur Verweigerung lag in den provozierenden Worten Jesu im Lukas-Evangelium: »Euch aber, die ihr mir wirklich zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde und tut denen Gutes, die euch hassen. Bittet Gott um seinen Segen für die Menschen, die euch Böses tun, und betet für alle, die euch beleidigen.“(Lk 6,27f) – und im gewaltlosen Widerstand von Mahatma Gandhi.
Die Gewissensüberprüfung vor einem Schöffengericht war abstruß und im wahrsten Sinne des Wortes peinlich für demokratisch denkende Menschen. Vielleicht war ich ja pazifistisch naiv mit meinem friedlichen Menschenbild und meinem Glauben an Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Feindesliebe.
In unseren spannungsaufgeladenen Zeiten aktuell mit diesem Jesus-Wort konfrontiert, fällt mir diese Zumutung schwer in meinem Alltag zu leben und wieviel mehr mit Blick auf eine eskalierende Kriegsbedrohung.
Die Einleitung: „Euch aber, die ihr mir wirklich zuhört, sage ich ….“ macht deutlich, dass es um eine Haltung des sich Einlassens auf die Botschaft Jesu und auf mein Gegenüber, den Menschen geht.
Feindesliebe ist eine Haltungsfrage. Feinde sind Personen, mit denen ich in einer negativen Beziehung stehe (Wiktionary). Lieben und Gutes tun überwindet diese Abneigung und Ablehnung und eröffnet Chancen zur Versöhnung, oder mindestens für Toleranz.
Der erste Schritt auf diesem haltungsverändernden Weg ist der Respekt vor dem/ der Anderen, die Offenheit ihm/ ihr zuzuhören und die Bereitschaft diese Beziehung zu verändern. Feindesliebe trotz schlechter Erfahrungen, Vorurteilen, Traditionen, toxischer Männlichkeit, Beleidigungen, …
Ein zweiter Schritt ist das Gebet für den Menschen im Feind und um Gottes Segen.
Unsere gemeinsame Zukunft in dieser „wonderful world“ ist Grund genug diese Schritte zum Frieden zu wagen.
GS 22.Febr 2022
Nur 10% !
Diese Ungerechtigkeit schreit zum Himmel: Bei uns in den reicheren Ländern des globalen Nordens wird bereits die 4. COVID-Impfung verabreicht, um die vulnerablen Gruppen -wozu die Kinder unter 12 Jahren, die wir ja oft als „unsere Zukunft“ bezeichnen, offenbar nicht gehören,- zu schützen. Während dessen sind in den ärmeren Ländern des Südens gerade mal 10% grundgeimpft. Und das nach mehr als einem Jahr und trotz Verteil-Zusagen über die UNICEF-Initiative COVAX.
Aber was kann „der Himmel“ für unseren (Impf-)Egoismus?
Jesus nennt im Matthäusevangelium den Zustand der Welt „Himmelreich“, wenn der Wille Gottes nach Gerechtigkeit und Liebe gelebt wird. Und er macht deutlich, wie dann die Verhältnisse auf den Kopf gestellt sind: Die Armen, Hungernden, Trauernden, Gehassten und Verfolgten werden „Glückselig sein“ und die Reichen, Satten, Erfolgsverwöhnten werden am Himmelreich keinen Anteil haben, den sie haben ja jetzt schon alles (Lk 6, 20-26).
Also „der Himmel wird’s schon richten“? – Sicher nicht, denn die Vision vom Gottes Reich oder dem Buen Vivir, dem Guten Leben für alle im gemeinsamen Haus basiert auf TEILEN aus bedingungsloser Liebe und aus Verantwortung für die geschenkte Welt.
Die 10% Impf-Ungerechtigkeit, wie überhaupt Unrecht kann uns nicht egal, also gleich sein. Denn das hat die Pandemie eindrücklich gezeigt, in unserer globalisierten Welt gibt es für Viren genau wie für den Klimawandel keine territorialen, gesellschaftlichen oder ideologischen Grenzen.
