Januar-März 2021
Perspektive:wechseln
Seit einem Jahr bestimmt scheinbar nur ein Thema die täglichen Schlagzeilen, die Zusammensetzung der Talk-Shows und die Sondersendungen der öffentlich-rechtlichen TV-Sender.
Corona ist politisch und sozial viral, bringt unser Gesundheitssystem an die Grenzen und provoziert Verschwörungstheorethiker, Impfgegner und Staatsverweigerer als „Querdenker“. Da wo es um unsere persönliche Freiheit geht, fühlen wir uns bedroht, eingeschränkt, unterdrückt. Die Schutzmaske wird zum Maulkorb erklärt, die Versammlungsfreiheit zum in Kauf genommenen Super-Spreader-Event und Demonstrationen werden zu Gottesdiensten um etikettiert. Welchem Gott wird da gedient?
Das Virus und seine Mutationen bringt unsere Ordnungen, unser Sozial- und Konsumverhalten, sogar unsere Feste durcheinander – überall auf der Erde!
Es ist eine PANdemie, aber wir haben nur unsere Perspektive, unseren Nahbereich im Blick, der Rest verschwindet bestenfalls im Nebel, im schlimmeren Fall bauen wir Sichtschutzmauern.
Wenn wir den Blick doch mal von uns selbst lösen würden, über den Corona-Tellerrand hinaus auf die erschreckenden Veränderungen der „Klimakonstanten“, die Unterdrückung der Menschenrechte in autoritären Staaten und Pseudo-Demokratien und die aus allem resultierenden Flüchtlingsströme direkt vor unserer Haustür schauen würden.
„Was wäre, … wenn wir uns trauen würden, ein Herz zu haben? Wenn wir bereit wären, es uns und anderen unbequem zu machen? Lästige, aber notwendige Fragen zu stellen? Den Finger in die Wunde zu legen?
„Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne, in aller Geduld und Belehrung“ (2 Tim 4,2).
Das Wort der Befreiung verkünden, Wahrheiten aussprechen, die keiner hören will, zur Unzeit und hartnäckig, das war schon immer Prophetenart. Jetzt wäre es angebracht. Denn die Alleingelassenen brauchen Verbündete.“ – Petra Gaidetzka, MISEREOR
Es geht! Anders. – wenn wir die Perspektive:wechseln
GS 30. März 2021
Anmaßend?
Ich habe mir das Vater Unser erbetet. Immer wieder, immer bewusster und immer langsamer und stockender.
Der Vers „Dein Wille geschehe“ hat mich jedes Mal stocken lassen.
Er war und ist sperrig für mich. Woran erkenne ich, was der Wille Gottes ist? Wie geschieht er und was hat er mit mir, mit meinem Leben zu tun?
Hat Gott einen Plan mit mir? Sicherlich – glaube ich!
Aber wie erkenne ich, was dieser Plan ist?
Die Antwort der vatikanischen Glaubenskongregation, also der obersten Glaubensbehörde der katholischen Kirche, auf die Anfrage „Hat die Kirche die Vollmacht, Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts zu segnen?“ maßt sich an zu wissen, was der „geoffenbarte Plan Gottes“ für gleichgeschlechtlich liebende Menschen und ihre Beziehung ist, die um den Segen der Kirche bitten.
Segen = benedicere = von jemandem gut sprechen, jemanden loben, jemandem etwas Gutes zusagen
Ziel des Segens bzw. Segnens (lateinisch signandum) ist die Förderung von Glück und Gedeihen
Die Begründung für das NEIN DER Kirche zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare spricht siebenmal vom Plan Gottes mit den Menschen und einmal ausdrücklich vom Willen Gottes.
NEIN, weil homosexuelle Paare nicht im Plan Gottes vorgesehen sind oder wörtlich: weil eine solche Verbindung „nicht auf den Plan des Schöpfers hin geordnet ist.“
NEIN, weil DIE Kirche damit „einen Entschluss und eine Lebenspraxis“ billigen und fördern würde, „die nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hin geordnet anerkannt werden können.“
Jeder Mensch versucht zu erkennen, was der Liebesplan Gottes mit ihm ist, dafür erbitten wir Gottes Segen:
für diese unsere Suche, was sein Wille ist, für unsere Beziehungen, die wir liebend gestalten und leben wollen, für die Menschen, die uns liebend verbunden sind.
