Über das Absolute

„Es gibt nur zwei Absolute: Gott und Hunger“; das ist eine These von Sr. Theresa Forcades. „Es gibt nur zwei Absolute: Gott und Hunger“. Die spanische Benediktinerin bezieht sich auf das 25. Kapitel des Matthäusevangeliums, wir haben es vor einigen Wochen am Sonntag des Christkönigfestes gehört, ihr erinnert euch vielleicht. Jesus spricht vom Endgericht und verheißt den Menschen das Paradies, die in den Hungernden ihn, Jesus, den Gottessohn erkannt hätten. „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben“, sagt er und die Menschen fragen, wann sie ihn denn hungrig gesehen hätten. Darauf antwortet er: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. „Es gibt nur zwei Absolute: Gott und Hunger“. Dieser Gedanke, diese Überzeugung hat mich in den letzten Tagen intensiv begleitet. Schwester Theresa, der es um einen persönlichen Sinneswandel des einzelnen Menschen geht, im Blick auf die Armutssituation in unserer Gesellschaft, ist es in ihrem Vortrag gelungen, mich und viele andere anzusprechen gerade nicht dadurch, dass sie moralisch argumentiert hätte, so nach dem Motto, schämt ihr euch nicht, dass es euch im reichen Westeuropa so gut geht, während doch zur gleichen Zeit 50 Millionen Menschen allein in dieser reichen EU unter der Armutsgrenze leben müssen. Schlechte Gewissen machen keine guten Menschen. Nein, mit Druck und Moralin wird die Welt nicht freundlicher, friedlicher, sicher auch nicht gerechter.

Das Gedicht eines anderen Ordensmenschen, Anton Rotzetter bietet eine Alternative zu dem von uns Menschen oft so gern ausgeübten Druck, den wir gern einsetzen, um an unsere Ziele heranzukommen, und mögen sie noch so integer sein. Er schreibt:
Jeder Ochse weiß
wo er zuhause ist
Und jeder Esel spürt
wem er gehört
Nur wir Menschen
Irren heimatlos
Von Frage zu Frage
Von Haus zu Haus
Von Herr zu Herr
Von Götze zu Götze
So lass uns dich erkennen, Gott,
Als Mensch unter Menschen In wahrer Menschlichkeit.

Weil wir Menschen oft so planlos, heimatlos umherirren von Frage zu Frage, von Herr zu Herr, von Götze zu Götze, und dann meinen, wenn wir uns an Normen, Gebote, Gesetze festhalten, dann wird es besser gehen im Leben, verabsolutieren wir, was absolut nicht absolut ist: Wir absolutieren unser Denkvermögen und unsere Deutungsversuche von der Welt, in der wir leben. Was dabei herauskommt, sehen wir tagtäglich. Familien werden auseinandergerissen auf der Flucht und ein 2jähriges Kind erhält eine Einreiseerlaubnis, während den Eltern in der Türkei das Visum verweigert wird; oder wir unterstützen ein marodes System, wie das in Libyen zum Beispiel und sind mitverantwortlich dafür, dass unschuldige Menschen als Sklaven an reiche Clans verkauft werden.

„Es gibt nur zwei Absolute: Gott und Hunger“ Diese These von Sr. Theresa bildet einen radikalen Perspektivwechsel. Der Unverfügbare, der sich zur Verfügung gestellt hat und die anderen, die zur Verfügungsmasse dieser Welt geworden sind, sind die einzigen Absolute dieser Welt. Alles andere ist verhandelbar, veränderbar, einzig Gott und die menschliche Sehnsucht nach Sättigung nicht. Weihnachten wird erfahrbar im Nachahmen dessen, was Gott vorgemacht hat. Er wollte nichts anderes als sich hineinversetzen in das Leben der Menschen. Gott möchte sich einfühlen und hineindenken in unseren Lebensrhythmus, in das, was wir tun, was wir arbeiten, was wir fühlen und erleben. Wir Menschen machen Gesetze, um das Leben miteinander zu regeln, Gott fühlt sich ein in die Not der Menschen, um das Leben der Menschen zu heilen.

Weihnachten ist eben mehr als ein Wohlfühlfest; so vertraut all die schönen Traditionen zu diesem Fest sind, die mir ebenso wichtig sind wie sicher auch euch, sie treffen nicht den Kern dieses Geschehens. Weihnachten berührt erst wirklich, wenn wir erkennen, nein, besser: spüren, was wirklich absolut ist in unserem Leben: Gott und Hunger. Oder anders: Eine tiefe Freude über die Menschwerdung Gottes und eine nicht minder tiefe Antriebskraft, sich allem entgegenzustellen, was einem würdevollen Menschsein hier auf Erden im Wege steht. Dann können wir für uns auch sagen: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“...Predigt am 17. Dezember
Christoph Simonsen

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