Auf die Impfstoff-Verteilung haben wir allenfalls über Politik und Wirtschaft indirekt Einfluss, aber das grenzüberschreitende Teilen ist auch in anderen Unrechtsfeldern möglich, durch Unterstützung von Bildungsprojekten, Wiederaufforstungs- und Artenschutzprojekten, Wasserwirtschaft, … die #SustainableDevelopmentGoals (SDG) der Vereinten Nationen bieten genügend Handlungsfelder auf dem Weg zum #GutesLebenfüralle im gemeinsamen Haus. – Nur 10% unseres Nettoeinkommens und/ oder unseres Engagements für nachhaltige Gerechtigkeit würde diese wundervolle Welt zu einem betterplace machen.
GS 14. Febr 2022
In Fahrt gekommen und ausgebremst
Der synodale Weg der Reform der Katholischen Kirche Deutschlands hat mit der 3. Vollversammlung endlich Fahrt aufgenommen. Dazu beigetragen hat sicherlich die konfrontativen Ergebnisse der Münchner Missbrauchsstudie und in der Folge die Unfähigkeit amtierender, wie emeritierter Hierarchen Verantwortung zu übernehmen für Ignoranz des Missbrauchs durch Amtsträger, Vertuschung der Taten in den Ordinariaten und Herabwürdigung des Opferleids, bis hin zu offensichtlichem Leugnen der Verantwortlichkeit für Personalentscheidungen.
Durch #outinchurch wurden zeitgleich Geschlechter-Diversität, Lebensformen und kirchliches Arbeitsrecht thematisiert.
So waren die mit großer Mehrheit von den Synodalen auf den Weg gebrachten „Empfehlungen“ zur Öffnung von Weiheämtern für Frauen, eine größere Beteiligung des Kirchenvolkes an der Bischofswahl und die Anpassung des kirchlichen (Sonder-) Arbeitsrechts an EU Standards wichtige öffentliche Signale des Reformwillens von mehr als 2/3 der Versammelten inklusive Bischöfe
Die Euphoriebremse kam schon während der Versammlung in einer Mahn-Botschaft des päpstlichen Nuntius: In einer Erklärung vor den Delegierten betonte er die Einheit der katholischen Kirche, die weltweit dieselbe Botschaft verkünde. Dabei sei entscheidend, was der „Heilige Vater“ in Rom sage. … Eine wahre Synode sei vom Heiligen Geist erfüllt „und nicht ein Parlament oder eine Befragung von Meinungen …“
Am Tag danach hörten die Sonntagsgottesdienstbesucher aus dem Korintherbrief des Paulus: „Ich erinnere euch an das Evangelium, das ich euch verkündet habe. Ihr habt es angenommen; es ist der Grund, auf dem ihr steht. … Durch diese Botschaft werdet ihr gerettet, wenn ihr sie unverfälscht festhaltet.“ Die Essenz dieser Botschaft war am Sonntag vor dieser dritten Versammlung des Synodalen Weges zu hören und gab damit den Synoden-Ton vor: Der Weg der Liebe ist das Handlungskonzept für die kirchliche Lebenspraxis: „Auch wenn alles einmal aufhört – Glaube, Hoffnung und Liebe nicht. Diese drei werden immer bleiben; doch am höchsten steht die Liebe.“ (1 Kor 13)
Diese Wegweisung ist geistbewegender als die Vereinheitlichungsbremse.
GS 8. Febr 2022
Ablehnung und Zuwendung
Unbequeme Wahrheiten lassen wir uns ungern aus unserer näheren sozialen Umgebung, unserem Biotop, unserer Bubble sagen. Ja sie erreichen uns erst gar nicht, erst recht nicht, wenn sie von Menschen kommt, denen wir uns mehr als ebenbürtig sehen, weil wir mit ihnen aufgewachsen sind oder wenn sie unsere Kinder oder Schüler*innen sind. „Was kann der schon wissen, was wir nicht wissen, was bildet die sich eigentlich ein …?
Wir können nur schlecht aushalten, wenn uns der Spiegel vorgehalten wird und erst recht, wenn wir belehrt werden oder sogar zur Verhaltensänderung aufgefordert werden. Im Gegenteil eher schliessen wir uns fester zusammen und polemisieren gegen solche Zumutungen – gerade auch in Krisenzeiten.