Der Segen ist ein Zeichen, eine Signatur, eine Bestätigung der unverfügbaren und unermesslichen Liebe Gottes zu uns Menschen.
Dieser Segen wird bestätigend zugesprochen von einer Gott und den Menschen dienenden, sich um die Seelen sorgenden Kirche, die täglich erbetet:
DEIN REICH der Liebe komme, DEIN WILLE für Gerechtigkeit geschehe – durch uns.
GS 23. März 2021
Bleibt besser zu Hause!
Diesen Auf- und Ausruf von Prof. Christian Drosten habe ich nunmehr genau 1 Jahr lang befolgt, mehr noch, ich habe auch keine „Clubs oder Partys“ und keine „Präsenz-„-Gottesdienste und Gremien-Sitzungen besucht. Und ich musste leider auch auf den Besuch von Kindern und Enkeln -bis auf sehr wenige Ausnahmen und diese dann noch begleitet von Schutzmaßnahmen und Quarantänen- verzichten. Hochzeiten mussten ausfallen und Tote wurden weitgehend unter Ausschluss von Freunden und Bekannten zu Grabe getragen.
Manches fehlte mir im zurückliegenden Jahr des Social Distancing: Spontane Besuche, die greifbare Nähe von Menschen, die mir wichtig sind, das Zusammensein mit Freunden, ja auch das unbekümmerte Feiern, einfach so. Mein spirituelles Leben und Erleben ist anders geworden.
Vor 1 Jahr war ich das letzte Mal an einem spirituellen Ort, mit dem mich seit 35 Jahren viel verbindet, der mir und meiner Familie spirituelle Heimat war. Ich war am Freitag, dem 13. März 2020 dort, um unseren FeierAbend+ Gottesdienst dort abzusagen und Hinweisschilder an der Kirchentür auszuhängen: Wegen des hohen Infektionsrisikos muss der Gottesdienst leider ausfallen!
„Bleibt zu Hause!“ damit Ihr Euch nicht zu nahe kommt, damit Ihr nicht Euch und andere gefährdet. Gottesdienst als lebensgefährdende Versammlung, Beten und Singen als Virentransfer und das bis heute hin.
Meine Beziehung zu Gott ist geprägt von meinen Beziehungen zu Menschen. Biblisch gesprochen: Im Nächsten begegne ich Gott! – Ist Social Distancing auch Distance from God?
Wenn ich die Zusage Gottes glaube, dann ist ICH BIN DA BEI EUCH nicht an „Präsenz“veranstaltungen gebunden (und wahrscheinlich nicht in „Geistergottesdiensten“ erfahrbar), sondern in der „Distanz“-Zeit auch im ZOOM mit Menschen, mit denen ich im Glaubensgespräch und im Gebet verbunden bin. Spirituelle Heimat kann ich so auch in Netzgemeinschaften finden. Beteiligt sein (Particiatio actuosa) trotz räumlicher Distanz und mit der Hoffnung auf nachhaltige Verbundenheit mit den Menschen und mit Gott.
GS 16. März 2021
In diesen Tagen,
in denen mir der Mut fehlt,
die Kraft nachlässt,
meine Perspektivlosigkeit mich lähmt,
reich Du, Gott, mir deine Hand.
Richte mich auf,
weite meinen Blick,
lass mich die Perspektive wechseln.
Richte mich auf,
schenke meiner Hoffnung Raum,
lass mich Mut fassen.
Richte mich auf,
nimm mich an deine Hand,
schenke mir dein Heil.
Pia Biehl (spurensuche.info)
Manchmal möchte ich …
wenn ich sehe, was in der Kirche schon seit einiger Zeit los ist, meiner Enttäuschung und ja auch Wut freien Lauf lassen.
Ich würde mir die Verantwortlichen mal so richtig vornehmen und ihnen die Meinung geigen: Ihr habt den Karren vor die Wand gefahren, stellt Euch doch Eurer Verantwortung. Ihr habt aus der Kirche, die den Menschen und Gott dienen will, einen selbstverliebten, ungerechten, exklusiven Männer-Club gemacht … – Ihr habt mich meiner geistlichen Heimat beraubt!
Manchmal möchte ich, könnte ich, würde ich … Alles Konjunktive, folgenlos, hätte, hätte, Fahrradkette …
Hat nicht auch Jesus in „heiligem Zorn“ die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel getrieben? (Johannes 2, 13-17)
Jesus wandte seinen Zorn gegen die Haupteinnahmequelle der Tempelverwaltung. Seine Kritik richtet sich gegen die Kommerzialisierung des Tempelbetriebs und der Gottesanbetung und –Begegnung.
Und er macht deutlich, wie sehr er sich mit diesem Ort identifiziert: „Haus meines Vaters“, also seine geistliche Heimat. Jesu prophetische Zeichenhandlung ist ein Angriff auf die bestehende religiös-politische Ordnung … und deren Hüter, die Priesterschaft.
Wo ist meine geistliche Heimat, mein spiritueller Ort an dem und aus dem ich meinen Glauben schöpfe, den ich regelmäßig besuche und zu dem ich immer wieder zurückkehre? Und was macht diese Heimat aus?
Im Moment fällt es mir schwer meine Kirche als geistliche Heimat zu bezeichnen, wenn ich damit ihre glaubwürdige Verkündigung und gesellschaftliche Wirksamkeit meine. Da messe ich – und unsere Gesellschaft -sie am Auftrag Jesu an seine Freunde und Jünger:
Geht ohne Geld und Essen, einfach gekleidet zu den Menschen, ruft sie auf sich mit Gott und untereinander zu versöhnen. Verkündet die befreiende Botschaft von Gottes Liebe. Ich gebe Euch die Vollmacht dazu Kranke zu heilen. Seid in eurem Auftreten und Handeln glaubwürdige Botschafter des Gottesreiches der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens (Markus 6)
Manchmal möchte ich, angesichts dieser Wirklichkeit, meiner Wut und meinem Zorn –letztlich über meine Unfähigkeit diesen Anspruch glaubwürdig selbst zu leben- freien Lauf lassen können und anfangen … mich zu ändern.
GS 10. März 2021
ERMUTIGUNG ZUM HANDELN
Wenn du dir die Hände
nicht schmutzig machen willst
und dir einredest,
dass genug andere Menschen aktiv werden könnten,
dann wünsche ich dir den Mut,
dich für die Wahrheit zu entscheiden.
Wenn du merkst,
dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden,
dann wünsche ich dir den Mut,
dich einzumischen
und Partei zu ergreifen für ein Leben in Würde.
Wenn du erkannt hast,
was auf dem Spiel steht,
aber vor den damit verbundenen Hindernissen zurückschreckst,
dann wünsche ich dir den Mut,
über deinen Schatten zu springen.
Angela Lohausen/ Guido Schürenberg – Fastenaktion Misereor 2017
Wir wollen glaubwürdig bleiben!
Mit diesem Leitbild positionierte sich das Team der KHG-Köln zum Wintersemester 2019 in ihrem Semesterprogramm und auf ihrer Website. Diese Positionierung passte zur kirchlichen Problemanzeige nach den skandalösen Veröffentlichungen zu sexuellem und geistlichem Missbrauch in tausenden Fällen in kirchlichen Einrichtungen und durch kirchliche und speziell priesterliche Mitarbeiter durch die sogenannte MGH Studie im September 2018.
Glaub-Würdigkeit macht eine Glaubensgemeinschaft aus. Sie muss ihre Praxis an dem messen lassen, was sie als Glaube verkündet. Sonst verspielt sie das Vertrauen nicht nur der Gläubigen, also ihrer Mitglieder, sondern auch das Vertrauen der Gesellschaft in die Kirche als Sozialorganisation mit vielen Sozial- und Bildungseinrichtungen mit gesellschaftlicher Relevanz.
Auch Jesus musste sich der Frage nach der Glaubwürdigkeit seiner Botschaft stellen und er verweist die Fragenden auf seine Praxis und Wirkung:
„Berichtet, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen, Gelähmte gehen, Aussätzige werden gesund, Taube hören, Tote werden zum Leben erweckt und den Armen wird die gute Botschaft verkündet. Freuen darf sich, wer nicht an mir irre wird!“ (Matthäus 11, 4-6)
Mittlerweile werden aber viele gutwillige, auch gläubige Kirchenmitglieder an der unbeirrbaren und ignoranten Haltung und der offensichtlichen Reformunwilligkeit und-fähigkeit vieler kirchenleitender Männer irre und kehren ihrer Kirche den Rücken. Darunter auch viele über lange Jahre hoch motivierte und engagierte Ehrenamtliche. Diese und auch die, die sich auch innerkirchlich noch für eine Kirchenreform einsetzen, wollen glaubwürdig bleiben.