Im Lukasevangelium (4,16-30) macht Jesus diese Erfahrung. Er erzählt in seiner Heimatgemeinde von seiner Vision des Gottesreiches für alle, von seiner Berufung den Armen die gute Nachricht zu verkünden, den Gefangenen die Freiheit zuzusprechen, den Blinden, dass sie sehen werden und den Unterdrückten die Freiheit zu bringen. Und, das alles nicht erst später, sondern jetzt. Jetzt und mit ihm beginnt eine neue Wirklichkeit, die verändert … wenn die Betreffenden sich darauf einlassen. Aber seine Zuhörer wollen sich nicht darauf einlassen, weil sie ihm die Kompetenz absprechen und weil er ihnen den Exklusivitätsanspruch verweigert. Er fühlt und weiss sich zu denen gesandt, die von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt werden, zu den Loosern.
Er macht die Erfahrung, dass „kein Prophet in seiner Heimatstadt anerkannt“ wird (Lk 4,24). Er provoziert damit Hass und der aufgebrachte Mob versucht ihn zu töten.
Diese Erfahrung Jesu machen auch die Mahner und Reformwilligen unserer Tage in Kirche, Gesellschaft und Politik. „Bloss keine Veränderung! Alles soll so bleiben wie es ist und immer schon war!“ Sicherheit statt Reform. Tradition statt Veränderungskultur. Klientelpolitik statt Soziale Gerechtigkeit. Wirtschaftswachstum statt Energiewende. Freiheit statt Solidarität mit den Ungeschützten …
Und Jesus? Er durchbricht die menschliche Wand aus Hass und Ignoranz, folgt seiner Berufung und „wendet sich den Menschen in Liebe zu“ (Lk 2,14)
GS 1. Feb 2022
alles Menschenmögliche getan
Im ZDF Spielfilm über die Wannseekonferenz „zur Endlösung der Judenfrage“ vor 80 Jahren steht dieser Satz aus dem Protokoll von Adolf Eichmann am Ende der technischen Schilderung der geplanten Ausrottung der Juden in Europa. Er soll die Anwesenden beruhigen, dass der „deutsche Volkskörper“ von der Vergasung nichts mitbekommen wird, es also eine technisch „saubere“ Lösung sei, auch ohne psychische Belastung der ausführenden Deutschen.
„alles Menschen mögliche…“: perfekt in der Unmenschlichkeit des technischen Massenmordens, geplant für 11 Millionen Juden und menschenverachtend verabredet auf einer Konferenz mit Frühstück und Cognac innerhalb von 3 Stunden in einer Luxus-Villa am idyllischen Wannsee. Wir machen es möglich – alles!
Mir kam die Zusage Jesu aus dem Matthäus-Evengelium (Mt 19,26) in den Sinn als Entgegnung auf die resignierte Aussage der Jünger*innen, dass Selbstlosigkeit, Teilen, Verzicht um Gerechtigkeit zu ermöglichen eine Menschen unmögliche Zumutung sei, um gerettet zu werden.
„Jesus sah sie an und sagte zu ihnen: Für Menschen ist das unmöglich, für Gott aber ist alles möglich.“
Für Gott ist alles möglich! Auch eine gerechte und friedliche Welt? Auch die Überwindung von Hass und Neid und all dem, wozu Menschen an Unrecht, Unheil und Zerstörung in Gesellschaft und auch in der Kirche fähig sind?
Jesus stellt die Zumutung vor: wenn wir verzeihen und lieben, wie wir es im Vater Unser erbeten, kann Gott das „Himmelreich“ für alle Menschen guten Willens ermöglichen.
80 Jahre nach der technokratischen Verabredung zum Massenmord an den Juden treibt antisemitischer Hass und Fremdenfeindlichkeit immer noch die selbsternannten Erben der Täter dazu den „deutschen Volkskörper“ rein zu halten und alles Menschenmögliche dazu aufzubieten. Die Auforderung Jesu: Lieben und um Erbarmen bitten – das sollte uns um der Menschlichkeit und des Reiches der Gerechtigkeit der Liebe und des Friedens möglich sein.
GS 24. Jan 2022
Für den Bäcker, der den Ofen nicht mehr anmacht
für die Bauern, deren Pflüge stehn
für den Maurer, der die Kelle hinlegt
für die Hirten, die nicht mehr weitergehn
Kyrie Eleison
Für den Lehrer ohne Chance, zu unterrichten
für den Priester, der sein Gebet vergisst
für den Doktor, der viel könnte, wenn er dürfte
und für den Richter, dem nicht zu helfen ist
Kyrie Eleison
Für die Großmutter in der Abstellkammer,
für den Opa, der schon vergessen ist
für die Ängste und schlaflosen Nächte
für den Kummer, der nicht zu ermessen ist
Für die Lover, die nicht mehr singen
für die Liebste, die für immer geht
für all das sinnlose Leid hier auf Erden
für unsre Seele, die zum Teufel geht
Kyrie Eleison
Für die in Kellern gefangenen Kinder
soviel Unschuld und Leben zerstört
für die politischen Herrscher
durch Geld und Macht entehrt
für unsere bissigen, beißenden Worte
für unsre Lügen und unsren schlechten Stil
für das Paradies, das wir verloren
für unser lebenslängliches Exil
Für Knastwärter und Advokaten
für Präsidenten und Inspekteure
für Adjudanten und Kommandanten
für Kommissare und Kontrolleure
Für Fabrikanten und für Kommerzgiganten
und Händler mit großem Gewinn
durch Hormone, Drogen und Waffen
für all das Böse zwischendrin
Auch für die Fischer und für Matrosen
und für die Bauern in unsrer Näh‘
für’s Zigeunervolk an den Strassen
für den Fahrer vom LKW
Für den Nachbarn und den Mechaniker
für den Schmied und für den Zimmermann
für das Kerlchen hinterm Schalter
für den Sänger, für den Orgelman
Für die Mutter des gelähmten Kindes
für den Schatz von dem toten Soldat
für das Mädchen, das keinen abkriegt
für all den Schmerz, den ihr niemals saht
Für wen soll ich hier jetzt noch singen
für diejenigen, die ich hier vergaß
ohne Frieden kann keiner leben
ob reicher Knacker oder armes Aas
Source: https://muzikum.eu/en/herman-van-veen/kyrie-eleison-deutsch-lyrics
Sei mutig und stark!
…Über dieses Buch der Weisung sollst du immer reden und Tag und Nacht darüber nachsinnen, damit du darauf achtest, genauso zu handeln, wie darin geschrieben steht. (Josua 1,6-8)
Während ich dies niederschreibe wird in München der Untersuchungsbericht zum innerkirchlichen Umgang mit Missbrauchstaten unter der Verantwortung der Münchener Erzbischöfe überreicht.
Die Kirchen-Personal-Verantwortlichen und an ihrer hierarchischen Spitze die Erzbischöfe haben weggesehen, weggehört und vertuscht, anstatt konsequent kirchliche und rechtliche Schritte gegen die Täter einzuleiten. Unter ihnen auch Kardinal Ratzinger als Erzbischof von München, als Präfekt der römischen Glaubenskongregation und als Papst Benedikt
Dieser Skandal hat System in der Weltkirche, in Gemeinden, Pfarreien, Ordensgemeinschaften und kirchliche Einrichtungen.
Wer sich dem erschütternden Gespräch zwischen zwei Missbrauchs-Opfern und dem Augsburger Bischof (ARD Report München 11. Januar 2022) ausgesetzt hat, kann die Grausamkeit der Täter und das entsetzliche Leid der Missbrauchten nur fassungslos erahnen.
Die deutsche und die römische Kirche versucht nun eher halbherzig in synodalen Prozessen das System zu reformieren. Sie scheitert an den selbstgebauten Hürden, dass wesentliche Strukturen und Ordnungen unverfügbar, sakrosankt seien, da sie vermeindlich göttlichem Willen entspringen oder der kirchlichen Tradition, also schon immer so geglaubt wurden.
Im „Buch der Weisung“, wie es dem Moses-Nachfolger Josua vorgehalten wird, und in den folgenden alt- und neutestamentlichen Schriften findet sich als Handlungsanweisung für Leitende – also auch für die „Hirten“- die Aufforderung zur DienMUT und zur Nächsten- und Feindesliebe um Gerechtigkeit und allumfassenden Frieden zu ermöglichen.
Wenn diese Kirche wirklich umkehren und den Weg der Erneuerung gehen will, um sexuellen und geistlichen Missbrauch zu verhindern und damit Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, braucht sie den MUT den Opfern vorbehaltlos zuzuhören, Fehler und Machtmissbrauch einzugestehen, bis in ihre hierarchische Spitze hinein die Verantwortung zu übernehmen und personelle Konsequenzen zu ziehen. Machtverzicht zugunsten von Synodalität und DienMUT der Amtsträger wären ihre Stärke in einer erneuerten Glaubensgemeinschaft in der Nachfolge Jesu.