Ich habe mal gelernt: „Ekklesia semper reformanda“ und es sagt viel über die katholische Kirche und ihren Reformbedarf aus, wenn Papst Franziskus diesen auf den Reformator Martin Luther zurückgehenden Satz 2017 in Kolumbien in den Mittelpunkt seiner Predigt zum inneren Reformbedarf seiner Kirche stellt: „Statt einem „starren Hängen an Normen und Gesetzen“ verlangt der Papst Wachsamkeit für das, was er die „wirksame Gegenwart des Herrn“ nennt; diese ist zu finden „in den konkreten Bedürfnissen unserer Brüder und Schwestern“, im Hunger des Nächsten.“ (katholisch.de 10.Sept 2017)
Wenn Kirche glaubwürdig die Botschaft Jesu verkündigen und leben will, dann muss sie auf die Fragen und Nöte der Menschen eingehen und sich diesen zuwenden.
In ihrer Organisation und ihrem Machtgebahren muss sie sich entscheiden, wie Christiane Florin in einem Kommentar zur Frühjahrsvollversammlung der Bischöfe schreibt: „demokratisch oder autoritär, plural oder monolitisch, emanzipatorisch oder warschonimmersoundhaltetjetztdieklappe.“ (DLF 25.2.2021)
Das die Freiheit des Meinungsaustausches und der Kritik ein Grundrecht, ja eine Verpflichtung des Gottesvolkes ist, beschreibt die päpstliche Enzyklika Communio et progressio 1971: „Die verantwortlichen kirchlichen Obrigkeiten werden dafür sorgen, dass sich innerhalb der Kirche auf der Basis der Meinungs- und Redefreiheit der Austausch legitimer Ansichten lebendig entfaltet.“
Kirchenmacht und –Ohnmachterfahrene werden zurecht fragen: Und wer bestimmt, was legitime Ansichten sind?
GS 2. März 2021
Existenzrelevant?
Seit dem ersten Lock down vor einem Jahr im März 2020 beschwerten sich insbesondere katholische Kirchenleitungen, dass Gottesdienste nicht als systemrelevant eingestuft wurden, unter das Versammlungsverbot fielen und daher für längere Zeit nicht mehr stattfinden konnten und danach nur unter erheblichen Einschränkungen.
So kommentierte die FAZ am 1. Mai 2020, die Reaktion einiger Bistümer und Landeskirchen nicht nur Gottesdienste in den Kirchen, sondern überhaupt Versammlungen pandemiebedingt auszusetzen: „Deutlicher kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass man sein eigenes Tun auch im existenziellen Sinn für irrelevant hält.“ (FAZ.net 1.5.20)
Seitdem arbeiten sich Kirchenleitungen daran ab kirchliche Vollzüge, Angebote und Veranstaltungen als wenn schon nicht systemrelevant, dann doch existenzrelevant zu bezeichnen. So (sicherlich nicht) zuletzt der Paderborner Erzbischof Becker in einem Brief an die Mitarbeiter*innen des Bistums: „Das kirchliche Engagement in Pastoral, Betreuung und Pflege habe sich im Dienst an der Gesellschaft als unverzichtbar und „existenzrelevant“ erwiesen. „Unsere Kirche wird gebraucht!“, so Becker. (katholisch.de – 18.2.21)
Relevant für wen?
Für unsere Gesellschaft sind Dienstleistungen in Betreuung und Pflege, wie sie die Kirchen als gemeinnützige Träger anbieten, unbestritten systemrelevant, gerade in dieser Gemeinnützigkeit!
Eine dienende Kirche ist in der Tat existenz-relevant und zwar für sich als Organisation und die in ihr Arbeitenden und von ihr Abhängigen, denn das ist ihr organisationaler Zweck. Oder mit den Worten des ehemaligen Bischofs von Evreux Jacques Gaillot: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts“
Ob DIE KIRCHE, wie wir sie erleben relevant für uns, unseren Glauben, unsere seelische Existenz ist hängt von ihrer erlebbaren Praxis ab: Wenn sie sich und ihre Repräsentanten und Mitglieder -und das bin auch ich- als Dienende an der unverdienten Liebe Gottes zu uns Menschen versteht, ja diese bedingungslose Liebe lebt und erfahrbar macht, dann ist sie relevant und die zuwendende Antwort auf Gottes Heilssorge:
HERR, was ist schon der Mensch! Warum schenkst du ihm überhaupt Beachtung? Warum kümmerst du dich um ihn? (Ps 144,3)
Eine Kirche, die um sich selbst kreist und ihre Machtstrukturen konserviert und missbraucht, der setzt Jesus bei seinem letzten gemeinsamen Mahl mit seinen Freunden entgegen: »In dieser Welt unterdrücken die Herrscher ihre Völker, und rücksichtslose Machthaber lassen sich als Wohltäter feiern. Aber bei euch soll es nicht so sein. Im Gegenteil: Der Erste unter euch soll sich allen anderen unterordnen, und wer euch führen will, muss allen dienen.<< (Lk 22)
Wenn sich also in dieser Woche die deutschen Bischöfe Gedanken zur Zukunft der Kirche und den synodalen Weg machen, ist der Maßstab für Relevanz gesetzt.
GS 23. Febr 2021
Es geht! Anders.
Begrüßungsmonologe:
Wie geht’s? Wie isset?
Reaktionen je nach Stimmung, Beziehung, Dialogbereitschaft, Zeit, Herkunft … :
Jot! Muss! Geht so! Frag nich! Wie sollet sein?…
Befindlichkeitsfloskeln oder Zustandsbeschreibungen?
Mit Blick auf unsere Erde, „das gemeinsame Haus“ (Papst Franziskus) und die Fragen weltweiter Gerechtigkeit und ökologischer Wende schwingt bei der Feststellung Es geht! ein „so lala“ mit, also eher Skepsis als Mut machende Perspektive.
Wenn Misereor über die diesjährige Fastenaktion schreibt: Es geht! Anders.
dann ist das nicht einfach eine Zustandsbeschreibung der mühsamen Weltverbesserung, sondern gebunden an den Appell zur Veränderung des eigenen Verhaltens.
Anders werden, Alternativen der LebenssAlltagsGestaltung zu suchen.
Bewusster wirtschaften, produzieren und leben, sich der Verantwortung für das gemeinsame Haus bewusst werden, das steht nicht erst seit Mahatma Gandhis gewaltlosem Widerstand gegen die englische Kolonialmacht oder dem ökumenischen Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung als politischer Anspruch für religiös motiviertes Fasten.
Fasten als Veränderung der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, um Welt und Gesellschaft „gottgewollt“ zu verändern findet sich schon vor mehr als 2500 Jahren in den Schriften des Propheten Jesaja:
„Ein Fasten, wie ich es haben will! Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit und macht jeder Unterdrückung ein Ende!“ Jes 58,6
oder in einer Übertragung und Aktualisierung:
Ist nicht vielmehr das ein Fasten, das ICH liebe:
Ungerechte Fesseln zu lösen
zu lockern, was hinabzieht
Menschen zu befreien, die unter Gewalt und Macht leiden?
und alles was unterdrückt zu entfernen?
Tobias Kölling 2017
Es geht um Achtsamkeit für Unrecht, um Befreiung von Ohnmacht und Ausbeutung, um die Veränderung der Verhältnisse, um die gemeinsame Zukunft.
Einladender Begrüßungsdialog: Wie isset? – Wie sollet sein? (Niederrhein und westliches Ruhrgebiet)
GS 17. Februar 2021
Ich singe, weil ich ein Lied hab …
war eines der Lieder, mit dem Konstantin Wecker 1975 bekannt wurde als politischer Liedermacher und Poet. Das Lied ist eine Botschaft und muss gesungen werden, egal ob die Leute es hören wollen oder nicht. Und auch wenn der Sänger gestorben ist, sucht das Lied einen anderen Sänger.
Das Lied ist in den 1980ern ins Spanische übertragen worden und von Mercedes Sosa und Joan Baez in den (latein)amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen verbreitet worden. Es hat so bis auf den heutigen Tag eine große Reichweite.