GS 20. Jan 2022
Einatmen – Ausatmen
Bei der morgendlichen Lektüre der Schlagzeilen meiner Online-Zeitung verschlägt es mir oft den Atem. Auch die intensivere Lektüre und die Nebenher-Nachrichten verstärken eher dieses Hilflosigkeits-Gefühl gemischt mit Empörung und Resignation.
Zum Ensemble unseres großen Esstisches gehören zwei Postkarten EINATMEN – AUSATMEN. Sie helfen mir in solchen Momenten, lassen mich innehalten, nachdenken, beruhigen und nach einiger Zeit auch Kraft schöpfen, … leben.
EINATMEN – AUSATMEN, mein Lebensrhytmus
Richard Rohr, Franziskaner und spiritueller Lehrer, erzählt von jüdischen Gelehrten, die die Konsonanten des Gottesnamen JHWH deuten als „Versuch, das Atmen des Menschen wiederzugeben: mit JH den Zug des Einatmens und mit WH den Zug des Ausatmens!“ (R.Rohr, Ins Herz geschrieben, Herder 2008, S.189). Gott* ICH-BIN-DA-BEI-EUCH „ist uns verfügbar und zugänglich, wie unser Atem“ (ebd.), ist lebensbegleitend – ja ist das Leben selbst!
Auch, wenn es mir mal den Atem verschlägt,kann ich zurückfinden zum EINATMEN – AUSATMEN, meinen Lebensrhytmus wiederfinden im Vertrauen darauf, dass Gott* mich atmen lässt.
Der mich atmen läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich leben läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich schweigen läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich reden läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich warten läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich handeln läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich wachsen läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich Mensch sein läßt
bist Du, lebendiger Gott
Der mich atmen läßt
bist Du, lebendiger Gott
(Anton Rotzetter, „Gott, der mich atmen lässt“, Herder-Verlag Freiburg, 2000, S. 98)
GS 11.Januar 2022
Besser-Wünsche-Zeit
Im Ritual des Jahreswechsels ist der Gut-Wunsch fester Bestand. Wobei den Bewünschten das subjektive „Gut“ zu füllen bleibt. Letztlich wird sich erst im Jahresrückblick zeigen, ob es wirklich ein gutes Jahr war für mich.
Aber bei allen Wunsch-Individualismen gibt es dennoch eine gemeinsame Sehnsucht nach Frieden für die Welt, sprachlich für mich am schönsten und umfassensten ausgedrückt im hebräischen Segens-Gruß SCHALOM. שלום bedeutet zunächst Unversehrtheit und Heil. Doch mit dem Begriff ist nicht nur Befreiung von jedem Unheil und Unglück gemeint, sondern auch Gesundheit, Wohlfahrt, Sicherheit, Frieden und Ruhe (Wikipedia)
Schalom ist aber anders als SEKUNDENGLÜCK (Herbert Grönemeyer) eine Aufgabe, ein Vorsatz, eine Perspektive zur Gestaltung unserer Gesellschaft. Schalom beginnt mit mir und meinem Handeln in der Hoffnung auf Anschlussfähigkeit mit Gleichgesinnten, sozusagen eine Friedensbewegung.
In der Weihnachtsbotschaft der Bot*innen Gottes heisst es: „Gottes Frieden kommt auf die Erde zu den Menschen, denen er sich in Liebe zuwendet!“ (Lukas 2,14)
Friede als Gottes-Geschenk an Menschen, die versuchen in Liebe miteinander zu leben.
Am Anfang dieses neuen Jahres eine bleibende Zumutung nicht nur in Krisenzeiten.
„ … Let it begin with me… „ singen Isley Brothers & Santana in einem Gospel (Good Spell – Gute Botschaft) „ The peace that was meant to be |With God as our Father | Brothers all are we | … In perfect harmony | Let peace begin with me | Let this be the moment now | With ev’ry step I take | … To take each moment and live | Each moment in peace eternally
SCHALOM ist mein Besser-Wunsch für das eben begonnene Jahr!
GS 3. Januar 2022