Ähnlich muss es dem spätberufenen Apostel Paulus gegangen sein, wenn er an seine Gemeinde in Korinth schreibt: „Wenn ich das Evangelium verkünde, … kann ich ja gar nicht anders – weh mir, wenn ich es nicht weitergebe! … Ich tue es nicht freiwillig, sondern weil ich mit einem Amt betraut bin.“
Und dieses Amt ist -nach heutigem Verständnis- ein Ehrenamt, denn er wird dafür von keiner Kirche bezahlt, sondern verdient seinen Lebensunterhalt mit seinem erlernten Beruf als Zeltmacher.
Er grenzt sich sogar ab von den Berufstheologen und sagt, dass er durch diese materielle Unabhängigkeit frei ist den Menschen, ungeachtet ihrer religiösen Herkunft, ihres gesellschaftlichen Status oder ihrer Überzeugung, die befreiende Botschaft Jesu von Gottes Nähe und der neuen Ordnung der Gerechtigkeit und Liebe zu verkünden und glaubwürdig zu leben.
Paulus würde Konstantin Wecker zustimmen, dass diese Botschaft auch unabhängig vom Verkündigenden ist, denn dann wäre sie mit ihm gestorben.
„Ich singe, weil ich ein Lied hab, nicht, weil es euch gefällt, nicht, weil ihr’s bei mir bestellt, nicht weil ihr mich dafür entlohnt. … Und keiner, keiner, keiner wird von mir geschont.“
Diese mahnende, unbequeme, kritische Botschaft, die zur Veränderung der Lebensführung und der gesellschaftlichen Verhältnisse aufruft und sich einsetzt für das Buon Vivir, das gute Leben für alle, braucht unsere Gesellschaft und brauchen unsere Kirchen, egal welcher Konfession.
Und die Sänger*innen erkennt man an diesem Lied.
GS 9. Febr 2020
Shortcode[tube]XpuYckBXUzc[/tube]
Geduldsprobe
In diesen Tagen des holprigen Impf-Starts für die priorisierten „vulnerablen Gruppen“ fordern Politiker aller Ebenen von der Bevölkerung Geduld: Geduld mit den Produzentinnen, Geduld mit den Verhandelnden, Geduld mit den Zulassungsstellen, Geduld mit den Verwaltungsabläufen, … letztlich auch Geduld mit den politisch Verantwortlichen selbst. Die Erwartungen waren hoch, die Entwickler*innen schnell, die Wirksamkeitsstudien beachtlich, die Lieferzusagen viel versprechend.
Die Angst vor Mutationen und Kontrollverlust wächst, der Lockdown-Frust ist groß und für viele existenzgefährdend. Der versprochene Impf-Start enttäuschend. Die Impfstoffverteilung ungerecht zu Gunsten des Nordens, zu Lasten des globalen Südens.
Es wird zurück gerudert. Das Erwartungsmanagement müsse verbessert werden, sagt Markus Söder; Robert Habeck sieht dieses gar im Keller.
Erwartungsmanagement? „Im Erwartungsmanagement kommt es darauf an, die gelieferte Leistung an die Kundenerwartung anzupassen. Dabei ist es relevant, die Kundenerwartung in seinem Sinne zu steuern, um beispielsweise nicht in eine so genannte „Erwartungsspirale“ zu geraten, in der die Leistung durch induzierte Erhöhung der Kundenerwartung immer gesteigert werden muss.“(Wikipedia)
Die Erwartungen an die Bewältigung der Krise also falsch gesteuert?
Paulus schreibt während einer Glaubwürdigkeits-Krise der römischen Gemeinde:
Röm 15,5: „Gott, der Geduld und Ermutigung schenkt, soll euch helfen, eins zu sein und in Frieden miteinander zu leben. Geht miteinander so um, wie es Christus vorgelebt hat.“
Es geht in der Bewältigung von Krisen um Geduld miteinander, mit denen man gemeinsame Überzeugungen und ein gemeinsames Ziel teilt: Ein gutes Leben für alle.
Und die Bereitschaft zu Verzicht und zum Teilen.
In meiner Prioritäten-Liste stehen Corona-Krise und Klimakrise gemeinsam auf Platz 1.
Dafür brauche ich viel Gott geschenkte Geduld, auch mit mir selbst, Menschen mit denen ich gemeinsame Ziele teile und (Gott geschenkte) Ermutigung!
GS 2. Februar 2021
Symbol-Missbrauch
Die Bilder vom Sturm auf das Kapitol in Washington (am 6. Januar, dem Fest der Erscheinung des Herrn) sind auch nach Abtritt des dazu anstachelnden Ex-Präsidenten im Gedächtnis verankert. Die mitgeführten Symbole unterstreichen den teils religiös motivierten Anspruch dieses geplanten und inszenierten Aufstandes gegen das politische Establishment und die freiheitliche Demokratie und ihre Einrichtungen.
Plakate wie „Jesus saves“ und Kreuze in allen Größen erinnern an Prozessionen und Donald Trump inszenierte sich gerne als Messias der radikal-evangelikalen Community in „Gods own country“
Der Missbrauch christlicher Symbole und die Ideologisierung aus dem Zusammenhang gerissener Fragmente aus heiligen Schriften der Religionen sind erschreckend und können nicht einfach nur missbilligend in Kauf genommen werden.
Dies ist kein bedauerliches Missverständnis der biblischen Botschaft, sondern ein bewusster Missbrauch von Zeichen und Kernaussagen des Christentums.
Die Umdeutung religiöser Kernaussagen ist kein christlich, amerikanisches Spezifikum, sondern auch die Thora, der Koran und Schriften Buddhas werden von religiösen Fanatikern für politische Handlungen und terroristische Anschläge missbraucht.
Selbst Schuld? Religion ist eben doch Opium fürs Volk (wobei Opiate eher beruhigen bis hin zur Apathie)? Religion passt eben nicht in eine aufgeklärte Gesellschaft des 21. Jahrhunderts?
Ich glaube eher, dass religiöse (Verkündigungs-)Sprache eine Klartext-Aktualisierung braucht.
Papst Johannes XXIII forderte bei der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils in den 1960er Jahren ein „Aggiornamento“ ein heutig werden, ausgerichtet an dem, was die Menschen unserer Zeit bewegt. Religion muss Antwort geben auf die Fragen der Menschen und lebbare Wege und Werte aufzeigen.
Die Heilige Schrift braucht ein Update, wie Bodo Wartke in seinem neuen Song DIE HEILIGEN SCHRIFTEN 2.0 vorschlägt.
[tube]88eVuCRlnuA[/tube]
Verhindert das den Missbrauch religiöser Symbole? – nein, aber religiöse Werte und Haltungen wären verstehbarer und (er-)lebbarer für uns glaubende und suchende Menschen im 21. Jahrhundert.
GS 26. Januar 2021
Von visionslosen Zeiten, Hörenden und Berufenen
Lange habe ich diese biblische Lesung (1.Samuel 3, 1-10) nicht mehr im Gottesdienst gehört; vielleicht hatte ich nicht hingehört, war mit anderem, vermeintlich Wichtigerem beschäftigt, oder sie traf damals nicht meinen Nerv.
Aber diesmal kam alles zusammen. Ort, Zeit und Botschaft. Ich horchte auf, hörte hin und fühlte mich angesprochen:
„In jenen Tagen waren Worte des HERRN selten; Visionen waren nicht häufig.“ Die Vorgeschichte erzählt von korrupten Priestern, die ihr Amt und ihre Macht auf Kosten der Glaubenden missbrauchen, statt auf Gott und seine Botschaft zu hören. – Visionslose Religionsführer -.
Samuel, ein junger Priesterschüler am Heiligtum, schlief dort und wurde von Gott*, dem Ich-Bin-Da-Bei-Euch angerufen. Nachdem sein Lehrer eine Ahnung davon bekommt, dass dieser Gott* etwas mit Samuel vorhat, fordert er ihn auf genau hinzuhören und zu antworten „Sprich Herr, Dein Diener hört!“
Meine Kirche beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mehr mit sich selbst und ihrer selbstverursachten Glaubwürdigkeitskrise. Sie ist visionslos geworden und gesellschaftlich irrelevant. Dem ICH-BIN-DA-Gott* ist die Menschheit aber nicht egal, sonst hätte er nicht vor 2000 Jahren den Menschensohn Jesus mit seiner befreienden Botschaft, dem Evangelium vom Gottes Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens in diese Welt gesandt.
An uns, an der Kirche ist es diese Botschaft immer wieder neu zu hören, sie glaubwürdig in jeder Zeit zu leben und zu verkünden.
Die zukunftsfähige Vision ist in der Welt. Und vielleicht sind es die jungen, unbekümmerten, als naiv abgetanen, nicht korrumpierten „Schüler“, die dieser alten Menscheits-Vision neue Power geben können, weil sie Hörende und nicht die Tradition Verwaltende sind und sich berufen fühlen die Zukunft der Welt zu retten. – Lasst uns genau hinhören und uns von der visionären Botschaft inspirieren zu zukunftsfähigem Handeln!
GS 19. Januar 2021
Wo kämen wir hin,
wenn jeder sagte,
wo kämen wir hin
und keiner ginge,
um zu sehen,
wohin wir kämen,
wenn wir gingen.
Kurt Marti – (1921 – 2017) Schweizer Pfarrer und Schriftsteller
vorsätzlich
Der Jahreswechsel ist die Zeit der „guten Vorsätze“: die einen wollen aufhören zu rauchen, die anderen abnehmen, wieder andere wollen sich oder etwas in ihrem Lebensstil verändern.
Aber der bloße Vorsatz ohne entsprechendes Handeln ist folgenlos! Und überhaupt „Gute Vorsätze sind auch nur eine perfide Masche, um uns Selbstoptimierung zu verkaufen.“ – oder?
Da treffen sich dieser Tage internationale Spitzenpolitiker aus mehr als 50 Staaten zum Umweltgipfel „One Planet Summit“ in Paris. Vorsätze, welche Klimaziele sie bis 2050 erreichen wollen, um die Klimakatastrophe abzuwenden gibt es seit der Pariser Klimakonferenz vor 5 Jahren zu Hauf, gehandelt haben sie eher zögerlich und kleinlich. Und dann kam ja noch die Flüchtlingskrise dazu und seit einem Jahr lähmt die Pandemie das konsequente Umwelthandeln und fordert naheliegendere Handlungsoptionen und unpopulären Konsum- und Kontakt-Verzicht.
Da ist die Willensbekundung fast 12 Milliarden in ein ins Stocken geratenes Umweltprojekt in Afrika zu investieren zunächst mal ein guter Vorsatz.
Beim näheren Hinsehen stellen sich Fragen nach der Ernsthaftigkeit und den Nebenabsichten solcher Beschlüsse.
Die Initiative mit dem wohlklingenden Namen „Große grüne Mauer“ soll die Ausbreitung der Sahara und somit die weitere Wüstenbildung stoppen. Auch Hungersnöte und Dürren und damit einhergehende Fluchtursachen in der Region sollen so bekämpft werden. Bisher hat die Initiative, die bereits in den 2000ern ins Leben gerufen wurde, aber nur wenige Bäume gepflanzt. 15 Jahre lang verschleppt soll es nun in 10 Jahren vollendet werden, wenn der gute Vorsatz denn auch durch die notwendigen Finanzen beglaubigt wird.
Initiiert wurde der jetzige Beschluss durch die „High Ambition Coalition for Nature and People“ der auch Deutschland beigetreten ist, sie will weltweit 30 Prozent der Landes- und Meeresflächen schützen.
Mit der Glaubwürdigkeit solcher politischen Initiativen ist es häufig nicht weit her, wenn andere, populärere Notwendigkeiten auf nationaler Ebene sich aufdrängen. Und was gibt es Wichtigeres als die nationale Gesundheit? – Vielleicht die internationale Solidarität, auch in der Pandemie?
Der Maßstab Jesu zum vorsätzlichen Handeln ist in der Bergpredigt eindeutig markiert: „Sag einfach ›Ja‹ oder ›Nein‹. Alle anderen Beteuerungen zeigen nur, dass du dich vom Bösen bestimmen lässt.« (Mt5,37)
Der Glaubwürdigkeit politischer Reden und Absichtserklärungen nicht nur in diesem Wahljahr und nach einem Failed- und Lügen- President in den USA und angesichts der autokratischen und populistischen Politik in immer mehr Staaten würde diese Haltung und Ethik der Bergpredigt gut tun.
Mein Vorsatz für dieses Jahr, auch wenn er nicht so einfach zu leben ist: „Sag einfach ›Ja‹ oder ›Nein‹. Alle anderen Beteuerungen zeigen nur, dass du dich vom Bösen bestimmen lässt.« (Mt 5,37)
GS 12. Januar 2021